Die hartnäckigsten Narrative der Desinformation im Jahr 2022

Nach zwei Jahren Pandemie beherrschte das Coronavirus 2022 nicht mehr die öffentliche Debatte in Deutschland. Das Faktencheck-Team von CORRECTIV hatte es seit Beginn des Ukraine-Kriegs mit prorussischen Kampagnen zu tun, die Fakes verbreiteten und Verwirrung stifteten.

Auf die eine große Krise folgte die nächste, keine Atempause, kaum ein Verschnaufen – diesen Eindruck hatten viele im Februar, als Russland die Ukraine angriff. Zwei Jahre Corona-Pandemie saßen auch unserem Faktencheck-Team noch im Nacken, als eine Welle der Desinformation über den Krieg in der Ukraine heranrollte.

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Neue Akteurinnen und Akteure tauchten auf – es manipulieren nicht mehr Pseudo-Experten auf Youtube die Debatten, sondern prorussische Influencerinnen auf Telegram. Sie gießen bei Diskussionen über die Energiekrise gezielt Öl ins Feuer und spielen Kriegsverbrechen Russlands herunter. Zudem köchelt noch immer die Wut der Impfgegner, die weiter nach Beweisen suchen, dass die Covid-19-Impfungen zu unzähligen Todesfällen führen würden.

Wir zeigen in unserem Jahresrückblick die hartnäckigsten Narrative der Desinformation.

1. „Plötzlich und unerwartet“

Diese harmlose Formulierung, die eigentlich regelmäßig in Todesanzeigen verwendet wird, ist zur Chiffre für die Impfgegner-Szene geworden. Todesfälle, die plötzlich ohne lange Vorerkrankung eintreten, werden zu „Impftoten“ umgedeutet.

Wir haben in mehreren Faktenchecks erklärt, dass ein plötzlicher Herztod auch bei jungen und scheinbar gesunden Menschen eintreten kann und es keine Hinweise auf einen Anstieg solcher Fälle gibt. Doch das Narrativ lebt weiter. Im Dezember verbreitete die AfD eine Auswertung von Krankenkassendaten. Sie sollte zeigen, dass ungeklärte Todesfälle 2021 drastisch angestiegen seien – doch das stimmt nicht.

2. Kriegsbilder aus der Ukraine seien inszeniert

Seinen traurigen Höhepunkt erreichte dieses Narrativ mit Behauptungen über getötete Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha. Mehrfach wurde im April versucht, die schrecklichen Bilder von Leichen als Inszenierung der Ukraine darzustellen.

Alle von uns überprüften Fälle, in denen Medien Inszenierung vorgeworfen wurde, waren jedoch Fälschungen, oder die Verbreiter der Desinformation stellten (altes) Bildmaterial in einen falschen Kontext.

3. Die Menschen in der Ukraine seien Neonazis, Faschisten, Rechtsextreme

Von russischer Seite wird die Ukraine immer wieder als Staat dargestellt, der von Faschisten oder Neonazis regiert wird. Dafür werden oft Fakes verbreitet, etwa ein gefälschtes Plakat einer Kinderwunschklinik, die angeblich Material von „reinrassigen Ukrainern“ sucht. Oder ein manipuliertes Video über angebliche Nazi-Schmierereien durch ukrainische Fußballfans in Katar, die es nicht wirklich gab.

Unbestritten ist, dass es in der Ukraine – so wie auch in Deutschland – Neonazis gibt. Das Narrativ der angeblich rechtsextremen Nation wird aber gezielt genutzt, um den Krieg zu rechtfertigen.

4. Ukrainische Geflüchtete nutzten die Hilfsbereitschaft in Deutschland aus

Schon früh wurde Stimmung gegen die Menschen gemacht, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind. Da wurde zum Beispiel fälschlich behauptet, sie würden ihre Unterkünfte anzünden oder verwüsten, dürften früher in Rente gehen als Deutsche und würden bei der KFZ-Versicherung bevorzugt. Die unbelegte Behauptung, Ukrainerinnen und Ukrainer würden „Sozialtourismus“ betreiben – also kurz einreisen, Hartz IV beantragen und zurück in die Heimat fahren – wurde sogar in deutschen Talkshows diskutiert.

Durch eine Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA), dem rund 200 Verlage mit einer wöchentlichen Auflage von ca. 49 Mio. Zeitungen angehören, erscheint in den Anzeigenblättern regelmäßig ein Faktencheck des unabhängigen und gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV. Die vielfach ausgezeichnete Redaktion deckt systematische Missstände auf und überprüft irreführende Behauptungen. Wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschnachrichten schützen können, erfahren Sie unter correctiv.org/faktencheck

 

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