NIEDERRHEIN. Sowohl bei Ärzten als auch Psychotherapeuten stoßen die Bestrebungen für eine Freigabe von Cannabis auf breite Skepsis und Ablehnung – das hat der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) nun deutlich gemacht. Untertützt wurde er dabei von Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, sowie Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen.

„Ich fürchte, dass die Politik mit der Legalisierung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit von Jugendlichen bewusst in Kauf nimmt,“ sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO. Während sich Erwachsene die Droge legal besorgen könnten, wären die Jugendlichen weiterhin auf dem Schwarzmarkt unterwegs. Dies könne seiner Meinung nach dazu führen, dass sich die Dealer auf diese Zielgruppe einstellen und Anreize schaffen, etwa durch den Verkauf von Ware mit höher konzentriertem psychoaktiven Tetrahydrocannabinol.

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Cannabis ist nicht “harmlos”

Zudem suggeriere die Legalisierung, dass Cannabis, neben legalen Suchtmitteln wie Tabak und Alkohol, eher „harmlos“ sei. „Dem ist aber nicht so“, sagt Bergmann und verweist auf die gesundheitlichen Gefahren, angefangen von der verminderten Gedächtnisleistung über Wahnvorstellungen bis hin zur Depression. Gerade im Gehirn von Kindern und Jugendlichen, das sich noch im Wachstum befindet, hinterlasse die Droge Spuren. Das hohe Suchtpotenzial und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die ambulante Versorgung würden in der momentanen politischen Diskussion zudem massiv unterschätzt. „Sollte Cannabis tatsächlich flächendeckend legalisiert werden, rechne ich mit einem deutlich höheren Behandlungsbedarf bei Suchterkrankungen und depressiven Störungen, die das schon heute extrem belastete Versorgungssystem zusätzlich bewältigen müsste“, sagt der KVNO-Vorsitzende. Gerd Höhner, Chef der Psychotherapeutenkammer, weist zudem darauf hin, dass die geltenden Vorgaben zur Durchführung der Psychotherapie im Falle einer Cannabislegalisierung gar nicht umsetzbar seien. „Mit Blick auf die Richtlinien darf eine ambulante Psychotherapie heute nur erfolgen, wenn nach maximal zehn Behandlungsstunden eine vollständige Suchtmittelfreiheit beim Patienten erreicht werden kann. Dieses Kriterium würde aber durch einen frei zugänglichen, legalen Konsum ad absurdum geführt“, sagt Höhner.

Mehr Prävention in Schulen und Arbeitswelt

Für den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, würde eine Legalisierung von Cannabis die bereits seit Jahren in der Gesellschaft durchgeführten Anstrengungen für eine allgemeine Konsumreduzierung von Suchtmitteln konterkarieren. Er fordert stattdessen: „Wir brauchen zeitnah eine Ausweitung gezielter und evaluierter Präventionsstrategien ausgehend von den Schulen bis hinein in die Arbeitswelt, Freizeit und in weitere Lebenswelten mit dem Ziel, dass insgesamt weniger Menschen Suchtmittel konsumieren.“

Rückendeckung für NRW-Gesundheitsminister

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte zuletzt mehrfach seine ablehnende Haltung gegenüber einem legalen Cannabiskonsum kundgetan. „Er kann sich sicher sein, dass ihn die hiesige Ärzte- und Psychotherapeutenschaft nach Kräften dabei unterstützt, eine umfassende Legalisierung zu verhindern“, sagt Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KVNO: „Andernfalls drohen wir einer Entwicklung Tür und Tor zu öffnen, deren negative Folgen für die gesamte Gesellschaft vermutlich immens wären.“ Gerade in den ländlichen Regionen, in denen Ärzte und Therapeuten ohnehin fehlen, hole man sich „ohne Not ein Problem ins Haus“. Selbst wenn Studien belegen, dass kurzfristig nicht viel passieren wird, seien die langfristigen Folgen katastrophal. Natürlich bleibe es eine Typfrage. „Aber mit dem Anstieg der Konsumenten steigt eben auch die Gruppe der sensiblen Konsumenten“, sagt Henke.

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