ISSUM. Es ist immer ein großer Moment, wenn ein Werk nach Jahren der Arbeit endlich vollbracht ist. Im Falle von Paul Uehlenbruck sind es sogar gleich zwei Werke, die er anlässlich ihrer Veröffentlichung in der Issumer Synagoge feierlich präsentierte. Mit jeweils einem Buch zur Synagoge und zum Lehrer Jacob Meyerson fügt er dem Mosaik der Stadtgeschichte zwei neue Stücke bei.

Auch wenn er zugibt, dass die Bücher nicht unbedingt typischer Lesestoff sind, sondern sich eher an jene richten, die zu jenen Themen arbeiten, sind sie dennoch ein wichtiger Beitrag für die Issumer Geschichte. Sein Ziel war es, die vorhandenen Dokumente zu beiden Themen aufzuspüren und zusammenzufassen. Uehlenbruck übertrug dabei zudem alle in Handschrift verfassten Urkunden ins Reine. „Das war eine sehr mühsame Arbeit.“ Nicht nur, weil jeder damals seine eigene Handschrift gehabt habe, sondern auch weil seine eigenen Augen nicht mehr so scharf wie früher seien, wie er zugibt. Aber sein Ziel zu erfüllen sei ihm weitgehend gelungen, sagt er. Viele Archive hat er dafür angeschrieben. „Oft ohne Ergebnis.“ Aber immer schlug ihm großzügige Hilfe entgegen.

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Synagoge in Issum: Eine lange Geschichte

„In der Dokumentation über die Synagoge steht alles drin, was sich im Bereich dieses Grundstücks zwischen 1835 und 1952 abgespielt hat“, sagt Uehlenbruck über sein Buch. Bei seinen Recherchen konnte er jedoch feststellen, dass die Synagoge im Bereich der heutigen Kapellenstraße 30a schon 1790 existierte. 1835 wurde sie mitsamt dem Wohnhaus verkauft, 1855 dann an die Synagogengemeinde Issum. Diese habe in der Folge 1865 das Schulhaus erstellt. Auch eine Renovierung fand 1865 statt. „Inwieweit das Gebäude aber schon in dieser Form vorhanden war, ließ sich nicht feststellen“, sagt Uehlenbruck.

Heute sind die Räumlichkeiten weiterhin als Gedenkstätte erhalten und werden vom Arbeitskreis Jüdisches Bethaus seit mehr als 30 Jahren betreut.

1869 konnte die Gemeinde das Schulhaus schließlich auch als solches gebrauchen. „Eigentlich war es nur als Lehrer-Wohnung gebaut worden.“ Es sei jedoch üblich gewesen, dass der Lehrer bei kleinen Elementarschulen Schüler in seinem Wohnzimmer unterrichtete. Meyerson war der erste dieser Lehrer in Issum.

Als 1933 ein neuer Synagogenvorsteher das Amt antrat, versuchte dieser neue Eigentümer für das Gebetshaus zu finden. Diese fand er im Ehepaar Kliewe. Ein Glücksgriff, wie sich herausstellen sollte. „Dadurch ist die Synagoge erhalten geblieben. Wäre das nicht passiert, hätte man sie 1938 sicher zerstört.“ Der letzte Gottesdienst fand hier 1931 statt.

Kein leichtes Leben

Persönlicher wird es dagegen im Buch über den Lehrer Jacob Meyerson. Dessen Leben war nicht immer leicht, was auch mit seiner Behinderung zu tun hatte: Von Geburt an konnte er einen Arm und ein Bein nicht richtig gebrauchen. „Aber er hat sich durchgesetzt“, sagt Uehlenbruck.

Seine Ausbildung begann der gebürtige Haldemer am jüdischen Lehrerseminar in Münster, brach diese aber scheinbar ab. Er beendete sie schließlich am evangelischen Lehrerseminar in Soest. „Er war examinierter jüdischer Elementarlehrer.“ Aber auch die Kantoren-Tätigkeit war Teil der Ausbildung: Falls es nämlich eine Synagoge gab, war der Lehrer zeitgleich Kantor der Gemeinde.

Für jemanden wie Meyerson gab es damals allerdings eine Schwierigkeit: jüdische Elementarschulen waren alle Privatschulen und eine Gemeinde musste sowohl Schule als auch Lehrer unterhalten. Hinzu kam in Preußen ein Gesetz. „War ein Lehrer vier Jahre angestellt, musste er lebenslänglich angestellt werden.“ Das sei jedoch ein Risiko gewesen, dass gerade kleine Gemeinden kaum eingehen wollten. Stattdessen bekamen Lehrer einen Zeitvertrag von zwei Jahren. „Der konnte stillschweigend verlängert werden, ohne Vertrag.“
Auch für die kleinen Gemeinden war es schwierig. Oft hing es davon ab, dass eine wohlhabende Familie vor Ort war, die die Schule erhalten konnte. „Zog die Familie weg, war die Schulgemeinde praktisch pleite.“ Lehrer wurden nämlich über das Schulgeld bezahlt.

Ab 1869 in Issum

Meyerson durchlief mehrere Stationen in seinem Leben und lernte in Berleburg seine Frau kennen.1869 kam er schließlich nach Issum, wo er zehn Jahre unterrichtete und das Kantor-Amt ausführte

Wegen Schülermangels musste die Schule letztlich geschlossen werden. Meyerson einigte sich dann mit der Gemeinde, das Kantor-Amt fortzusetzen und gleichzeitig eine private Schule im Schulgebäude zu führen, was er vier Jahre lang tat. „Er wollte eine Simultanschule führen, wo Schüler aller Bekenntnisse unterrichtet werden konnten, hat aber keine Genehmigung bekommen.“ Mit diesem Ansinnen war er zuvor schon in anderen Gemeinden gescheitert. Kantor in der Gemeinde blieb er bis 1900.

Seinen Lebensabend verbrachte Meyerson ebenfalls in Issum, wo er 1905 verstarb. Seine Frau hingegen verkaufte das Haus, in das sie später gezogen waren, und ging nach Geldern, wo sie 1920 verstarb.

Bürgermeister Clemens Brüx bedankte sich nach der Präsentation bei Uehlenbruck für sein außerordentliches Engagement und zeigte sich erfreut über die beiden neuen „Puzzlestücke“ für die weitere Arbeit des Arbeitskreises Jüdisches Bethaus. Angesichts aktueller Ereignisse in der Ukraine verwies er auf die Bedeutung derartiger Arbeit. „Es ist wichtig, die Geschichte darzustellen und zu recherchieren. Und es braucht Leute, die es umsetzen.“ In naher Zukunft sollen die Bücher auch im His-Törchen zu kaufen sein.

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