Vor dem Cinque-Spiegelzelt (v.l.): Andreas Meder (Sparkasse), Edmund Verbeet, Bruno Schmitz (Cinque), Dr. Antje-Britt Mählmann, Marcel Reif, Professor Dr. Oliver Locker-Grütjen, Wilfried Röth (Sparkasse), Martin Klapheck. Foto Sparkasse Rhein-Maas
8. September 2025 · Kleve

Aus der Vergangenheit lernen

Marcel Reif war zu Gast bei der Sparkasse Rhein-Maas

KLEVE. Anlässlich ihres 200-jährigen Jubiläums hatte die Sparkasse Rhein-Maas den bekannten Sportreporter Marcel Reif zu Gast. Aber, so Vorstandsvorsitzender Wilfried Röth, bei der Begrüßung, nicht als Sportreporter, sondern aufgrund seiner Familiengeschichte.

Wilfried Röth: „Marcel Reif hat viele Familienangehörigen im Holocaust verloren, sein Vater hat überlebt – aber nie richtig mit seinen Kindern darüber gesprochen. Die Familiengeschichte zeigt gleichwohl sehr plastisch auf, was damals passierte und wie es bis heute beeinflusst. Daher hat Marcel Reif im Januar 2024 am „Holocaust-Gedenktag“ im Deutschen Bundestag gesprochen. Und vieles, was er damals sagte, strahlt auch in das Jetzt und Hier aus – wir erhoffen uns von ihm, mit seinem Blick zurück auch auf die Herausforderungen des aktuellen Zeitgeschehens besser vorbereitet zu sein.“

Rund 260 Oberstufen-Schüler von neun Gesamtschulen und Gymnasien aus dem Geschäftsgebiet waren der Einladung der Sparkasse zu dieser besonderen „Schulstunde“ gefolgt. Die Jugendlichen zeigten sich sichtlich „betroffen“ über die Schilderungen von Marcel Reif aus seine Familiengeschichte und nahmen die Aufforderung von Reif´s Vater „Sei ein Mensch“ sichtlich bewegt auf. Im Anschluss trafen sich Marcel Reif und Moderator Martin Klapheck mit Pressevertretern und Organisationen, die für wichtige Aspekte des Lebens in Freiheit stehen sowie Sparkassenvertretern. Wie Marcel Reif und Wilfried Röth betonten: „Die jetzige Generation ist nicht für die damaligen Geschehnisse verantwortlich, aber für alles was, jetzt und in Zukunft passiert. Wie Entwicklungen in vielen Ländern zeigen, sind Pressefreiheit, unabhängige Justiz, Freiheit von Wissenschaft und Bildung sowie von Kunst unverzichtbar für ein Leben in Freiheit und Demokratie - aber genau sie werden darum von Autokraten und Diktatoren mit Repressalien überzogen.

Im Austausch mit Dr. Antje-Britt Mählmann, künstlerische Direktorin von Museum Schloss Moyland, Prof. Dr. Oliver Locker-Grütjen, Präsident der Hochschule Rhein-Waal und Edmund Verbeet für das Projekt „Haus des Erinnerns und Gedenkens“ wurde sowohl die aktuelle Situation, als auch mögliche Ansatzpunkte erörtert .

Anknüpfend an Aussagen von Marcel Reif zur Menschlichkeit betonte Hochschulpräsident Locker-Grütjen die Wichtigkeit, zu vermitteln, was sich hinter dem Slogan „Sei ein Mensch“ verbirgt, was bedeutet Menschlichkeit, und dafür sei die humanistische Bildung unverzichtbar. Er plädierte auch für die Schaffung von Freiräumen, um bei aktuellen Geschehnissen von starren, überkommenen Lehrplänen in Schule und Hochschule abweichen zu können. Dr. Mählmann sieht ein großes Potential bei jungen Menschen, sich mit diesen Themen zu befassen, aber nicht nur mit den sozialen Medien, wobei diese auch nicht pauschal kritisiert werden dürfen. Wichtig sei auch die Anpassung der Demokratie an die Digitalisierung - und deren Nutzung. Sie sieht die direktere Mitwirkung als unverzichtbar, das aktuelle parteipolitische System stößt dabei an Grenzen. Sie verweist dazu auf Joseph Beuys, der Vorreiter der „direkten Demokratie“ war, dies soll jetzt auch in einem Projekt mit Schülerinnen und Schülern aufgegriffen werden.

Edmund Verbeet, ehemaliger Direktor das Amtsgerichts Emmerich, betont die Rechtsstaatlichkeit als unverzichtbares Fundament für ein gemeinsames Miteinander. Er verweist, auf die Entwicklungen in den USA, dort sieht man, wie dieses Fundament mit vielen einzelnen Schritten angegriffen wird.

Auch berichtet er von engagierten Schülern bei den Stolperstein-Aktionen in Kleve. Diese zeigen ihren Willen, sich mit diesen Themen zu befassen. Dies ermutigt auch für das Projekt „Haus des Erinnerns und Gedenkens“, welches nicht rückwärtsgewandt und ritualisiert sein soll. Wichtig ist, so die Initiatoren, es als lokales, städtebauliches Zeichen, welches auch Platz zur inhaltlichen, zukunfts-gerichteten Arbeit bieten soll, zu gestalten. Es gilt die jungen Menschen abzuholen, aber auch die Älteren nicht zu vergessen und deutlich zu machen, dass es gilt „wach zu werden“.

Wilfried Röth erinnert an die Gedanken von Professor Dr. Norbert Lammert bei der Feierstunde zum Sparkassenjubiläum: „Demokratie ist nicht selbstverständlich, bei 200 Jahren Sparkassengeschichte gab es nur während rund 100 Jahren Demokratie in Deutschland.“ Röth: In vielen Ländern, nicht nur in den USA, sehen wir Entwicklungen, die wir so nicht mehr haben wollten – ein derartiges Tempo der Gleichschaltung haben wir alle nicht erwartet. Insoweit verweist er auch auf eine historische Untersuchung zur Sparkassengeschichte, die auch bei ihr die „Gleichschaltung“ in den Jahren ab 1933 belegt hat – es gilt daraus Lehren zu ziehen und rechtzeitig gegenzusteuern“.

Edmund Verbeet erinnert daran, dass viele Zeitzeugen nicht mehr lange unmittelbar in den Schulen berichten können. Es gilt „Zweitzeugen“ zu gewinnen, die sich zur Vergangenheit bekennen und bereit sind, die Wahrheit auszusprechen und Vorbild zu sein. Insoweit sollen auch Demokratieförderprojekte angeschoben werden.

Marcel Reif stellt nochmals heraus, dass Antisemitismus zu bekämpfen sei, denn dieser richte sich nicht nur gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger, sondern daraus müsse Antrieb für uns alle entstehen - „Das habe ich nicht gewusst“ dürfe nicht wieder sein. Dabei hinterfragt er auch die Rolle der Medien, denn sie haben einen Informations- und Bildungsauftrag, dieser kollidiert aber oftmals mit dem heutigen „Kampagnen-Journalismus“. Der Verkauf von Inhalten und Skandalen sowie Polarisierung kennzeichne zunehmend die Rolle der Medien, merkte auch Antje-Britt Mählmann an.

Verbeet und Locker-Grütjen mahnten an, dass vieles seit Jahren bekannt sei, aber nicht energisch genug gegengesteuert werde. Gerade der Föderalismus mit seinen unterschiedlichen Wegen in Bildung und Lehre steht sich hier im Wege, unverzichtbar sei aber auch, dass hier Diskurs gelehrt und gelebt werde, dazu gehöre auch die Medienkompetenz. Anknüpfend an seine besonderen Lebenserfahren sieht sich Marcel Reif nach dieser Gesprächsrunde in einer seiner Schlüsselaussagen bestätigt: „Das Leben ist kompliziert, daher genau hinschauen, wenn jemand mit einfachen Lösungen kommt – die gibt es nicht.“

Vor dem Cinque-Spiegelzelt (v.l.): Andreas Meder (Sparkasse), Edmund Verbeet, Bruno Schmitz (Cinque), Dr. Antje-Britt Mählmann, Marcel Reif, Professor Dr. Oliver Locker-Grütjen, Wilfried Röth (Sparkasse), Martin Klapheck. Foto Sparkasse Rhein-Maas