Der große Gatsby im Museum Kurhaus Kleve

KLEVE. Robert Nippoldt würde das Ticket lösen – unter einer Bedingung: Es sollte ein Rückfahrticket sein – round trip also. Das Ziel: 1925. Das Jahr von Alban Bergs Wozzeck, das Jahr, in dem (posthum) Kafkas Prozess erscheint, Chaplins Goldrausch kommt in die Kinos und F. Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“ erscheint:
„Gatsby glaubte an das grüne Licht, an die wundervolle Zukunft, die Jahr für Jahr vor uns zurückweicht. Damals entwischte sie uns, aber was machte das schon? Morgen laufen wir schneller, strecken die Arme weiter aus und einen schönen Tages, so kämpfen wir weiter, wie Boote gegen den Strom. Und unablässig treibt es uns zurück in die Vergangenheit.“
Robert Nippoldt ist kein Filmregisseur, aber für die von ihm illustrierte Ausgabe des großen Gatsby beim Verlag Coppenrath hat er etwas bekommen, was nur den großen Regisseuren in Hollywood gewährt wird: Es ist der „Final Cut“. Nippoldt hat für Coppenrath eine Neuausgabe des berühmten Klassikers opulent und stilgetreu illustriert. Sie haben für Nippoldt möglich gemacht, was irgendwie möglich ist. Das Ergebnis: „Aufklappseiten und aufwändige Extras im Stil des Art Deco lassen die Goldenen Zwanziger in New York lebendig werden.“ So steht es in einem Text, den Sigrun Hintzen verschickt hat. Sie und Nippoldt kennen sich. Als Hintzen erfuhr, dass Nippoldt zum Erscheinen des Buches ein besonderes Projekt plant, war klar: „Das müssen wir nach Kleve holen.“ Und bitte:
Am Donnerstag, 1. September, um 20 Uhr wird Nippoldt im Museum Kurhaus zu Gast sein. Aber der Illustrator kommt nicht allein. Mit dabei sind der Schauspieler Aru Nadkarni, die Sängerin Lotta Stein und der Jazzpianist Philip Ritter. Also bitte: Da steht sie startbereit – die Zeitmaschine für den Trip ins New York der 20-er Jahre.

Robert Nippoldt, Philip Ritter und Lotta Stein laden zur Zeitreise ein.

Was erwartet die Zuschauer? Sigrun Hintzen: „Es geht zum einen um Musik – dafür sind Lotta Stein und Philip Ritter zuständig, aber es geht auch um Fitzgeralds Text, der – natürlich nur auszugsweise – von Ari Nadkarni gesprochen wird. Der Clou an der Veranstaltung aber ist, dass Robert Nippoldt live zeichnen wird. Was Robert zeichnet wird dann mittels Kamera und Beamer auf eine Leinwand projeziert.“
Sigrun Hintzen freut sich, „dass wir in Kleve die Premiere dieses Programms erleben werden und natürlich hoffe ich, dass bis dahin auch das Buch eingetroffen ist. Es könnte knapp werden, aber wir wünschen uns eine Punktlandung.“ In Sachen Musik wird es ein „Wiederhören mit alten Bekannten“ wie „Puttin‘ on the Ritz“, „Ain‘t misbehaving“, „Let‘s do it“, „Georgia on my mind und „Tea for two“.
Derzeit laufen in Münster die Proben für das Projekt. Sigrun Hintzen telefoniert mit Robert Nippoldt. „Wie sucht ihr die passenden Szenen aus?“, möchte sie wissen und Nippoldt erklärt, dass es darum geht, Szenen zu finden, die sich in vier bis acht Minuten zeichnen lassen. „Broadway passt in dieses Zeitfenster nicht hinein.“ Es geht darum, einen Spagat des Möglichen zu erreichen. Nippoldt schwärmt von der sprachlichen Präzision Fitzgeralds. „Irgendwann merkst du dann, dass viel von dem, was er geschrieben hat, autobiografisch gefärbt ist.“
Robert Nippoldt wurde 1977 in Kranenburg am Niederrhein geboren. Nach der Schule „verirrte“ sich der Richtersohn kurz in den Rechtswissenschaften, bevor er in Münster Grafik und Illustration studierte. Sein Diplombuch „Gangster. Die Bosse von Chicago“ fand gleich einen Verleger und Nippoldt konzentrierte sich fortan auf die Buchkunst. Nach zweijähriger Arbeit erschien im Herbst 2007 sein zweites Buch „Jazz im New York der wilden Zwanziger“, das von der Stiftung Buchkunst zum schönsten deutschen Buch 2007 gekürt wurde. Der dritte Teil der Trilogie, „Hollywood in den 30-er Jahren“, wurde im Jahr 2010 veröffentlicht. 2017 erschien sein viertes Buch „Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger“ im Taschen Verlag.
Passend zum Berlinbuch entwickelte er zusammen mit dem Trio Größenwahn die begleitende Show „Ein rätselhafter Schimmer“ – ein Bühnenprogramm mit Live-Zeichnungen und Live-Musik. Nippoldts Arbeiten entstehen in seinem Atelier am alten Güterbahnhof in Münster und wurden in zahlreichen Ausstellungen u.a. in Deutschland, der Schweiz und in Spanien gezeigt.
„Der große Gatsby“ kommt also keineswegs aus dem Nichts. Nippoldt hat längst Erfahrungen mit der Bühne gesammelt und Sigrun Hintzen kann sich kaum einen passenderen Aufführungsort vorstellen als das Museum Kurhaus in Kleve.
Sigrun Hintzen: Das Konzert ist eine Veranstaltung der Buchhandlung Hintzen und des Freundeskreises Museum Kurhaus und B.C. Koekkoek-Haus im Jubiläumsjahr des Museums Kurhaus und des Freundeskreises der Museen und unser Beitrag zum Jubiläum.“ Wenn nach Abzug der Kosten Geld übrig bleibt, werden wir als Buchhandlung Hintzen es gern dem Freundeskreis spenden.“ Das ist doch mal ein Wort und wäre „das Ding“ nicht ohnehin schon sehens- und hörenswert genug – man würde den Besuch dringend anraten. Karten kosten 20 Euro. Und sollte die Sache mit der Lieferung der Erstauflage ‚just in time‘ funktionieren, „können die Besucher das Buch selbstverständlich erwerben und von Robert signieren lassen“. erklärt Sigrun Hintzen. Erscheinungstermin für die gebundene Ausgabe ist der 1. September. 272 Seiten kosten 30 Euro.
Würde man Fitzgerald fragen, ob Nippoldts Konzept aufgehen kann, würde er sagen: „Ein Test für außerordentliche Intelligenz ist die Fähigkeit, zwei gegensätzliche Ideen gleichzeitig zu verfolgen, ohne dabei verrückt zu werden.“ Nippoldt ist alles andere als verrückt. Er muss also verdammt intelligent sein.
Fitzgerald hat das letzte Wort: „So legen wir uns in die Riemen, rudern gegen den Strom, und fortwährend zieht es uns zurück in die Vergangenheit.“ Heiner Frost

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Karten für das Konzert „Der große Gatsby – ein poetisches Portrait der Goldenen Zwanziger in New York“ (Donnerstag, 1. September, 20 Uhr im Museum Kurhaus) kosten 20 Euro und sind in der Buchhandlung Hintzen oder im Museum Kurhaus erhältlich. Mitglieder des Freundeskreises zahlen 18 Euro.

Zeichnung: Robert Nippoldt
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