Valentina Vlasic verlässt zum Jahresende das Museum Kurhaus und wird Leiterin des Textilmuseums in Bocholt. NN-Foto: Rüdiger Dehnen
1. September 2025 · Kleve

Ein Kraftwerk verlässt Kleve

20 Jahre war Valentina Vlasic Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve

KLEVE/BOCHOLT. „Zeigen Sie mir jemanden, der mit 45 nicht darüber nachdenkt, noch mal durchzustarten“, sagt Valentina Vlasic. Ja, denke ich: Vielleicht ist da was dran. „La Vlasic“ ist ein Power Plant: ein Kraftwerk. „La Vlasic“ ist irgendwie ein Teil der Grundausstattung des Museums Kurhaus – gehört zum Inventar. Und wie es oft so ist mit dem scheinbar Selbstverständlichen: Es wird unsichtbar. Kein Wunder also, dass da jemand einfach noch mal durchstarten möchte.

Da war also diese Stellenausschreibung des Textilmuseums Bocholt. „Ich dachte mir: Bewirb dich mal. Teste deinen Marktwert“, blickt Vlasic zurück. Also: Bewerbung geschrieben, abgeschickt und... eine Einladung zum Bewerbungsgespräch erhalten. Vlasic fährt hin – erzählt von Visionen und Kleinigkeiten. „Am Ende dachte ich: Das und das hast du vergessen – etwas anderes hätte ich vielleicht auch weglassen können.“ Dann setzt sich Vlasic ins Auto und fährt zurück nach Kleve und während sie noch fährt: der Anruf. Man habe sich für sie entschieden. „Ich bin fast in die Leitplanke gefahren“, sagt sie. Ob sie sofort zusagen könne, wird sie gefragt und erbittet Bedenkzeit bis zum darauf folgenden Montag – es ist der Pfingstmontag. Sie sagt zu. „Sie glauben nicht, was eine solche Nachricht freisetzt“, sagt Vlasic und man denkt: Wie jetzt? Noch mehr Energie?

Da sitzt sie und erzählt – Leuchtfeuer in den Augen. Sie schwärmt von einem „tollen Haus“. Von einem Museumsentwicklungsplan. Sie erzählt von Möglichkeiten und ihrer Vision eines Museums, das ein Erlebnisort ist. Was das bedeute, könne man bei den niederländischen Nachbarn erleben.

La Vlasic ist dankbar für ihre Zeit in Kleve. Ein Haus, das vom Mittelalter bis zur Moderne alles abdecke. Nach ihrem weinenden Auge gefragt, überlegt sie nicht lange: „Die Sammlung“, sagt sie. „Ich musste mich nie festlegen“, sagt sie auch und wenn man an die Ausstellungen denkt, die sie zu verantworten hatte, ist einiges an „Krachern“ dabei. Die Bandbreite: groß. Das wird ihr jetzt zugute kommen.

„Das LWL-Museum Textilwerk in Bocholt bekommt eine neue Leiterin. Die Kunsthistorikerin hat sich bislang in einem Kunstmuseum in Kleve einen Namen gemacht“, schreibt das Bocholt Borkener Volksblatt. Mit dem LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) wechselt Vlasic vom Städtischen ins „Ländliche“. Das Textil-Museum: ein Landesmuseum. „Es ist das größte der acht Industriemuseen im LWL“, sagt die Vlasic. Rund 30 Mitarbeiter. Das lässt sich hören.

Ab dem 1. Januar 2026 („Erster Arbeitstag ist natürlich der 2. Januar.“) heißt es dann: Neue Aufgaben. Neue Möglichkeiten. Was die Vlasic schon jetzt an Ideen ins Unreine formuliert, dürfte für die kommenden Jahre reichen.

Für Vlasic ist es die erste Chefposition und eines wird nicht passieren: „Ich werde nicht da hinkommen und glauben, dass ich alles besser weiß und alles ändern muss.“ Aber so ein paar Dinge gäbe es dann doch ... Was ist wichtig: „Wertschätzung für die Mitarbeiter, für das Team. Lob aussprechen.“ Valentina Vlasic spricht vom „Museum als Gesamtpaket“. Vor dem inneren Auge sieht man das Schild: Museum und mehr. Dass es ein Textilmuseum ist, empfindet sie als große Möglichkeit: „Da kann man vieles mischen.“ Es folgen: Zehn Ideen in 20 Sekunden. „Aber das schreiben Sie bitte noch nicht.“ Jawoll, Chefin.

25 Jahre hat die Grazerin in Österreich gelebt. Dann kam der Wechsel an den Niederrhein. Der Grund: die Liebe. 20 Jahre Kleve. Sie liebt Kleve, sagt die Vlasic, die in Kranenburg wohnt und auch genau dort bleiben möchte. Das bisschen Fahren ... „kein Problem. 50 Minuten, wenn alles gut läuft.“

Als sich im Vlasic-Kopf die Idee absetzte, mal den eigenen Marktwert auszutesten, war eines der Kriterien für die Wahl des Möglichen: maximal eine Stunde Fahrtzeit. Da liegen die Bocholter im Vlasic-Soll.

Man war nicht Zeuge des Bewerbungsgespräches, aber es ist verständlich, dass sich der LWL für die Kraftpaketlösung entschieden hat. Ein Teil der künftigen Aufgabe: „Anträge schreiben. Und glauben Sie mir: Das kann ich gut“, sagt La Vlasic. Und nicht nur das.

Dann: Abstecher ins Modische, das ohnehin ein wichtiger Teil im Vlasic-Leben war, ist und sein wird. Sie nennt Namen. Einer davon: Rei Kawakubo. „Kennen Sie die? Bisher nur einmal ausgestellt. New York. Und glauben Sie mir: Die zweite Ausstellung wird in Bocholt stattfinden. Sie kennen mich.“ Ja. „Ich werde mich so lange vor ihr Büro hocken, bis sie zusagt.“ Ja, ja, denkt man: Typisch Vlasic. Sie wird das hinbekommen. Schade für Kleve: Ein Kraftwerk reist ab.

Valentina Vlasic verlässt zum Jahresende das Museum Kurhaus und wird Leiterin des Textilmuseums in Bocholt. NN-Foto: Rüdiger Dehnen