Beuys, Barock und Barbara

BEDBURG-HAU. Das Büro: fast ausgeräumt. Eigentlich ist ja schon seit dem 8. November „Feierabend“. Ein Abschied: Es ist der Abschied von Moyland. Museum Schloss Moyland. Dr. Barbara Strieder reist ins Private, obwohl schon jetzt feststeht, dass es nicht ohne die Kunst weitergehen wird.

1.000 Stunden

Eigentlich wäre Strieder noch bis Juni nächsten Jahres im Museum … – aber da sind noch all die Überstunden: über 1.000. Wie geht das? Barbara Strieder erzählt von mehreren Tätigkeiten, die sich überschnitten haben. Kommissarisch hatte sie die künstlerische Leitung des Museums, war Leiterin der Grafischen Sammlung und es Joseph-Beuys-Archivs – ja und ‚so ganz nebenbei‘ gab es das Kuratieren großer Ausstellungen wie der über Beuys und den Schamanismus. All das ist mit einem Achtstundentag nicht zu bewerkstelligen.

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Anfangs in Kranenburg

Seit 1994 ist Strieder „dabei“. Als sie anfing, arbeitete sie noch in Kranenburg. Für die das Museum ging es um einen Start aus dem Nichts – um die Vorbereitung eines Umzugs – um das Erfassen eines unermesslichen Sammlungs-Bestandes. Anfangs (seit Mai 1994) war Strieder die Leiterin der Sammlung, später („Das müsste jetzt circa 14 Jahre her sein) war sie zuständig für die grafische Sammlung. Eigentlich denkt man sich am Ende jedes Satzes ein „unter anderem“.

Kornwestheim

„Die van der Grinten-Brüder habe ich in Kornwestheim kennengelernt“, erinnert sich die Frau, die – nebenbei bemerkt? – über barocke Freskomalerei promovierte und dann „beim Werk des Mannes landete, der mein Leben am meisten beeinflusst hat“: Joseph Beuys.
In Kornwestheim leitete Strieder die städtische Galerie. Korn-Westheim? „Das ist eine kleine Industriestadt“, erzählt Strieder. Korn-Westheim? Man fragt bei Google: „Kornwestheim ist eine Mittelstadt in Baden-Württemberg. Sie ist die drittgrößte Stadt des Landkreises Ludwigsburg […].“ Dann der Satz, der‘s erklärt: „Seit 1956 ist Kornwestheim Große Kreisstadt. Stammsitz von Salamander.“ Ach so, denkt man: Eine Allianz von Kunst und Vermögen – keine Seltenheit.

Zwei Karten

In Kornwestheim also wurden seinerzeit die plastischen Bilder von Joseph Beuys aus der Sammlung van der Grinten ausgestellt. Verbindungen werden klar: Kornwestheim – Beuys – van der Grinten – Kranenburg. Eine geografisch-biografische Wegstrecke ensteht. Innerlich heftet man Stecknadeln auf zwei Landkarten – eine kartiert das Geografische – die andere den Kosmos Kunst. Auf der geografischen Karte könnten noch markiert werden: Würzburg, Heidelberg, Padua (Studienorte) und Darmstadt – eben dort absolvierte Strieder ihr Volontariat und „geriet an Beuys“. Es ging um „Block-Beuys“ – eigentlich wäre das jetzt ein Buch für sich. Es geht um sieben Räume und circa 290 Beuys-Arbeiten – übernommen vom Darmstädter Sammler Karl Ströher aus Beuys‘ erster Mueumsausstellung in Mönchengladbach. „1989 sicherte sich die Hessische Kulturstiftung mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder den Erhalt im Landesmuseum Darmstadt“ (man googelt: „Block Beuys“).

Fresko

Auf der Kunstlandkarte der Strieder ging es also von einem B zum anderen: Barocke Freskomalerei und dann Beuys. Strieders Professor in Sachen Barock, Erich Hubala, quittierte damals den „Richtungswechesel“ mit einer Frage: „Wie kannst du nur?“
Natürlich hat sich im Lauf der Jahrzehnte die Beuys-Wahrnehmung geändert. „Damals war Beuys ein Stück künstlerischer Gegenwart“, sagt Strieder. Und heute? Beuys ist zu einer Person der Zeitgeschichte geworden. er ist auch eine Person der Gedankengeschichte in Sachen Kunst. Beuys kann, darf und muss in seinen Positionen hinterfragt werden – kann und darf nicht einfach Säulenheiliger der Moderne sein. Das sieht auch Barbara Strieder so. Wichtig aus ihrer Sicht: „Das Museum Schloss Moyland ist – gerade was die Beuys-Forschung angeht – ein sehr bedeutender Ort“, sagt sie, aber das Museum habe auch eine Bedeutung jenseits des Beuys‘schen Kosmos. Und wie sich die Perspektive Beuys verändert habe, stehe auch das Museum an einem Umbruchspunkt. Strieder hat alle DirektorInnen miterlebt.

Abschied

Kürzlich hat sie im Kreis der Kollegen ihren Abschied gefeiert. „Das ist mir nicht leicht gefallen, denn viele kenne ich seit Jahrzehnten“, sagt eine, die ja selbst eine Art Urgestein in Sachen Moyland ist. Was bleibt in Erinnerung? „Viele wunderbare Ausstellungen – eine davon: die Zeichnungen von Andy Warhol. Das war eine der ersten, vielleicht sogar die erste Ausstellung, die wir gemacht haben. Da konnte man einen Warhol abseits der überall bekannten Werke erleben.“ Schnell noch mal gegoogelt und den Katalog ausfindig gemacht: „Andy Warhol. Zeichnungen 1942 – 1987. Museum Schloss Moyland, 2. August bis 20. September 1998.“
Wenn Strieders Büro endgültig ausgeräumt ist („Da sammeln sich ja im Lauf der Jahre unglaublich viele Dinge an“) – wenn Strieder den Schlüssel abgibt, ist trotzdem nicht Schluss in Sachen Kunst.

Fischerhude

Die geografisch-künstlerische Landkarte bekommt einen weiteren Punkt: Fischerhude. Wieder googelt man. Einer der ersten Einträge lautet: „Ausflugsziel Fischerhude – das Künstlerdorf – Bremen“. 1896 entdeckte Otto Modersohn den Ort für sich. „Ich bin schon als Kind oft dort gewesen“, sagt Strieder. Jetzt ist sie im Beirat eines Kunstvereins, der sich unter anderem um Künstlernachlässe kümmert. Na bitte – es geht also weiter. Wohnen wird Strieder allerdings weiter in Kleve. Bis nach Moyland ist es also nicht weit.

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