VdK sieht Gesellschaft bröckeln

Der Sozialverband macht auf immer mehr Existenzängste aufmerksam und fordert Bürgergeld-Anpassung

NIEDERRHEIN. Erst die Coronavirus-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg und mit ihm eine stark steigende Inflation sowie Energiekrise. Die Herausforderungen der vergangenen drei Jahre haben der Gesellschaft viel abverlangt. „Es ist noch keine Spaltung vorhanden, aber es gibt ein Bröckeln“, sagt Horst Vöge, Vorsitzender des Sozialverbandes VdK Niederrhein. Es sei ein gesellschaftlich-politisches Bröckeln, das ihm Sorgen bereite. Denn immer mehr Menschen seien am Existenzminimum angelangt. „Das betrifft auch immer mehr die untere Mittelschicht“, sagt Vöge. Ein Haushaltseinkommen von 1800 Euro netto würde heute zum Leben nicht mehr ausreichen. Hier müssten Lösungen seitens der Regierung her.

Ein erster Schritt sei bereits die Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar dieses Jahres gewesen. „Wir als VdK begrüßen das. Es erweitert die Eigenwilligkeit und ist kein Strafgeld mehr, sondern ein Aktivierungsgeld“, begründet Vöge. Die Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, seien für Bürgergeld-Empfänger gestiegen. Auch die Anerkennung von Heizkosten unterstütze der VdK sehr. Allerdings seien die Regelbedarfe zu niedrig angesetzt. „Sie sind durch die Inflation und die Energiekrise bereits überholt worden. Hier muss eine Anpassung vorgenommen werden. Die Grundsicherung ist für einen Sozialstaat existenziell“, sagt Vöge.

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Wohngeld-Reform

Darüber hinaus fordert der Sozialverband eine Reform des Wohngeldes. „Viele Bürger geraten aktuell in eine existenzielle Notlage. Das Wohngeld ist daher wichtig“, sagt Vöge. Der VdK am Niederrhein hat im November vergangenen Jahres 29 Kommunen aus den Kreisen Kleve und Wesel sowie Duisburg jeweils fünf Fragen zur Wohngeldbearbeitung gestellt und von 21 Kommunen „teilweise noch sehr vage“ Antworten erhalten. So rechne die kleinste Kommune mit 150, die größte mit 13.000 zusätzlichen Wohngeld-Anträgen in diesem Jahr. Die Kommunen könnte diese mit einer Bearbeitungszeit von 14 Tagen bis hin zu vier Monaten beantworten. „Die meisten Kommunen haben Abschlagszahlungen abgelehnt, obwohl sie möglich wären“, sagt Vöge, „wir können aber nur dazu appellieren die erhöhten Existenzängste der Bürger aufgrund einer erhöhten Inflationsrate ernst zu nehmen.“

Ein weiteres Sorgenkind sei das Thema Pflege. Im Gebiet des VdK am Niederrhein gebe es 99.000 Menschen, die Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten – davon befinden sich 38.280 im Kreis Wesel und 22.128 im Kreis Kleve. „80 bis 85 Prozent der Menschen werden zuhause gepflegt. Das ist eine sehr große Belastung für die Pflegenden“, sagt Erika Heckmann, stellvertretende Kreisverbandsvorsitzende des VdK, „die jetzige Pflegeversicherung ist ungenügend. Sie erfüllt ihre Ziele nicht. Pflege darf nicht arm machen. Sie muss eine menschenwürdige Hilfe und Stütze für den letzten Teil des Lebens sein.“.

Der VdK Kreisverband Niederrhein konnte seine Mitgliederzahlen in 2022 auf 31.500 Mitglieder steigern. Das entspreche ein Wachstum um ein Prozent. Mit 13.841 stellt der Kreis Wesel die meisten Mitglieder. Der Kreis Kleve kommt auf 8718 Mitglieder. Eine traurige Entwicklung sei jedoch, dass immer häufiger Mitglieder den Monatsbeitrag von 5,50 Euro sowie die vergleichsweisen geringen Kosten im Widerspruchsverfahren in Höhe von 106 Euro nicht oder nur schwer bezahlen könnten. Allerdings lohne sich die Rechtsberatung für die Mitglieder: Fast jedes zweite Verfahren (43 Prozent) gewinnt der VdK für seine Mitglieder. In 2022 konnten von 2257 Verfahren zwölf Anträge, 565 Widersprüche und 270 Klagen erfolgreich abgeschlossen werden. Die meisten bezogen sich auf Schwerbehinderungen (1067) und Erwerbsminderungsrenten (684). Insgesamt erstritt der VdK rund 1,8 Millionen Euro, wovon die Mitglieder jedoch nur knapp 516.000 Euro erhalten bleiben. Den größten Anteil erhielten die Agentur für Arbeit mit 561.000 Euro.

Long-Covid

Das Hauptthema bei den vom VdK geführten Verfahren seien nach wie vor die Folgen einer Coronavirus-Infektion und ihre Ankerkennung. Vom Gesetzgeber fühlt sich der VdK dabei jedoch nach wie vor im Stichgelassen. Denn Ärzte und Gutachter hätten immer noch kaum eine Grundlage, Long-Covid diagnostizieren und die Covid-Infektion zweifelsfrei als Auslöser für ihre Beschwerden angeben zu können.

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