NIEDERRHEIN. Todesfälle sind stets tragisch, ganz gleich, wen es trifft. Ein besonders trauriger Fall sind jedoch die sogenannten „Sternenkinder“. Dabei handelt es sich um Kinder, die vor oder bald nach der Geburt versterben. Bei ihnen greifen besondere Umstände unter anderem im Rahmen der Bestattung, wie Martin Erretkamps vom Bestattungsinstitut van Koeverden in Kleve weiß.

„Sternenkinder sind Kinder, die nicht bestattungspflichtig sind“, erläutert Erretkamps. Das ist der Fall, wenn sie vor der 24. Schwangerschaftswoche tot zur Welt kommen und nur ein Körpergewicht von unter 500 Gramm erreichen. „Das Kind wird dann nicht beim Standesamt angemeldet. Es wird keine Geburt und kein Tod gemeldet oder eine Sterbeurkunde ausgestellt.“ Eine Gesetzesänderung gab es jedoch 2013: Eltern haben seither zumindest die Möglichkeit, ihr Kind – anders als zuvor – auch unter 500 Gramm Körpergewicht beim Standesamt registrieren zu lassen.

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Sternenkinder
Bei Bedarf können Trauernde auch Hilfe finden.

Besteht keine Bestattungspflicht, haben Eltern – je nach persönlichem Bedürfnis – die Wahl: entweder kümmern sie sich selbst, wie in anderen Todesfällen, um eine Bestattung, oder diese wird von anderer Seite übernommen, zum Beispiel durch das Krankenhaus. Auf diese Weise können Eltern in dieser ohnehin schweren Zeit Abstand gewinnen und weitere Belastungen vermeiden.

Ein Beispiel ist die Stadt Kleve, die eine Möglichkeit zur würdevollen und für die Eltern kostenfreien Bestattung bietet. Einmal im Jahr findet hier eine ökumenische Trauerfeier für die in Kleve zur Welt gebrachten Sternenkinder statt. „Sie werden dann in einem Gemeinschaftsgrab bestattet, im Beisein der Eltern oder auch nicht. Sie dürfen das frei entscheiden.“

Großer Zuspruch

Der Zuspruch der Eltern für diese Herangehensweise sei hoch. Als Bestatter kann auch Erretkamps verstehen, wieso viele diese Wahl treffen: Da das Kind noch keine Persönlichkeit entwickelt habe, falle es vermutlich leichter und man sei froh, sich nicht mehr als nötig damit konfrontieren zu müssen. Dieser Vorgang könne dabei helfen, schneller mit dem Geschehnis abzuschließen.

Erretkamps glaubt zwar, dass die Trauerphase meist kürzer ausfällt als in jenen Fällen, in denen die Hinterbliebenen Dankbarkeit wegen der gemeinsamen Zeit empfinden können. Aber: „Man merkt, dass die Angehörigen sehr intensiv trauern.“ Nicht nur ist die Freude über die anstehende Geburt groß, mit dem Sternenkind verlieren die Eltern auch einen Menschen, dessen Persönlichkeit sie noch nicht entdecken und zu dem sie noch keine Beziehung aufbauen konnten. Gleichzeitig wird die Hoffnung auf eine Familie vorerst zerstört – vor allem wenn es um das erste Kind geht. Wenn der Arzt aber keine Einwände habe, betont Erretkamps trotz möglicher Ängste: „Man sollte sich nicht davon unterkriegen lassen, sondern auch neue Hoffnung entwickeln.“ Ein gewisses Risiko bestehe immer.

Mit Betroffenen sprechen

Unter Umständen kann es schwierig sein, allein aus dieser Trauer herauszufinden. Helfen können aber zum Beispiel die Seelsorger im Krankenhaus oder Selbsthilfegruppen. „Man kann sich helfen, indem man mit anderen darüber spricht, die die gleiche Situation erlebt haben.“ So sehe man, dass man nicht allein sei, außerdem könne es eine wichtige Erfahrung sein, gemeinsam mit anderen Betroffenen aus der Situation auszubrechen. Notwendig ist das aber nicht: Am Ende sei es individuell, wie man mit der Situation umgehe. „Das hängt damit zusammen, welcher Typ Mensch man ist.“

Manchmal gibt es auch bereits Kinder in der Familie: Offen zu sprechen und sich selbst und anderen nichts vorzumachen ist auch dann wichtig. Eine Möglichkeit, das Thema Tod mit Kindern aufzugreifen, sind Bilderbücher. Die gibt es nicht nur bezogen auf den Tod von Erwachsenen, sondern auch von Babys. So können Eltern ihren Kindern das Thema auf kindgerechte, aber realistische Weise nahebringen. In Deutschland sei dieser Ansatz aber wenig verbreitet, anders als in den Niederlanden. „Ich glaube, die meisten erklären es lieber auf eine andere Art“, sagt Erretkamps. Ob mit christlichen oder weltlich-wissenschaftlichen Erklärungen, auch hier sei jeder anders. Wenn es im Rahmen einer Bestattung möglich ist, empfiehlt er zudem die Einbeziehung der Geschwister – etwa durch Grabbeigaben. Das könne zum Beispiel ein eigentlich für die Geburt gedachtes Geschenk sein.

Oft stehen wohl auch Angehörige und Freunde vor der Frage, wie sie mit den trauernden Eltern umgehen sollen. Erretkamps hält sie für eine Schwierige. Er empfiehlt zwar, Mitgefühl zu zeigen, „ich würde aber niemanden offensiv darauf ansprechen.“ Eine Ausnahme sei, wenn Betroffene selbst mit dem Thema offen umgingen. „Den Umgang damit müssen die Eltern erst einmal unter sich ausmachen. Auch das ist von Person zu Person individuell.“

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