Filmemacherin zu Gast in der JVA Geldern

GELDERN. Am Ende bündelt sich alles in einem Wort: Kommunikation. Kommunikation ist der Schlüssel, denn nur wer auf andere zugeht und sich seine Neugier bewahrt, kann am Ende angstfrei leben.
Mo Asumang ist Moderatorin, Schauspielerin, Filmemacherin. Ihr Dokumentarfilm „Die Arier“ ist schon lange viel mehr als ein Geheimtipp. Zwei Versionen des Filmes sind im Umlauf – eine dauert 45, die andere 90 Minuten. Es geht im Vordergrund um die Frage des Arisch-Seins, aber auf der Metaebene geht es um Heimat. Wer gehört wo dazu? Wie entsteht die Angst vor dem Fremden? Mo Asumang drehte ihren Arier-Film, nachdem sie von einer Nazi-Band eine Morddrohung erhalten hatte. „Das hatte natürlich etwas mit meiner Hautfarbe zu tun.“ Asumang machte sich auf die Suche nach „dem Arier“. Eine Suche, die sie zu Neonazis in Deutschland und den USA führte und zu einer Begegnung mit dem Ku-Klux- Clan. Neulich war Asumang auf Einladung der SPD mit ihrem Film in Kleve zu Gast – jetzt besuchte sie die JVA Geldern, um dort ihren Film zu zeigen und anschließend mit Jung-Tätern zu diskutieren. 24 davon sind derzeit in der JVA Geldern untergebracht „und für unsere Jungtäter ist das heute eine Pflichtveranstaltung“, erklärt  Jennifer Rybarcyk, stellvertretende Anstaltsleiterin. Pflichtkino also. Kommunikationskino. Es geht nicht um den Film allein – es geht darum, etwas mitzunehmen und Mo Asumang ist eine, die nicht mit der vorgedruckten Botschaft daher kommt und die Besserwisserin gibt. Eben das macht ihre Überzeugungskraft aus. Nein – mit Schubladendenken sei es nicht getan. Sie, die sich zu Neonazis begeben hat – einfach um mal mit denen zu reden – sagt: Angst ist dann im Kopf, wenn etwas nicht konkret ist. „Als ich dann mit denen da stand und meine Fragen gestellt habe, war das einfacher als in der Vorstellung.“ Sie habe sich, so Asumang, ihre Neugier nicht nehmen lassen. Neugier und Kommunikation können entwaffnend wirken, ohne Waffe zu sein. Das kommt bei den Teilnehmern an. „Das stimmt“, sagt einer gegen Ende der Diskussion. „Hier trifft man ja auch die unterschiedlichsten Leute. Sobald du mit denen redest, ist der wichtigste Schritt getan. Dann hört das Fremde sehr schnell auf.“
Ausländerfeindlichkeit sei häufig angstgesteuert. Dahinter stecken diffuse Befürchtungen, die sich um so besser aufrecht erhalten ließen, je geringer der konkrete Kontakt sei. Noch dazu deckt Asumang in ihrem Film einen „Etikettenschwindel“ der Nazis auf, denn die tatsächlichen Arier sind nicht blondblauäugignordisch. Asumang hat sie gefunden: Im Iran. „Und die wenigsten wissen, dass es so ist.“ Als Einstieg ist die Sache mit dem falschen Etikett in jedem Fall gut, aber Asumangs Film zeigt einen Etikettenschwindel, der viel tiefer reicht. Es geht um die Angst – um den Mangel an Kommunikation. Ihr, erklärt sie den Gefangenen, hat die Neugier geholfen, eine diffuse Angst zu besiegen.
Der erste Schritt aus der Entfremdungsfalle beginnt mit dem ersten Wort. „Wenn du die Angst besiegen willst, geht das nur, indem du einen Teil deiner Kraft abgibst“, erklärt Asumang und ihr Film zeigt, dass es funktionieren kann. Manches in diesem Film tut beim Hinsehen weh. Wenn ein amerikanischer Hetzmoderator ihr sagt, wenn sie ihresgleichen sehen wolle, könne er mit ihr in den Zoo gehen – wenn er ihr sagt, ihr (farbiger) Vater sei letztlich nichts anderes als ein „Genentführer“, dann möchte man laut schreien, in die Leinwand treten. Nein, sagt Asumang, sie habe Herrn Metzger gar nicht damit konfrontieren wollen, dass alles, was er über Arier sage, schlicht falsch sei.
Der Zuschauer des Films wisse es längst und so wird aus dem Moderator ein lächerliches Würstchen, eines allerdings, dass viel zu viele Menschen erreicht, eines, das gleichzeitig armselig und abstoßend wirkt. Asumangs Trumpfkarte: Sie setzt nicht auf schrille Konfrontation. „Damit hätte ich nur Aggression erzeugt.“ Sie hält an ihrer Neugier fest und macht Interesse zum Faktor.
Am Schluss rät sie den Jungs, doch einmal ein Experiment zu machen: „Einen Tag lang redet ihr mit keinem Menschen und findet heraus, wie ihr euch am Abend fühlt. Und am nächsten Tag redet ihr mit jedem, dem ihr begegnet.“ Aggression beginnt mit Angst, Angst beginnt mit Entfremdung. Das Gegenmittel: Kommunikation. Ein Anfang. Vielleicht. Bestimmt. Heiner Frost

Vorheriger ArtikelInitiative “Rees macht mit!”
nun mit fester Anlaufstelle
Nächster ArtikelJubiläumskonzert 20 Jahre Still Collins in Weeze