Nein, SPD-Politikerin Aydan Özoğuz forderte keine Integrationssteuer

Im Internet wird ein angebliches Zitat von Aydan Özoğuz verbreitet. Sie habe eine Integrationssteuer in Deutschland gefordert, doch das stimmt nicht. Das erfundene Zitat wurde schon vor acht Jahren in die Welt gesetzt.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags ärgert sich. Mitte Januar schrieb Aydan Özoğuz auf Twitter: „Kann mir irgendjemand sagen, wer wieder diesen dämlichen Fake über mich verbreitet?“ Es geht um ihre angebliche Forderung nach einer Integrationssteuer. Sie kursiert schon seit acht Jahren und kocht nun erneut hoch.

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Alleine im Januar 2023 wurde ein Bild mit dem Zitat über 100 Mal auf Facebook veröffentlicht, auch auf Tiktok und Youtube kursiert es. Dazu hieß es, Özoğuz sei Integrationsministerin – das stimmt nicht. Bis 2018 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Aktuell ist sie Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags.

Für das Bild, das momentan geteilt wird, hat offenbar jemand einen Bildschirm abfotografiert. Zu sehen ist ein Ausschnitt aus einer Nachrichtensendung des Senders Phoenix, dazu steht das angebliche Zitat: „Eine Diskussion zwecks Einführung einer Integrationssteuer ist dringend nötig, wenn wir weiterhin Solidarität zeigen wollen.“

Das Faktencheck-Team der DPA fand heraus, dass das Originalbild schon 2015 in einer Facebook-Gruppe veröffentlicht wurde. Dort ist es, in besserer Bildqualität, heute noch zu finden. Eine Bilderrückwärtssuche des Fotos führt zu einem Video-Interview mit Özoğuz bei Phoenix. Dort wurde sie am 8. Januar 2015 zu dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris interviewt, ein Hinweis darauf – die Worte „Anschlag in Paris“ in einer Ecke des Bildschirms – wurde in der Fälschung aber entfernt. Özoğuz fordert in dem Interview keine Integrationssteuer. Auch eine Google-Suche nach dem Zitat liefert keine relevanten Ergebnisse.

Özoğuz dementierte schon 2016 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, sich jemals so geäußert zu haben. Das Zitat sei „absolut falsch“, sagte sie damals, sie habe so eine Steuer nie gefordert.

Bild trägt die Signatur von Uwe Ostertag, der häufiger erfundene Zitate veröffentlichte

Auf dem bearbeiteten Foto ist unten links außerdem eine Signatur erkennbar. Da steht „in satira veritas by uwe ostertag“ – dass die Manipulation Satire ist, verstehen Viele offenbar aber nicht. Uwe Ostertag gilt als professioneller Troll, die FAZ zitierte ihn 2014 mit den Worten: „Provozieren, das ist wie ein Orgasmus.“

CORRECTIV.Faktencheck hat sich schon in mehreren Texten mit ihm beschäftigt. Etwa, nachdem er verbreitet hatte, die Grünen wollten Menschen in ostdeutschen Bundesländern das Wahlrecht entziehen. Oder als ein gefälschter und rassistischer Elternbrief auftauchte. Ostertag wurde 2017 unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt.

Tatsächlich wurden aber schon ähnliche Maßnahmen, wie jene im erfundenen Zitat von deutschen Politikern gefordert: 2010 hat laut ORF Josef Winkler, damals stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag, gefordert, den Solidaritätszuschlag für die ostdeutschen Bundesländer in einen „Integrations- und Bildungssoli“ umzuwandeln. Eine ähnliche Forderung wiederholte im Jahr 2015 laut FAZ der damalige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei.

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