KREIS KLEVE. Eine abgeschlossene Familienplanung war auch im vergangenen Jahr der am häufigsten angegebene Grund, weshalb Frauen über einen Schwangerschaftsabbruch nachgedacht haben. Grundsätzlich kann man das in Deutschland bis zur neunten (medikamentös) beziehungsweise zwölften (operativ) Schwangerschaftswoche. Allerdings muss sich die Frau drei Tage vor dem Termin in der Arztpraxis in einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen. Dort werden ihr alternative Wege und Hilfen aufgezeigt, die sie in Anspruch nehmen kann, sollte sie sich für das Austragen des Kindes entscheiden.

Im Kreis Kleve ist die Beratungsstelle für Schwangerschaft, Partnerschaftsfragen und Familienplanung der Awo eine von drei Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Sie ist die einzige, die nicht konfessionell gebunden ist. Laut Jahresbericht für 2022 ließen sich im Kreisgebiet 275 Frauen vom Awo-Team beraten, weil sie einen Abbruch in Erwägung zogen. Am stärksten betroffen: Frauen im Alter von 22 bis 34 Jahren, die entweder nicht mehr oder noch nicht schwanger sein wollten. Die Zahl der ungewollt schwangeren Minderjährigen lag bei neun, davon war kein Mädchen unter 14 Jahren. „In den letzten Jahren spielen auch finanzielle Aspekte eine immer größere Rolle“, weiß Nicole Saat, die die Beratungsstelle leitet. Die Frage, ob man in die heutige Zeit (Krieg, Pandemien, Inflation) überhaupt noch Kinder setzen sollte, wurde ebenfalls häufig angesprochen.

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Beratung ergebnisoffen und neutral

Da es eine Pflichtberatung sei, könne man die Frauen grundsätzlich nicht dazu zwingen, sich zu öffnen, doch in den meisten Fällen entwickle sich ein konstruktives Gespräch. „Wir sind dazu verpflichtet, neutral und ergebnisoffen zu beraten“, betont Saat. Dafür gebe es einen festen „Fahrplan“ mit klaren Vorgaben. Wie sich die Frauen am Ende entscheiden, erfährt das Beraterteam nicht. Nach dem Gespräch erhalten die Frauen den gesetzlich geforderten Beratungsschein und eine Liste mit Ärzten, die einen Abbruch durchführen. Frauen aus dem Kreis Kleve müssen dazu schon seit langem das Kreisgebiet verlassen. „Hier gibt es keinen Arzt, der diesen medizinischen Eingriff durchführt“, bedauert Saat.

Paragraph 219a

Erfreulich sei aus Sicht der Awo, dass der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches im Juni 2022 abgeschafft wurde. Dieser untersagte Ärzten, etwa auf ihrer Homepage darüber zu informieren, wenn sie Abbrüche durchführen. „Für uns steht das Entscheidungsrecht der Frau an erster Stelle und die Ärzte, die es anbieten, akzeptieren das und stehen dahinter“, sagt Saat. Sie vermutet, das gesellschaftlicher Druck oder die eigene Überzeugung viele Ärzte davon abhält, diese Dienstleistung anzubieten und das auch zu kommunizieren. Generell müssen die Frauen selbst für den Eingriff bezahlen, nur in bestimmten Fällen (etwa bei geringem Einkommen) übernehmen die Krankenkassen die Kosten.

872 Beratungsgespräche mit 541 Klienten

Insgesamt hat die Awo-Beratungsstelle in 2022 872 Beratungsgespräche mit 541 Klienten geführt. „Zum Glück überwiegend wieder in Präsenz“, sagt Saat. Trotzdem sei nach wie vor auch eine telefonische Beratung sowie ein Austausch per E-Mail oder Chat möglich. Viel Raum nahmen im vergangenen Jahr Fragen zu Elternzeit und Elterngeld ein. „Die Antragstellung wird immer komplizierter“, erklärt die Pädagogin, dass sich die Unsicherheit quer durch alle Gesellschaftsschichten ziehe. Angelaufen sind auch wieder die sexualpädagogischen Angebote in Schulen und Einrichtungen.
Weitere Infos/Kontaktdaten, findet man im Netz unter awo-kreiskleve.de.

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