KREIS KLEVE/KREIS WESEL. Das Berufsberatungsjahr 2021/2022 ist zu Ende gegangen. Für die Agentur für Arbeit bedeutet das vor allem eines: Bilanz ziehen. Das Angebot an Ausbildungsstellen ist demnach trotz Krisen stabil und der Bedarf junger Menschen an einer Beratung hoch. Gleichzeitig ist jedoch das Interesse an einer betrieblichen Ausbildung weiter rückläufig. Im Vergleich zu den letzten zwei Jahren konnte die Agentur für Arbeit das Beratungsangebot wieder hochfahren.
Schaut man sich die Zahlen der gemeldeten Bewerber und Ausbildungsstellen im Agenturbezirk Wesel (Kreise Kleve und Wesel) vom 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022 an, ist im Vergleich zum Vorjahr ein genereller Rückgang zu verzeichnen. Gab es 2020/21 noch 4.323 Bewerber für einen Ausbildungsplatz, waren es zuletzt 3.964 (–8,3 Prozent). Im Kreis Wesel selbst gab es zuletzt 2.422 Bewerber (–10 Prozent), im Kreis Kleve 1.542 (–5,6 Prozent).
Bei den gemeldeten Ausbildungsstellen waren es im Vorjahr im gesamten Agenturbezirk 4.488, zuletzt 4.444 (–1 Prozent). Im Kreis Wesel waren es demnach zuletzt 2.799 Ausbildungsstellen (–1,5 Prozent), im Kreis Kleve 1.645 (–0,1 Prozent). Vergleicht man die Vorjahre mit heute, zeigt sich zudem, dass sich die Relation umgekehrt hat: Gab es in früheren Jahren mehr Bewerber als Ausbildungsstellen, so ist das heute genau andersherum. 1,12 Stellen kommen auf einen Bewerber, 2017 waren es noch 0,6 Ausbildungsstellen pro Bewerber.

Frühzeitige Berufsorientierung

„Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist relativ stabil“, fasst Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel, zusammen. „Es sind aber nicht alle Stellen, die zur Verfügung stehen. Es ist nur der Teil, der uns gemeldet wird.“ Jetzt, wo in den nächsten zehn Jahren jeder 4. Beschäftigte das 65. Lebensjahr erreichen werde, gelte es, das Thema Ausbildung voranzubringen. Auch, damit die Auszubildenen vom Know-How der zukünftigen Rentner profitieren können.
„Wir steigen immer früher in die Berufsorientierung ein“, sagt Barbara Ossyra. Wichtig hierfür ist die Zusammenarbeit mit den Schulen: Mittlerweile wird die große Vielfalt der Berufe schon den Jugendlichen in der achten Klasse nähergebracht. Vor allem versucht die Agentur für Arbeit, junge Leute für die duale Ausbildung zu begeistern.
Um einen Beruf kennenzulernen, wirbt die Agentur für Arbeit vor allem für Praktika. „Da holen viele Betriebe ihre Azubis her“, erzählt Markus Brandenbusch, Bereichsleiter der Berufsberatung. Und wenn über einen solchen Weg Azubi und Arbeitgeber zusammenfinden, taucht dieser Fall gar nicht mehr in der Statistik auf.

Angebote zur Förderung

In den Kreisen Wesel und Kleve gab die Agentur für Arbeit 2021/22 insgesamt 3,6 Millionen Euro für Beratungen und Förderungen aus: Dazu zählen unter anderem 6.198 Beratungsgespräche und 864 Berufsorientierungsveranstaltungen in Schulen. Hinzu kamen verschiedene Fördermaßnahmen, wie 111 Einstiegsqualifizierungen (Langzeitpraktika) und 325 berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die die Teilnehmer fit für den Arbeitsmarkt machen.
Es gelte laut Ossyra, zusammen mit den Netzwerkpartnern die Ausbildungsberufe ehrlich zu bewerben, aber dabei eben auch die positiven Seiten bekanntzumachen, wie Perspektiven und Verdienstmöglichkeiten. Eine wichtige Rolle spielen auch die Eltern, die als wichtige Begleiter und Berater der Kinder ebenfalls im Fokus der Arbeitsagentur stehen.
Mittlerweile haben auch die vielseitigen, teils kreativen und niedrigschwelligen Aktivitäten der Berufsberatung wieder Fahrt aufgenommen. „Es war wieder ein besonderen Jahr“, sagt Markus Brandenbusch angesichts der Rückkehr in ein „neues Normalgeschäft“, weg von Corona. So feierten zum Beispiel die Ausbildungsbörsen ihr Comeback. Ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel war zudem wieder die „Woche der Menschen mit Behinderung“. Auch die Teilzeitausbildung stellte man als besondere Ausbildungsform im Rahmen der „Woche der Ausbildung“ vor. Diese Art der Ausbildung macht mittlerweile einen Anteil von 0,5 Prozent aus.
Der „Girls Day“ wiederum ist ein Beispiel dafür, wie man den Horizont bei der Berufswahlentscheidung – in diesem Falle bei jungen Frauen – erweitern möchte. Zwar ist die Agentur für Arbeit froh, wieder die wichtigen Präsenzveranstaltungen durchführen zu können, einige digitale Formate, die durch Corona forciert wurden, möchte man aber nach wie vor beibehalten. Zum Beispiel die Video-Seminare zu Studienfächern. „Es hat sich gezeigt, dass sie von mehr Jugendlichen angenommen wurde, weil man sich nicht auf den Weg nach Wesel machen musste“, sagt Brandenbusch.
Um die Beratungsqualität zu erhöhen, soll einer der Schwerpunkte für 2022/23 auf dem Feedback der jungen Menschen liegen. „Die individuelle Situation spielt eine große Rolle“, sagt Gabriel Brandenberg, Trainee und Teamleiter der Berufsberatung vor dem Erwerbsleben in Kleve. Auch eine zielgruppenspezifische Ansprache spielt weiterhin eine zentrale Rolle. Dazu gehören unter anderem weitere Online-Veranstaltungen und niedrigschwellige, eventorientierte Präsenzformate wie ein Red Solo Cup.

Noch freie Stellen

Zum Ende des Berufsberatungsjahres am 30. September suchten noch 293 Jugendliche eine Ausbildungsstelle, das waren 23 weniger als ein Jahr zuvor. Im Gegenzug waren bei der Agentur für Arbeit Wesel noch 335 unbesetzte Stellen gemeldet, 112 weniger als im Vorjahr. Nach gut einem Monat der Nachvermittlung sind bei den Arbeitsagenturen aktuell noch 58 Jugendliche auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle, 44 im Kreis Wesel und 14 im Kreis Kleve.
„Es gibt noch Chancen, in diesem Jahr eine Ausbildung anzutreten. Unsere Berufsberater sind in engem Kontakt zu den Jugendlichen, die aktuell noch eine Perspektive suchen. Neben den noch offenen Ausbildungsstellen kann dies auch eine Einstiegsqualifizierung, also ein mehrmonatiges Praktikum sein, das idealerweise anschließend in eine Ausbildung mündet. Hier finden wir gemein-samen mit den jungen Menschen den passenden Weg.“
Informationen zu freien Ausbildungsstellen für die Jahre 2022 und 2023 gibt es unter www.arbeitsagentur.de/jobsuche/.
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