NIEDERRHEIN. Wer einen lieben Menschen verloren hat, lernt mit der Zeit, mit diesem Verlust zu leben. Als Erwachsener weiß man: Das Leben ist endlich. Doch wie geht es Kindern, die ein Elternteil, Schwester oder Bruder nie mehr wiedersehen werden und sich vielleicht noch nicht einmal verabschieden konnten?

In dem Theaterstück von Herzenswunsch Niederrhein stehen die Emotionen im Mittelpunkt. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

„Ohne diese Erfahrung wäre ich auf keinen Fall der Mensch, der ich heute, hier und jetzt bin.“ Mit Julias „Brief an den Tod“ klingt das Bühnenstück aus, das im Rahmen des Theater-Workshops des Vereins Herzenswunsch Niederrhein entstanden ist. „Es ist wie eine frische offene Wunde, die heilen muss“, liest Julia ihre zu Papier gebrachten Gedanken vor und fragt sich und das Publikum: „Gibt es etwas Positives am Tod?“ Julia war 13 Jahre alt, als sie die Trauerbegleitung des Vereins kennen lernte. Heute weiß sie, dass dieser Schicksalsschlag, der ihr Leben auf den Kopf gestellt hat, sie hat reifer werden lassen. „Ich verbringe meine Zeit bewusst“, kann sie von sich sagen. Sie verfügt über ein hohes Maß an Empathie, hat gelernt, mit ihren Schwächen umzugehen und steht mit beiden Beinen fest im Leben. „So etwas verändert deinen Blickwinkel“, sagt Julia. Neben all der Wut, Trauer und Verzweiflung gibt es viele schöne Momente, vieles, für das sie dankbar ist. „Es hilft zu wissen, dass man nicht allein ist“, ist auch eine der positiven Erfahrungen, die Julia gemacht hat. In der Trauergruppe des Vereins, der seit 2020 über eine feste Anlaufstelle an der Wallstraße 10 in Kalkar verfügt, fühlt sie sich verstanden.

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Theaterstück feiert heute Premiere

Zusammen mit anderen Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren hat sie an dem Stück gearbeitet, das am heutigen Sonntag vor geladenen Gästen Premiere feiert. Verzögert durch die Pandemie hat es vier Jahre bis zur Bühnenreife gedauert. Unterstützt wurden die jungen Darsteller zunächst von Yvonne Campbell Körner vom Theater im Fluss, später von Reiner Schmeisser von der Bühne 69 in Kamp-Lintfort. In dem Stück, dass sich aus einzelnen Szenen, Musik und auf Leinwand gezeigten Fotos zusammensetzt, geht es um eine Mutter und ihre Tochter, die sich mit dem Tod des Vaters auseinandersetzen müssen. Auf ein Bühnenbild wird bewusst verzichtet – es sind die Emotionen, die im Mittelpunkt stehen.

Herzenswunsch: Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen

Die jungen Darsteller mit der Vereinsvorsitzenden Bianca van Hardeveld und Bühne 69-Profi Reiner Schmeisser. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Ein wichtiger Schwerpunkt des Vereins soll in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen sein. Denn trauernde Kinder und Jugendliche fühlen sich im schulischen Umfeld oft missverstanden oder isolieren sich selbst. „Erzieher und Pädagogen sind dann häufig mit der Situation überfordert“, weiß Bianca van Hardeveld, ausgebildete Trauerbegleiterin und Vorsitzende des Vereins. Deshalb soll das Stück nun in den Schulen auf Tour gehen. Natürlich im begleiteten Rahmen und mit anschließendem Austausch, denn „leichte Kost“ ist es nicht. Damit möchte der Verein zum einen sensibilisieren und zum anderen seine kostenfreien Angebote in der Begleitung von trauernden Kindern und Jugendlichen bekannter machen. Das Stück dauert rund 60 Minuten und ist geeignet für junge Zuschauer ab etwa zwölf Jahren. Wer die Truppe „buchen“ möchte, meldet sich am besten per Mail an kontakt@herzenswunsch.info.

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