XANTEN. Meist sind es Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei denen Schiedsleute als Schlichter zum Einsatz kommen. Wer diese Hilfe seit dem 1. Februar in Xanten in Anspruch genommen hat, ist zwei neuen Gesichtern begegnet: Rainer Groß und Ulrike Kimms (stellvertretende Schiedsfrau) haben sich gegen drei weitere Bewerber als neue Schiedsleute durchgesetzt. Neben der Begrüßung und Vorstellung der neuen Amtsträger verabschiedete die Stadt nun im Rathaus auch die ehemaligen Schiedsmänner Reiner Pulheim und seinen Stellvertreter Michael Kemkes.

Streitfälle sind Rainer Groß schon von Berufswegen nicht fremd: Der 61-jährige Pensionär hat 45 Jahre als Polizeibeamter gearbeitet und unter anderem die Wache in Voerde geleitet, wo er auch Kontakt zur dortigen Schiedsfrau hatte. Zwar ist der gebürtige Xantener bereits seit vielen Jahren in mehreren Vereinen und Organisationen tätig, suchte aber im Ruhestand eine weitere Aufgabe „die Sinn macht und mich als Person fordert.“ Als ehemaliger Polizist und neuer Schiedsmann freut er sich zudem darüber, nun auch seine ehemaligen Kollegen und die Gerichte entlasten zu können. Er beschreibt sich als Menschen, der gerne Kompromisse erreiche und dabei versuche zu gewährleisten, dass keine Partei ihr Gesicht verliere.

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Eine kompetente Kollegin hat er in der stellvertretenden Schiedsfrau Ulrike Kimms. Die gebürtige Kielerin lebt seit 16 Jahren in Xanten und als Volljuristin mit zwei Staatsexamen kennt auch sie sich mit Streitfällen aus – wenn auch die Rahmenbedingungen jetzt andere sind. Die 54-Jährige ist zwar bereits ehrenamtlich in der Kirche aktiv, sah im Schiedsamt aber eine spannende Möglichkeit, die Nachbarschaft zu unterstützen und so zu einem besseren Miteinander beitragen zu können. „Ich glaube, die Nachbarschaft ist eine ganz wichtige Sache für unser Wohlbefinden“, erklärt sie.

Gemeinsam eine Lösung finden

Wie Bürgermeister Thomas Görtz erläutert, sei der Weg über die Schiedsleute teils gesetzlich vorgeschrieben, ehe es vor Gericht gehen könne – vor allem betrifft das typische Nachbarschafts-Streitigkeiten. Neben solchen kommen Schiedsleute auch bei anderen privaten Klagegeschichten zum Einsatz, zum Beispiel bei Beleidigungen oder wenn eine Leihgabe nicht ihren Weg zurück zum Besitzer finde, erzählt Reiner Pulheim. Er war zehn Jahre lang Schiedsmann, davon fünf Jahre gemeinsam mit seinem Stellvertreter Michael Kemkes.

Anders als Schöffen geht es für Schiedsleute nicht darum, zu urteilen, sondern zu schlichten und beide Parteien zu einem für sie akzeptablen und kostengünstigen Abschluss der Streitigkeiten zu geleiten. Damit gehören sie fest zur Judikative, die Entlastung der Gerichte ist ein erklärtes Nebenziel.

„Wie versuchen, die Kommunikation herzustellen und gegenseitiges Verständnis zu erwecken“, erläutert Michael Kemkes. Das sei aber längst nicht immer leicht, verrät Pulheim aus Erfahrung. „Oft heißt es: ‚Mit dem kann man gar nicht reden‘“. Hinzu komme laut Kemkes die Schwierigkeit, beiden Seiten zu vermitteln, dass man für beide Parteien tätig sei. Oft löse sich das Problem aber von allein, wenn es gelinge, dass die „Angeklagten“ die Perspektive der „Kläger“ einnehmen können. „Es ist optimal, wenn beide Seiten die Lösung selbst erarbeiten. Sie sind ja gewissermaßen die Profis in ihrem Fall“, sagt Kemkes. Als Schlichter erfahre man oft nicht alle Details.

Auch Ordnungsamtsleiter Noah Decker weiß, dass viel bereits unterschwellig schwele: „Oft geht es um den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Das führt zu einem weiteren Merkmal der Schiedspersonen: Sie nehmen jeden Fall ernst, auch wenn es für Außenstehende oft nach Kleinigkeiten aussieht. „Für die Betroffenen ist es ein großes Problem“, sagt Bürgermeister Thomas Görtz.

Seminare vermitteln das Rüstzeug

In Seminaren bekommen Groß und Kimms bald weitere Techniken an die Hand, um für ihre Fälle gewappnet zu sein und Fallstricke zu vermeiden, wenn es zum Beispiel um den Umgang mit den Parteien und die eigene Allparteilichkeit geht.

Wenn alles glattläuft, lässt sich ein Streit bereits in einem protokolllosen „Tür- und Angelfall“ zum Beispiel auf der Grundstücksgrenze klären. Eskaliert der Streit aber weiter, kann ein Antrag auf eine „Schlichtungsverhandlung“ gestellt werden. Für die Xantener Schiedsleute steht für die weiteren Gespräche dann das Trauerzimmer im Rathaus zur Verfügung. Löst sich der Fall auch dann nicht in Wohlgefallen auf, kommt es zur „Erfolglosigkeitsbescheinigung“. Anders als der Name vermuten lässt, kann der Konflikt als solcher dabei aber – trotz fehlgeschlagener Überzeugung beider Parteien – dennoch beigelegt sein, nämlich wenn zumindest das Verständnis für das Problem vermittelt wurde.

In seinen fünf Jahren als Schiedsmann kann sich Kemkes nur an zwei Fälle erinnern, in denen am Ende eine Klage angedacht worden sei. Dazu gekommen sei es seines Wissens jedoch nicht. Pro Jahr schätzen Pulheim und Kemkes die Fallzahl in Xanten auf rund 15 Tür- und Angelfälle und zehn bis zwölf Fälle, die im Trauerzimmer verhandelt werden.

Lag der Prozentsatz der „Erfolglosigkeitsbescheinigung“ in den früheren Jahren bei rund 30, berichten die beiden ehemaligen Schiedsmänner von 70 Prozent im Jahr 2022. Bürgermeister Thomas Görtz und Ordnungsamtsleiter Noah Decker führen das auf die vielen Krisen zurück, die die Menschen belasten würden.

Rainer Groß und Ulrike Kimms wollen ihre Fälle in Zukunft so gut es geht gemeinsam bearbeiten. Groß erreicht man im Bedarfsfall unter Telefon 0173/2686878 oder per Mail an dlrgxa@yahoo.de; Kimms hingegen kann man per Mail an U.Kimms.Xanten@gmail.com kontaktieren.

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