KEVELAER/NIEDERRHEIN. Nicht viele deutsche Dialekte bekommen ein eigenes Buch – das niederrheinsiche „Platt“ schon. Und seit mehr als 40 Jahren als Sprachforscher tätig, weiß Dr. Georg Cornelissen, wovon er spricht. So lange beschäftigt sich der gebürtige Winnekendonker auch schon mit dem Platt, kennt seine Merkmale, Varianten und seinen Wortschatz nur zu gut. Mit seinem neuen Buch „Der Niederrhein und sein Platt“, das er im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte vorstellte, ist nicht nur ein Denkmal für diese „Zusatzsprache“ entstanden, sondern auch ein Plädoyer für den vielleicht schönsten Dialekt Deutschlands.
Das Buch richtet sich zwar an Platt sprechende Menschen, aber nicht nur. Es ist auch eine Einladung an jene, die es besser verstehen, ihm näher kommen wollen.
Für Cornelissen sind Dialekte – und das Platt insbesonders – eine „zusätzliche Sprache“ mit einem eigenen Platz und einer Funtkion. „Es gibt keinen Grund, sich seines Dialekts zu schämen. Meiner Meinung nach hat jede Sprache es verdient, dokumentiert und beweihräuchert zu werden.“
Es gebe Fälle, in denen sich Menschen mit Sprache ab- und andere ausgrenzen würden. Anders beim Platt, das eine Brücke in die benachbarten Niederlande bauen könne. Für Cornelissen, so viel lässt sich aus seinen humorvollen Schilderungen während seines Vortrags immer wieder heraushören, ist Platt ein identitätsstiftendes Stück Heimat. Es stehe für Verbundenheit zum Wohnort und der Region. Anders gesagt: „Platt ist Heimat, die sich hören lässt!“
Umso stärker hofft er, dass sich mehr Leute vom Charme der Mundart überzeugen lassen – und dass bestehende Mundart-Freunde nach der Lektüre noch mehr Freude daran haben werden.

Informativ und humorvoll

Sein neuestes Werk ist nicht einfach nur informativ, sondern auch stets von Humor durchzogen. „Es findet sich auch viel von meiner eigenen Geschichte darin“, verrät Cornelissen. Stichwort: Pottekieker. Es gibt 20 „Häppkes“, also abgeschlossene Geschichten, die sich etwa um Redewendungen, Dialektgrenzen oder um das Verhältnis der hiesigen Dialekte zum Niederländischen drehen. So erfahren Leser zum Beispiel mehr über das bekannte „vannet Höckske obbet Stöckske.“ Das allseits beliebte Dialekteraten bekam ein Kapitel spendiert und auch der Sprachwandel und der Dialekt von damals gehören zum Inhalt. Auf jede Geschichte folgt außerdem ein „Minihäppkes“ mit kleinen Wortgeschichten. Die bleiben beim vorangegangenen Thema, sind aber auch für sich zu genießen. Mal dreht es sich um den bereits erwähnten „Pottekieker“ und seine Verwandten, dann wieder um Appels, Appele und Äppel. Acht Karten illustrieren die niederrheinische Dialektlandschaft darüber hinaus.
Bei seinen Ausführungen hat Cornelissen bewusst jene Dinge ausgeklammert, die für viele ein Graus sind: Entgegen seiner persönlichen Meinung zum Beispiel (fast gänzlich) die Grammatik. Aber auch die Rechtschreibung bleibt außen vor. „Das Buch bringt Beispiele, aber nichts darüber, warum man es so schreibt.“ Oft gebe es Diskussionen über die Schreibweise im Dialekt, „aber das ist kontra-produktiv.“ Augenzwinkernd schiebt er nach: „Das ist was für später, wenn alle Dialekt sprechen.“
Dr. Damian van Melis, Leiter des herausgebenden Greven Verlags, lobt die Arbeit des Autors. „Er ist mit viel Herz und Präzision bei der Sache.“ Auf jeder Seite sei erfahrbar, wieso es sich lohnen könne, Platt im Repertoire zu haben. Aber nicht nur das. „Es ist harte Forschung“, ergänzt er. Der analytische Blick auf eine kleine Region helfe, das Große und Ganze zu verstehen und die ganze Gesellschaft in den Blick zu bekommen.
Das 108-seitige Buch kostet zwölf Euro und entstand mit finanzieller Unterstützung des Förderkreises „För Land en Lüj“, der Sparkassen Rhein-Maas, Krefeld, am Niederrhein und Rhein-Lippe und des LVR. Für die Gestaltung wurde Christina Schmid gewonnen, mehrfache Preisträgerin „Schönstes Deutsches Buch“.
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