KERKEN. Die großen Ereignisse und Leistungen in der Geschichte überschatten häufig die kleineren. Das aber auch diese nicht vergessen werden sollten und spannende Geschichten erzählen, davon ist Hans Baumanns überzeugt. Daher hat der 80-jährige Kerkener seinen ersten Roman geschrieben: „Die Fossa Eugeniana. Der Hadrianswall vom Niederrhein.“ Die Geschichte einer Tagelöhner-Familie zeigt exemplarisch, was in einer vermeintlich kleinen Randnotiz der Geschichte steckt.

Wenn man mit wachen Augen durch die Heimat streift, lässt sich viel entdecken. Hans Baumanns hat so eine Situation dazu inspiriert, sein erstes Buch zu schreiben. Es war es eine Radtour, die ihm die vorhandenen Reste der Fossa Eugeniana bewusst machte. Darunter zwei aus den Auswürfen vom Kanalbau errichteten Schanzen zwischen Geldern und Rheinberg, bunkerähnliche Gebilde, die als Schutz dienten. Aber wovor eigentlich?

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Für Reichtum und Macht

Das verrät der historische Kontext von Baumanns Roman, der auch wichtig für das Verständnis der Handlung ist. Wie der Titel zeigt, vergleicht Baumanns den schlussendlich unvollendeten Kanal zwischen Rhein und Maas mit dem Hadrianswall. Hatte dieser die römische Provinz Britannien vor Angriffen der Schotten geschützt, so sollte die Fossa die Spanier vor den Angriffen der Holländer schützen. Während des Achtzigjährigen Kriegs (1558 bis 1648) besetzten diese nämlich neben Frankreich, Belgien und den Niederlanden auch einen Teil des Niederrheins und zwangen die Bevölkerung, zum Katholizismus überzutreten.

Die nördlichen niederländischen Provinzen, vor allem Holland mit seiner guten Lage an der Nordsee und den Zugang zum Rhein, hatten durch den Handel über den Rhein beträchtliche Reichtümer angehäuft, den sie für den Widerstand nutzten und dafür, gegen den Bau der Fossa vorzugehen. In dem Bau sahen die Spanier neben einer Schutzmöglichkeit eine Gelegenheit, die Macht und den Reichtum der Widerständler zu brechen und an sich zu reißen, indem sie den Handel von Antwerpen aus über den Kanal zum Rhein übernehmen.

Anders als beim Hadrianswall gab es jedoch keine Handwerker unter den eigenen Soldaten. So machten sich 1626 schließlich 8.000 Tagelöhner daran, den Kanal von Rheinberg aus Richtung Geldern über Walbeck nach Arcen zu bauen, angelockt durch Versprechen der Leistung in Silber und einer täglichen Mahlzeit. Weniger historisch nachgewiesen, aber eine logische Konsequenz für Baumanns ist, dass sie auch ihre Familien mitbrachten.

Die Erlebnisse einer Tagelöhner-Familie

Zeugen dieser Situation sind die in einer Kate am Dyck von Straelen nach Nieukerk lebenden Protagonisten: die Familie um Tagelöhner Jahn. Wegen seinem guten Draht zu Tieren erhält er die Aufgabe, die für den Bau benötigten Güter und Lebensmittel an die Tagelöhner zu liefern. Dabei erlebt er hautnah die Zustände und Probleme, mit denen sich die Arbeiter damals konfrontiert sahen. Etwa, wenn die Tagelöhner durch die fehlende Wasserwirtschaft der Spanier – begann der Bau doch in von Wasser und Mooren geprägtem Gelände – vom Nass überrascht werden, indem es sich vor dem Kanal staut und die Böschungen unterspült.

Auch Jahn muss mithelfen, den Schaden zu beheben. So ergibt sich ein dichtes, fiktional erzähltes Bild der damaligen Verhältnisse. Die Leser erfahren nebenher viel Wissenswertes, etwa, dass die Arbeiter mit behelfsmäßigen Unterständen so nah wie möglich an ihrer Arbeitsstätte schliefen. „Sie wurden für jede Karre, die sie aus der Fossa brachten, in Silber bezahlt.“ Je näher die Schlafstätte, desto mehr Gewinn also.

Baumanns Faszination für die Leistungen und Erlebnisse der Arbeiter rührt teils auch daher, weil er selbst als Kind Überschwemmungen im Niersgebiet erlebt hat. „Wo die Fossa gebaut wurde, bin ich Schlittschuh gefahren“, erzählt er. Umso besser kann er sich die harte Lage der Arbeiter vorstellen – erst recht angesichts fehlender moderner Möglichkeiten. Es ist die Leistung der damals sozial schlecht gestellten Tagelöhner, die er mit seinem Roman würdigen möchte.

Unschätzbare Hilfe

Einfließen lassen hat er auch Überlieferungen, die er von Landwirten mit Flächen in der Nähe der Fossa bekam. „Die besten Informationsquellen waren diese Leute.“ Einer erzählte von seinem Urgroßvater, der sich beim Pflügen über die Verschmutzung der Äcker durch den Aushub des Kanals mit Kies und Sand beschwert habe. „Auf den Flächen in der Nähe der Fossa war der Ertrag also wesentlich geringer.“ Hans Baumanns größte Hilfe war aber wohl seine Frau Brigitte. Da er sich nicht als PC-Typ sieht, ja die erste Fassung sogar per Hand auf Papier vorschrieb, recherchierte sie für ihn im Internet. „Ohne ihre Hilfe hätte es kein Buch gegeben.“ Und auch wenn es nur ein Hobby für Hans Baumanns ist: an Band zwei arbeitet er bereits. Dann geht es um das Ende des Baus und darum, was mit jenen Arbeitern geschah, die blieben.

Zu kaufen ist das Buch für 17,90 Euro im Buchhandel in Straelen, Geldern, Rheinberg, Kevelaer, Kamp-Lintfort und Moers.

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