In Borth wird unter Tage immer noch Salz abgebaut. NN-Archivfoto: SP
30. September 2025 · Niederrhein

Breites Bündnis klagt gegen Ausweitung des Salzabbaus am Niederrhein

Das Bündnis setzt sich für einen auch zukünftig lebenswerten Niederrhein ein / Podiumsveranstaltung am 1. Oktober

KREIS WESEL. Gegen die Genehmigung der Bezirksregierung Arnsberg, den Abbau von Steinsalz am Niederrhein auszuweiten, wird von zahlreichen Klägern vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster geklagt. Betroffen ist das Steinsalzbergwerk Borth des Unternehmens K+S – das letzte aktive Salzbergwerk in Nordrhein-Westfalen. Die Kläger sprechen von einer „unverantwortlichen Genehmigung“, die den Niederrhein auf viele Jahrzehnte gefährde. Gefordert werden wissenschaftlich belastbare Gutachten und scharfe, umfassende Auflagen sowie – an den Gesetzgeber gerichtet – die längst überfällige Reform des Bundesberggesetzes, das Menschen, Umwelt, Infrastruktur und Eigentum derzeit unzureichend schützt.

Insgesamt 14 Kläger haben Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht, mit dem die Bezirksregierung Arnsberg – trotz massiven Protests – am 9. April 2025 dem Bergbaukonzern K+S den Rahmenbetriebsplan zur Erweiterung der Abbauflächen ohne nachhaltige Auflagen genehmigte. Das Bergbauunternehmen K+S betreibt das Steinsalzbergwerk Borth am Niederrhein. Dort wird seit 100 Jahren Salz abgebaut.

Die Bürgerinitiative Salzbergbaugeschädigte NRW e.V., ein seit Jahren in der Region anerkannter Umweltverband, hat Klage erhoben. Für die Bürgerinitiative ist die Zulassung der Erweiterung „ein Schlag ins Gesicht der mehr als 2.000 privaten Einwender und einer Vielzahl an Trägern öffentlicher Belange deren Kritik und Argumente im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt wurden“. Zu den Klägern zählen außerdem die Kommunen Xanten, Alpen, Rheinberg und Sonsbeck, der Deichverband Duisburg-Xanten und das Kommunale Wasserwerk. Weiterhin setzen sich der Dombauverein St. Viktor und das St.-Josef-Hospital in Xanten, zwei katholische Kirchengemeinden, eine Ordensgemeinschaft, die Firma Lemken (ein international tätiges Großunternehmen im Bereich Landtechnik) sowie ein Privatkläger gegen das Verfahren juristisch zur Wehr. Die Kläger haben sich zum Austausch gegen die aus ihrer Sicht fundamentalen Fehler der Antragsunterlagen von K+S und gegen die nahezu bedingungslose Genehmigung seitens der Bezirksregierung zusammengeschlossen.

Kritikpunkte

Die Kläger kritisieren das gesamte Verfahren und verweisen auf fundamentale Risiken. Sie machen deutlich, dass die Rohstoffgewinnung Schutzinteressen weitgehend ausblendet. So warnen sie insbesondere vor einer erheblichen Hochwassergefahr: Bei Extremhochwasser würden die Rheindeiche definitiv überspült und die abgesenkten Gebiete in mehrere Meter tiefe Wasserfallen verwandelt. Auch bei Deichbrüchen gäbe es keine Möglichkeit, das angestaute Wasser in den höher liegenden Rhein abzuleiten, was eine langfristige Überflutung von Wohn- und Gewerbegebieten sowie landwirtschaftlichen Flächen zur Folge hätte und eine Gefahr für Leib und Leben darstellt.

Ein weiteres Risiko betrifft den Grundwasserschutz. Rheinhochwasser könnte bei Überströmung der Deiche oder im Falle eines Deichbruchs ungefiltert in das abgesenkte Trinkwasserschutzgebiet eindringen und so die kommunale Wasserhaushaltsführung dauerhaft verunreinigen und schädigen. Darüber hinaus werde durch das bergbaubedingte Abpumpen des Grundwassers ohnehin ein erheblicher Teil der Grundwasservorräte vernichtet.

Hinzu kommt aus Sicht der Kläger ein klarer Verstoß gegen das Naturschutzrecht, da Abbauflächen Lebensräume bedrohen und Naturschutzgebiete wie das Ramser Gebiet zerstören. Auch die abbaubedingte CO₂-Bilanz bei Gewinnung, Verarbeitung und Logistik sei in den Genehmigungsunterlagen nicht betrachtet worden. Zusätzlich wird mit massiven Schäden und Zerstörungen an Wohneigentum, an kommunaler Infrastruktur wie Straßen und Kanalnetzen sowie an Kulturgütern wie dem Dom und der Innenstadt in Xanten gerechnet.

Die Kläger bemängeln außerdem unkalkulierbare Ewigkeitskosten, für die es weder ausreichende noch rechtlich gesicherte Rücklagen außerhalb des Betriebsvermögens von K+S gebe. Volkswirtschaftlich sei der Salzabbau daher nicht sinnvoll, da die unendlich hohen Folgekosten in keinem Verhältnis zur endlichen Rohstoffgewinnung bis 2050 stünden.

Darüber hinaus sei die Haftung bei Schäden stark begrenzt. Bei prognostizierten Absenkungszeiträumen von bis zu 200 Jahren hafte das Bergbauunternehmen gemäß BGB lediglich 30 Jahre lang. Danach blieben Bürger und Grundbesitzer allein auf den durch den Bergbau entstandenen Schäden sitzen. Weder Rechtsschutzversicherungen noch Wohngebäudeversicherungen würden Bergbauschäden abdecken.

Die Kläger bemängeln auch, dass Schäden vom Bergbauunternehmen selbst bewertet werden. Dies werfe erhebliche Zweifel an der Objektivität der Gutachten auf. Zudem überlagere das Bundesberggesetz viele andere Schutzrechte wie Naturschutz-, Wasser- und Bauplanungsrecht. Auch eine Prüfung von Alternativen sei unterblieben. So sei weder die Auffüllung der Hohlräume (der sogenannte „Versatz“), die massive Senkungen und Folgeschäden deutlich abmildern könnte, noch eine Betrachtung anderer Verfahren wie der von K+S in Australien angewandten Salzgewinnung aus Meerwasser erfolgt. Schließlich kritisieren die Kläger die Ausgrenzung der Öffentlichkeit: Einwände von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Institutionen seien nicht berücksichtigt worden. Selbst das Einsichtsrecht in Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange habe erst eingeklagt werden müssen. Zudem seien die Auslage der Antragsunterlagen und die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht fristgerecht erfolgt, und zu Klimafragen habe es überhaupt keine öffentliche Beteiligung gegeben.

Die Forderungen der Kläger

Das Bündnis sieht daher nur in einer grundlegenden Reform des Bundesberggesetzes die Möglichkeit, Regionen wie den Niederrhein künftig wirksam zu schützen. Zunächst fordern die Kläger, dass ein weiterer Abbau nur unter Einsatz des sogenannten Versatzes erfolgen darf, um großflächige Absenkungen zu verhindern und Schäden abzumildern. Außerdem müsse das Bergbauunternehmen K+S bis zum Eintritt der sogenannten Bergruhe auf die Verjährungseinrede verzichten. Parallel dazu sei die Hinterlegung ausreichender Sicherheitsleistungen und Bürgschaften für Bergschäden und Ewigkeitslasten bei der zuständigen Aufsichtsbehörde notwendig.

Darüber hinaus müsse K+S Schutzmaßnahmen für Deiche und Infrastruktur bereits vor Abbaubeginn und vor Eintritt von Bergschäden ergreifen. Das Unternehmen solle zudem verpflichtet werden, auch nach Ablauf der Verjährungsfrist an einer unabhängigen Schlichtungsstelle teilzunehmen. Weiterhin sei eine Prüfung von Standortalternativen erforderlich – etwa durch einen Abbau nur unterhalb öffentlichen Grundbesitzes, in Gebieten ohne Hochwassergefahr und ohne Wohnbebauung oder durch eine alternative Salzgewinnung aus Meerwasser. Schließlich verlangen die Kläger eine regelmäßige Veröffentlichung von Daten über geologische Unstetigkeiten wie Abrisskanten oder Verwerfungen sowie von relevanten Höhendaten an öffentlicher Infrastruktur und Gebäuden, damit Gemeinden und Grundstückseigentümer über Risiken informiert sind.

Die geforderte Reform des Bundesberggesetzes müsse dabei einen klaren Vorrang für die Schutzgüter Mensch, Umwelt, Eigentum, Landschaft und Kultur gegenüber Rohstoffinteressen schaffen. Außerdem dürfe die 30-Jahres-Verjährungsfrist nicht länger gelten, da Salzabbauschäden bis zu 200 Jahre nachwirken können. Schließlich brauche es transparente und regulierende Mechanismen zur unabhängigen Kontrolle des Salzabbaus in Deutschland, die trotz der langen Geschichte dieser Industrie bis heute nicht existieren.

Stellvertretend für das Bündnis der Kläger warnt der Vorstand der Bürgerinitiative: „Das gesamte Planfeststellungsverfahren macht den Eindruck, dass der Niederrhein industriellen Interessen geopfert werden soll. Ab 2050 bringt der Salzabbau der Region keinen Nutzen mehr – nur Schäden, Kosten und Gefahren. Verantwortung werde niemand übernehmen, solange das Bergrecht veraltet bleibt und die Verjährungsfristen von 30 Jahren fortbestehen. Deshalb muss eine Reform des Bundesberggesetzes auf den Weg gebracht werden“.

Veranstaltung

Das Bündnis der Kläger richtet sich mit Veranstaltungen und weiteren Maßnahmen an die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger. Die nächste Veranstaltung des Bündnisses „Schulterschluss – Gemeinsam gegen die Genehmigung zum weiteren Salzabbau durch K+S am Niederrhein“ findet am Mittwoch, 1. Oktober, ab 19 Uhr in der Katholischen Kirche St. Peter in Wesel-Büderich, Marktstraße 9 Wesel, statt.

In Borth wird unter Tage immer noch Salz abgebaut. NN-Archivfoto: SP