Wenn Zahlen sprechen

KREIS KLEVE. Die jährliche Veröffentlichung der Kriminalstatistik seitens der Kreispolizeibehörde Kleve ist, wenn man so will, eine Art Check-Up für den Kriminalkreislauf. Es geht um ein Allgemeinbefinden in Sachen Straftaten. Erstmals im „Ärzteteam“: der neue Landrat Christoph Gerwers.

Ein Rückblick

Der leitet denn auch wie folgt ein: „Im Rückblick auf das Jahr 2022 denken wir zunächst an die zahlreichen Krisen, die uns das vergangene Jahr beschert hat: Die durch den Angriffskrieg auf die Ukraine entstandene Energiekrise, der allgegenwärtige Klimawandel und die hohe Inflation. Es war ein schwieriges Jahr, doch trotz allem wird eines deutlich: Wir leben in unserer Region sicher und mehr als jede zweite Straftat wird aufgeklärt.“

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Ein “Plus” bei den Straftaten

Dann das Zahlenwerk: 20.330 [erfasste] Straftaten hat es gegeben – ein Plus von elf Prozent gegenüber 2021. Laut Gerwers hat es vor allem bei den Körperverletzugsdelikten einen Anstieg um 28 Prozent und bei den Raubdelikten einen Anstieg um 38 Prozent gegeben. Über Gründe lässt sich oft nur spekulieren. Gerwers: „Ein möglicher Grund könnte der Wegfall der Coronabeschränkungen in Verbindung mit der Wiederaufnahme des sozialen Lebens sein.“

Aufklärungsquote 55 Prozent

Wichtig sei ihm, so Gerwers, allerdings die Erwähnung der Tatsache, dass „wir im Kreis Kleve mit einer Aufklärungsquote von rund 55 Prozent über dem Landesdurchschnitt von 52 Prozent liegen.“ Man lässt das so stehen – wohl wissend, dass auch bei der Aufklärung von Straftaten der Zufall mitunter eine Rolle spielt. Ja – die Quote liegt um drei Prozent höher als im Landesdurchschnitt, aber vielleicht könnte sie auch ein Prozent darunter liegen.

Koordiniertes Vorgehen gegen Automatensprenger

Immer wieder (und leider immer noch) sei das Sprengen von Geldautomaten ein Thema. Von den insgesamt sieben Fällen im Kreis Kleve fanden allein vier im Monat Dezember statt. Schöne Geschenke sehen anders aus. Bei den Sprengungen entstehen hohe Sachschäden, aber es ist vor allem auch die Rücksichtslosigkeit der Täter, die in Kauf nehmen, dass Anwohner gefährdet werden, die einen sprachlos zurücklässt. Gerwers: „Da es in Nordrhein-Westfalen zu insgesamt 182 Sprengungen kam, wird das polizeiliche Vorgehen überregional abgestimmt und koordiniert. Ebenso verhält es sich mit den Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich.“

Weniger Wohnungseinbrüche

Immer auch ein Thema: Wohnungseinbrüche. Gerwers: „Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging von 370 Fällen (2021) auf 307 im Jahr 2021 zurück.“ Das entspricht einem Minus von 17 Prozent. Bei den Tageswohnungseinbrüchen beträgt der Rückgang 20 Prozent.
Arbeitet man sich durch das Handout in Sachen Kriminalitätsstatistik, geht es – natürlich! – um Zahlen. Immer wieder werden Vergleiche angestellt: Hier der Kreis – dort das Land. Ein Schlüsselelement: die „Häufigkeitszahl“ (HZ). Sie wird ermittelt, indem die Zahl der Straftaten mit 100.000 multipliziert und anschließend durch die Zahl der Einwohner dividiert wird. Am Ende: weitere Zahlen. Im Jahr 2021 lag die HZ landesweit bei 7.624 im Kreis bei 6.460. Zahlen, denkt man, sind objektiv, aber sie taugen am Ende bestenfalls für Vergleiche. Kriminalitätsstatistik ist kein Wettbewerb. Vielleicht suchen sich Menschen ihren Wohnort nach Inaugenscheinnahme der Statistik aus? Wer will das sagen?

Eine traurige Entwicklung

Eine Entwicklung, die aufhorchen lässt, ist die des Anstiegs beim Thema „Widerstand/tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen“. Im Jahr 2013 standen 59 Fälle zu Buche, 2019 waren es 104 und im Jahr 2022 100 Fälle. Die Kurve – auch das sei gesagt – steigt nicht kontinuierlich. 2021 wurden 94 Fälle, 2020 „nur“ 84 Fälle gezählt, aber über neun Jahre steigt die Kurve. Statistiker werden Zahlen in Vor-Corona-, Corona-, und Nach-Corona-Zeiten aufteilen.
Man kann sich die Statistik auch unter dem Gesichtspunkt der „Verteilung der Kriminalität“ anschauen. Der größte Teil der Straftaten spielt sich (37 Prozent) bei den Diebstählen ab.
Die „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, begangen durch überregionale Täter“ („Enkeltrick“, „falsche Polizeibeamte) verursachten eine Schadenssumme von 857.000 Euro – dabei ist die Anzahl der angezeigten Delikte von 291 (2021) auf 261 (2022) zurückgegangen, während gleichzeitig die Schadenshöhe um 170! Prozent anstieg.

Zu jeder Tat gehört ein Opfer

Und wieder gilt: Zu jeder Tat gehört ein Opfer – eines, dessen Grundvertrauen angeschlagen wenn nicht gar zerstört worden ist. Abseits jeder Statistik existieren Trümmerfelder und wer je erlebt hat, wie traumatisierte Opfer vor Gericht erscheinen, weiß um die Gesichtslosigkeit von Zahlen. Häufig ist es auch mit Worten nicht viel besser. Was an Drama in Begriffen wie „Häusliche Gewalt“ oder „Sexueller Missbrauch von Kindern“ steckt, entzieht sich nicht selten dem, was man sich vorstellen kann oder will.
Lässt sich Statistik in Worte fassen? Vielleicht. Am Ende beschreitet man Umwege und man denkt an den Richter aus einem Märchen, der einem Koch, der sich darüber beschwerte, ein Mann habe den Duft seines Essens gestohlen und Schadenersatz forderte, Recht gab und den Duftdieb verurteilte, mit dem Klang seiner Münzen zu zahlen.

Die Statistik im Einzelnen

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