NIEDERRHEIN. Eine Klimaanlage wäre irgendwie doch schön gewesen. Wenn Gasflaschenanschlüsse keiner Norm unterliegen, kann man noch so viele Adapter eingepackt haben: Wenn‘s nicht passt, wird‘s kompliziert. Und wenn Bären herumlungern, ist das Wageninnere dem Dachzelt vorzuziehen… Als Greta und Jan Navel sich vor einigen Monaten von Bedburg-Hau aus auf den Weg gemacht haben, um ihren Traum zu leben, waren sie auf vieles vorbereitet. „Man merkt doch erst mit der Zeit, was man hätte anders machen können“, räumen die beiden Weltenbummler heute, um einige Erfahrungen reicher, ein. Die beiden sind trotzdem glücklich – und bereuen ihren Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt in keiner Sekunde.

Alternatives Arbeitsmodell

Über zehn Jahre waren Greta und Jan in einem in Süddeutschland ansässigen Automobilkonzern in leitenden Positionen tätig. Für das Paar fühlte es sich an wie ein Leben im „goldenen Käfig“, denn wirklich zufrieden waren sie damit nicht. Ihr neues Zuhause ist da, wo sie den Zündschlüssel ihrer zum Wohnmobil umgebauten G-Klasse, Baujahr 1994, abziehen. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich trotzdem. „Wir haben ein junges Start-Up gefunden, das da ganz anders aufgestellt ist“, sind die Navels dankbar für die Möglichkeit, Job und Fernweh unter einen Hut bringen zu können. Ein Büro braucht es dafür nicht. Nur ein Laptop und eine Internetverbindung. Naja, und flexibel sollte man sein. „In Italien mussten wir einmal unseren Stellplatz räumen, als eigentlich ein wichtiger Videocall anstand“, nennt Jan ein Beispiel. Neugierige Gesichter an den Fensterscheiben sind auch keine Seltenheit. „Und manchmal wollen sich die Einheimischen auch einfach mit uns unterhalten und bringen so unseren Arbeitsplan durcheinander“, erklärt Jan, weshalb es eben nicht immer rund laufen kann. Ein Kamerateam des ZDF hat die beiden auf einem Stück ihres Weges begleitet, zunächst in Sizilien. Einige Szenen wurden auch beim Zwischenstopp in Bedburg-Hau gedreht. Dort wurden in der Werkstatt von Gretas Vater noch einige Verbesserungen vorgenommen – Markise und Klapptische am Fahrzeug angebracht, eine bequemere Matratze besorgt und eine Solardusche eingebaut. „In dem Beitrag ging es aber in erster Linie um alternative Arbeitsmodelle für die Zukunft“, erklärt Greta. Tipp: Die WISO-Reportage „New Work“ findet man in der Mediathek.

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Engagement für terre des hommes

Die Navels sind als Botschafter für terre des hommes unterwegs.

Überhaupt: Mediale Aufmerksamkeit gab und gibt es reichlich. „Deshalb haben wir überlegt, wie wir diese Aufmerksamkeit nutzen und auf wirklich wichtige Dinge umlenken können“, sagt Jan. So kam die Zusammenarbeit mit terre des hommes zustande. Das Kinderhilfswerk fördert in 43 Ländern der Erde 368 Projekte für Kinder in Not. Als Botschafter berichten Greta und Jan während ihrer Reise über aktuell laufende Projekte. „Es gibt so viele Menschen, die sich für andere engagieren und so viele Projekte, über die es sich zu berichten lohnt“, sind die beiden nach ersten Stationen in Deutschland und Polen froh, dass sie so einen Beitrag leisten können. Anfang Oktober haben sie ihre Erfahrungen mit den Kölner Rotariern geteilt. Natürlich zeitgemäß per Live-Schalte übers Internet. Mit Aktionen wie diesen wollen sie Spenden generieren. „Da sind wir aber noch ganz am Anfang“, haben die beiden noch einige Punkte auf ihrer To-Do-Liste vor sich. Dass ihr Weltenbummler-Leben nicht mit einer Urlaubsreise zu vergleichen ist, wird den Navels immer wieder bewusst. „Dieser Dreiklang aus Reisen, remote work und sozialem Engagement hält uns gut auf Trab“, sagt Jan. Langeweile hätten sie jedenfalls keine. „Es ist eher eine Herausforderung, alle Bedürfnisse und Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Natürlich insbesondere dann, wenn einer ungeplant ausfällt. Oftmals wird uns ein schöner Urlaub gewünscht – so fühlt es sich für uns nicht an. Uns wird mehr und mehr bewusst, was es bedeutet, Vollzeit auf einer Reise zu sein.“

Herbst in Rumänien

Haushalt: Wäsche wird hier je nach Wetterlage gewaschen.

Immerhin: Die Sache mit dem ungeplanten Ausfall haben die beiden gut überstanden. In Rumänien, mitten in den Karpaten, wurde Greta von einer heftigen Magenverstimmung ausgebremst. „Wir sind für ein paar Tage in eine Pension gezogen, damit ich mich richtig auskurieren konnte“, erzählt Greta. Zum Glück gab die Reiseapotheke einiges her. „Einen Arzt oder gar ein Krankenhaus hat es in der Region nicht gegeben“, ist Jan froh, dass Ruhe und die von der liebenswürdigen Gastgeberin gereichte warme Suppe ausgereicht haben, um seine Frau wieder fit zu bekommen. „Hier in Rumänien sind die Menschen zu Recht sehr stolz auf ihr schönes Land“, fühlen sich die Navels willkommen und wollen noch einige Pässe durchfahren, bevor sie sich auf den Weg in wärmere Gefilde machen. „Ein paar Grad mehr wären schon gut“, haben sie bereits erfahren müssen, wie kalt es im Herbst hinter der Zeltplane wird, wenn nachts der Wind durch die Bäume pfeift. Über Bulgarien und Serbien soll es deshalb bald weiter in Richtung Nordmazedonien und Albanien gehen. Unvergessliche Momente sammeln: Etwa wenn ein ausgebüchster Hund für einen unvergesslichen Abend im Haus eines italienischen Sommeliers führt. Oder wenn man seinen Geburtstag spontan mit wildfremden Esten am Lagerfeuer feiert. Auch der Besuch der Projekte hinterlässt bleibenden Eindrücke: „Besonders berührt hat uns ein neunjähriges Mädchen, das aus dem Donbas nach Polen geflohen war und an einem Summercamp teilnehmen durfte. Sie war so glücklich, dass sie mal nicht an den Krieg denken musste.“

Wer möchte, kann – zumindest virtuell – mit Greta und Jan um die Welt reisen. Einen Überblick verschafft man sich auf dem Blog www.followthenavels.com, mehr zur Spendenkampagne gibt‘s hier und „folgen“ kann man auf Instagram unter followthenavels.

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