40 Jahre Haldern Pop. Die wunderbare Alltäglichkeit

Vielleicht ist die Küche der wichtigste Ort im Haus – sie ist der Ort des Täglichen. So zumindest war es, als ein Festival zur Welt – eigentlich ja: zur Wiese – kam, das längst erwachsen geworden ist. Zurück in die soziale Architektur der 80-er: Wohnzimmer waren Sonntagsorte.

Alltagsumgehungen

Festivals sind auch jetzt noch eine Art Sonntagsort: Alltagsumgehungen. Unterhaltungsmaschinerien. Festivals sind das Besondere. Vielleicht. Besonders allerdings wird man nicht durch Seltenheit – es gehört etwas anderes dazu. Stefan Reichmann sagt: „Es muss Licht brennen in der Küche.“ Haldern Pop wird also 40. Soll man Grabreden halten? Nein. Das Festival ist längst erwachsen, aber was heißt das schon: erwachsen? Wichtig ist: nicht zu entwachsen. Entwachsen ist Entfernen.

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Annäherung statt Vermarktung

Haldern – man glaubt noch immer daran – ist etwas Besonderes: Annäherung statt Vermarktung. Annäherung auf dörflicher Ebene. Keine Künstlichkeit sondern Treffpunkt. Nichts Außerhalbes. Sie haben die Kirche im Dorf gelassen und das Festival dazu geholt. Irgendwie immer ein bisschen verrückt, aber nie entrückt.

Teppich für die Töne

Wenn man mit Stefan Reichmann über das Festival spricht, geht es manchmal auch um Musik. Meist aber steht anderes auf der Agenda: Alltagsphilosophie. Es geht um Heimat – eine Heimat für das irgendwie Andere. Musik existiert nicht losgelöst von Täglichkeiten – Töne sind ans Leben gekoppelt. Wer ein Festival kuratiert, muss sich mit dem Leben auskennen: Das ist der Teppich, auf dem die Töne laufen lernen.
Haldern Pop wird 40 und wieder einmal gibt es eine dieser schrägen Ideen. Drei Tickets hat man sich ausgedacht. Sie heißen „Gestern“, „Heute“ und „Morgen“ und umschreiben – vielleicht – eine soziale Utopie. Das „Gestern-Ticket“ – gedacht für Schüler, Studenten, Auszubildenden. 132,80 Euro für ein Festival. Das lässt sich – vielleicht auch in inflationären Zeiten – aufbringen.

Sozialfahrschein

Das „Heute-Ticket“ wäre – wie soll man sagen – der Normaltarif: 162,80 Euro. Und dann: das Morgen-Ticket: 192,80 Euro. Das “Morgen-Ticket” ist eine Art Sozialfahrschein. Stefan Reichmann führt den Begriff „Rente rückwärts“ ein. Die Idee: Es werden nicht die Alten von den Jungen finanziert – es läuft umgekehrt. Wer es sich leisten kann, kauft eines dieser Tickets und sorgt dafür, dass ein Gestern-Ticket möglich wird. Schnell wird klar, dass es beim Haldern Pop tatsächlich auch um eine Art sozialer Utopie geht – es geht um eine Art Nachwuchssponsering auf Miteinander-Basis. Irgendwie passt das zum Motto des 40. Haldern Pop: Da sein. Einfacher ist kaum möglich. Es reicht vom profanen ‚da bin ich‘ bis ins Philosophische. Vom da sein ins Dasein: Der Haldern-Transfer.

Farbton im Grau

Natürlich wird es auch Töne geben – Bands werden spielen, aber „Da sein“ ist ein Farbton im Grau des Abfertigungsbetiebes. „Wir wollten immer klein bleiben“, sagt Stefan Reichmann. Es hätte auch anders sein können, aber ein 30.000-Leute-Haldern-Pop wäre nicht das Haldern Pop. Manche, sagt Reichmann, könnten mit der Philosophie vom Kleinen wenig anfangen. Groß sein statt da sein. Kommerz statt Dasein. Die Kleinen hätten es ja leicht, wird gesagt. Reichmann sagt dann: „Sollen sie doch mal versuchen, klein zu sein.“ Haldern, denkt man, ist etwas Gewachsenes. Kein Konstrukt. Haldern Pop hat, spätestens seit Eröffnung der Pop Bar, endgültig den Schritt ins Tägliche vollzogen. Haldern Pop ist jetzt mehr als ein Festival, das nach dem letzten verklungenen Ton zum Phantom wird – zur Erinnerung. Die Pop Bar ist ein Fuß in der Türe der Tage.

Soziale Kompetenz

Und jetzt also „Gestern – Heute – Morgen“: das Arbeiten an der sozialen Kompetenz. An Ideen hat es nie gemangelt. Jetzt geht es darum, das Festival nicht nachwuchslos altern zu lassen. Es wäre doch schade um eine Idee.
Der Vorverkauf ist gestartet. „Kauft Morgen-Tickets“, möchte man sagen, denn das Gestern-Ticket ist nur verfügbar, solange der Vorrat reicht. Merke: Die Verfügbarkeit erhöht sich regelmäßig durch Verkäufe von Morgen-Tickets. Der Generationenvertrag eines Festivals. Geiz ist ungeil. Aber sowas von…

Vorverkauf

 

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