KREIS WESEL. Das gesellschaftliche Leben kämpft sich immer weiter zurück in Richtung Normalität. Das hat aber auch seine Schattenseiten, wie die Polizei im Kreis Wesel nun mitteilt: Mit der Rückkehr der Freiheit ist auch die Kriminalität im Kreis um mehr als 13 Prozent gestiegen. Gleichwohl liegt die Aufklärungsquote weiterhin konstant über 50 Prozent. Ein neues Behördenziel setzt die Polizei dieses Jahr in Form der „Aktion sicher leben“: Damit trägt man der gestiegenen Straßenkriminalität Rechnung.
Die Straftaten sind insgesamt von 23.650 (2021) auf 26.823 (2022) gestiegen, bei einer Aufklärung von 51,2 Prozent (2021: 52 Prozent). „Damit liegen wir im Landestrend“, sagt Landrat Ingo Brohl. Auch wenn die Fallzahlen wieder angestiegen seien, betont er, dass die Zahlen im Zehn-Jahres-Vergleich weiter rückgängig seien. Auch mit der Häufigkeitszahl, die einen überregionalen Vergleich ermöglicht, kommt der Kreis Wesel gut weg: Zwar ist sie von 5.140 (2021) auf 5.826 (2022) gestiegen, der Landesschnitt liegt jedoch mit 7.624 noch einmal deutlich höher.

Krisen machen sich bemerkbar

Den Großteil der Straftaten machen mit 40 Prozent die Diebstähle aus. Einfache Diebstähle sind von 4.530 auf 5.106 Fälle gestiegen, die schweren Fällen (mit Einbruch) von 4.628 auf 5.731. „Dieser Bereich ist eine unserer Hauptherausforderungen“, sagt Polizeidirektor Rüdiger Kunst. „Die Dauerkrisen haben etwas mit den Menschen gemacht.“ Das könne man in verschiedenen Bereichen feststellen, aber vor allem die finanzielle Not scheine gewachsen zu sein, was auch den Anstieg der Delikte ums Vermögen erkläre. Die Aufklärungsquote sei aber gut.
Gerade wenn es um Wohnungseinbrüche geht, empfiehlt Kunst allen Bürgern, vorsorglich die Dienststelle Kriminalprävention- und Opferschutz zu Rate zu ziehen – zum Beispiel, wenn Renovierungen anstehen. „Wie man ein Haus oder eine Wohnung sichert, das vermitteln wir kostenfrei.“ Die gute Nachricht dabei: Die Aufklärungsquote diesbezüglich hat ihren höchsten Stand seit 2015 erreicht.
Auch von konkreten Ermittlungserfolgen kann die Polizei berichten: Einer gelang im Zusammenhang mit einer landesweit agierenden Tätergruppe, der die Polizei allein in NRW 80 Wohnungseinbrüche zuordnen konnte. Einen anderen Erfolg verbuchte man im Rahmen eines plötzlichen Anstiegs von Kellereinbrüchen im Bereich Wesel, Dinslaken und Moers, die Ende 2021 ihren Anfang nahmen. Eine Ermittlungsgruppe, zu der auch Kriminalhauptkommissarin Christina Schubert gehörte, konnte rund 100 Taten aufklären.

Prävention zahlt sich aus

Die Betrugsfälle sind geringfügig gestiegen, von 2.527 auf 2.561 Fälle. Einen deutlichen Rückgang um 43 Prozent (vollendete Fälle) beziehungsweise 32 Prozent (versuchte Fälle) kann die Polizei aber bei den Betrugsdelikten zum Nachteil älterer Menschen vermelden. „Hier zahlt sich die Präventionsarbeit stark aus“, erläutert Ingo Brohl. Von 613 Fällen wurden 2022 nur 36 vollendet. Ein Jahr zuvor waren es noch 64 Vollendungen bei 906 Fällen. Trotz dieses Erfolgs sagt Rüdiger Kunst: „Die Zahlen der Versuche schätze ich deutlich höher.“
Rauschgiftdelikte sind auf 1.129 (2021: 1.222) gesunken, wobei die Aufklärungsquote auf 94,24 Prozent (2021: 92,80 Prozent) gestiegen ist. „Die Rauschgiftkriminalität wird auch im Verlauf unseres neuen Behördenziels ein Thema sein“, erläutert Stefanie Teipel, Leiterin der Kriminalinspektion I.

Neuer Schwerpunkt im Rahmen der Straßenkriminalität

Dieses neue Behördenziel setzt die Polizeibehörde allgemein im Rahmen der um zwölf Prozent gestiegenen Straßenkriminalität an und zwar in Gestalt der „Aktion sicher leben – Bekämpfung der bürgerbelastenden Kriminalität“. In die allgemeinen Zahlen (2022: 6.941 Fälle; 2021: 6.157) der Straßenkriminalität fließen ganz unterschiedliche Delikte ein, wie etwa Diebstähle und Sachbeschädigungen.
Besondere Kopfschmerzen bereitet den Polizeibeamten aber vor allem die Gewaltkriminalität, trotz eines leichten Rückgangs im Zehn-Jahres-Vergleich. „Kinder und Jugendliche sind aus meiner Sicht zu oft die Täter“, kommentiert Polizeidirektor Kunst den Anstieg junger Straftäter in diesem Bereich. Gab es 2021 noch 133 tatverdächtige Jugendliche und 43 Kinder, sind diese Zahlen 2022 auf 181 und 64 gestiegen. Dabei hebt Kunst besonders die Härte der Taten hervor, die es früher in diesem Maße nicht gegeben habe. Mit Blick auf jugendliche Gewalttäter agieren das Kreis-Jugendamt und die Kreis-Polizeibehörde bereits seit 2022 gemeinsam im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung.
Mit dem neuen Behördenziel gehe es laut Ingo Brohl unter anderem darum deutlichzumachen, was man als Gesellschaft akzeptieren wolle. „Wir müssen ein deutliches Zeichen setzen, um Gewalt und Kriminalität frühzeitig klare Grenzen zu setzen.“ Auch die Polizeibeamten stünden immer häufiger vor schwierigen Situationen, „wenn sie nicht erkennen könne, womit sie es gerade zu tun haben. Oder wenn sie regelmäßig davon ausgehen müssen, dass ein Messer oder dergleichen mit im Spiel ist.“ Es brauche ein Problembewusstsein dafür, dass Jugendliche Waffen mit sich führen.
898 Straftaten gab es im Rahmen der Gewaltkriminalität im vergangenen Jahr im Kreis Wesel, ein Jahr davor waren es 768. Die Aufklärungsquote ist um ein Prozent auf 80,1 gesunken. Auch im Sinne der Gewalt gegenüber Polizeibeamten und gleichgestellten Kräften, die um 18 Prozent im Kreis angestiegen ist (um 50 Prozent im zehn Jahres-Zeitraum), möchte Brohl eine Null-Toleranz-Politik vorleben und Aktionen umsetzen. Die Angriffe auf Beamte stiegen von 121 auf 143 Fälle.

Sexuelle Selbstbestimmung

Ein Rückgang ist weiterhin bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu verzeichnen: von 766 Fällen (2021) auf 613 (2022). Die Aufklärungsquote sank leicht von 91 auf 90,5 Prozent. Erfolge sind auch bei der Verbreitung, dem Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornographischer Schriften zu vermelden. Gab es 2021 343 Straftaten, waren es ein Jahr später 195. Was häusliche Gewalt angeht, sind die Fälle mit Strafanzeigen von 503 auf 539 gestiegen, die Fälle mit Wohnungsverweisung beziehungsweise Rückkehrverbot von 326 auf 303 gesunken.
Die Kommunen im Überblick
Die Zahlen für einige Kommunen des Kreises Wesel im Überblick:
Alpen: 407 Straftaten (2021: 399), Aufklärungsquote 52,09 Prozent (43,86).
Rheinberg: 1.402 Straftaten (2021: 1.213), Aufklärungsquote 52,07 Prozent (55,07). Xanten: 736 Straftaten (2021: 754), Aufklärungsquote 52,72 Prozent (55,97).
Sonsbeck: 308 Straftaten (2021: 354), Aufklärungsquote 45,78 Prozent (57,91).
Wesel: 5.109 Straftaten (2021: 4.868), Aufklärungsquote 52,73 Prozent (51,01).
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