NIEDERRHEIN. Wird Novavax zum Gamechanger? Um diese Frage sollte es beim aktuellen „Pressebriefing“ der Kassenärzt­lichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) gehen. Thema waren aber auch die geforderten Bonuszahlungen für Medizinische Fachangestellte und – aus aktuellem Anlass – der Krieg in der Ukraine.

Wird Novavax zum Gamechanger? Klare Frage, klare Antwort: Nein. „Bei den Impfquoten ist in allen Altergruppen eine deutliche Abnahme der Dynamik zu beobachten“, stellte Miguel Tamayo, der für die KV die Zahlen im Blick behält, fest. Nord-rhein-Westfalen liegt zurzeit bei den Erstimpfungen mit 80,2 Prozent auf Rang 4 und bei den Zweitimpfungen mit 78,4 Prozent auf Rang 5 im bundesweiten Vergleich. Bei den Boosterimpfungen (59,5 Prozent) liegt NRW ebenfalls auf Platz 5. Mittlerweile haben fast 81 Prozent der Über-60-Jährigen und knapp 64 Prozent der 18- bis 59-Jährigen mindestens eine Boosterimpfung erhalten. Über 20 Prozent der Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren sind vollständig geimpft.

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Parallel zur sinkenden Nachfrage nach Impfungen nimmt im Gebiet der KV Nordrhein auch die Zahl der impfenden Praxen ab. „Es ist schlichtweg frustrierend, wenn mangels Nachfrage am Ende des Tages Impfdosen entsorgt werden müssen“, hat der Vorsitzende der KVNO, Dr. Frank Bergmann, Verständnis für die niedergelassenen Ärzte, die sich deshalb aus dem Impfgeschehen zurückziehen.

Pünktlich zum Start der Novavax-Impfungen stellt sich nun die Frage, wie stark die Impfquoten durch diesen ersten konventionellen Proteinimpfstoff noch einmal erhöht werden können. Im Rahmen einer Cosmo-Studie hatte fast jeder fünfte ungeimpfte Erwachsene angegeben, sich nicht mit mRNA-Impfstoffen impfen lassen zu wollen. Gleichzeitig gaben sie an, dass sie sich eher mit Novavax impfen lassen würden. Tamayo: „Demnach wären in Nordrhein zwischen 170.000 und 211.000 zusätzliche Erstimpfungen von Erwachsenen zu erwarten.“ Kurzfristig könnten diese Impfungen allerdings nicht durchgeführt werden, da ganz NRW zunächst lediglich 309.000 Impfdosen Novavax erhalten hat – davon wird die Hälfte für Zweitimpfungen zurückgehalten. Doch die zu erwartende Nachfrage nach dem neuen Impfstoff blieb in den Impfzentren zunächst aus.

Erst im April soll Novavax auch an Arztpraxen ausgeliefert werden. KVNO-Chef Bergmann hat die Hoffnung, dass potentiell doch noch Impfwillige darauf warten. „Der Impfstoff von Novavax muss so schnell wie möglich den Weg in die Praxis finden“, sagt er. Es mangele nach wie vor nicht an Impfangeboten. Bergmann hält es momentan nicht für sinnvoll, kommunale Impfangebote zu organisieren, wenn diese nicht genutzt werden. Dennoch sei auch klar, dass es sinnvoll sei, diese weiter auf „Standby“ zu halten, wenn vermutlich im Herbst die nächste Corona- und Influenzawelle anstehe. Bergmann: „Auch wenn Novavax kein Gamechanger ist, so ist der Impfstoff doch zumindest eine weitere gute Option, damit sich mehr Menschen impfen lassen, die bei den mRNA-Impfstoffen noch skeptisch waren.“

Impfpflicht und Bonuszahlung

Der KVNO-Chef kam auch auf die ab Mitte des Monats in Kraft tretende einrichtungsbezogene Impfpflicht zu sprechen. Die nordrheinischen Praxen-Teams seien diesbezüglich sehr gut aufgestellt: Über 95 Prozent der Niedergelassenen seien geimpft, was Platz 1 im deutschlandweiten Vergleich entspreche – das treffe auch auf knapp 95 Prozent der Medizinischen Fachangestellten (MFA) zu. Deshalb geht er auch nicht davon aus, dass mit spürbaren Beeinträchtigungen für die Praxisteams und Patienten zu rechnen ist. Mit Blick auf eine generelle Impfpflicht mahnt Bergmann: „Eine hohe Immunitätsrate ist auch für künftige Wellen wichtig.“ Zwar habe sich die Hoffnung leider nicht erfüllt, dass die vorhandenen Impfstoffe eine „sterile Immunität“ gewährleisten, das Virus also auch nicht übertragen werden kann, „aber wer sich jetzt impft, hat in jedem Fall einen Basis-Schutz“.

“Falsche Botschaft”

Scharfe Kritik übt der KVNO-Chef am weiterhin ausbleibenden Bonus für die Praxis-Mitarbeiter. Der Pflegebonus für Mitarbeiter in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen sei beschlossene Sache. Die Rede sei hier von einem Bonus für herausragende Leistungen. Ihm erschließt sich nicht, wie man in der Politik die Leistungen der Praxisteams in der Impfkampagne – und hier besonders auch der MFA – nicht als herausragend ansehen kann, sagte Bergmann. Sein Stellvertreter, Dr. Carsten König, pflichtet ihm bei: „Das wäre ein echtes Zeichen der Wertschätzung.“ Er hält es für „die falsche Botschaft“, das Engagement der Praxis-Teams nicht anzuerkennen, die seit vielen Monaten Überstunden leisten und „in erster Reihe“ stehen.

Hilfe für die Ukraine

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt natürlich auch viele Niedergelassene in Nordrhein. Im Moment sei der Aufenthaltsstatus von geflüchteten Ukrainern unklar – wenn hier aber ein besonderer Status gewährt werde, was die KV Nordrhein sehr begrüßen würde, müssten die entsprechenden Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz angepasst werden. Dann könnten Geflüchtete aus der Ukraine wie Asylbewerber medizinisch versorgt werden. Er gehe davon aus, dass gerade auch psychotherapeutische Begleitung benötigt werde. Bergmann betont, die KV Nordrhein setzt sich gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dafür ein, dass – wie schon bei der Flüchtlingssituation in den Jahren 2015 und 2016 – bundesweit einheitlich eine Versorgung über die elektronische Gesundheitskarte ermöglicht wird.

Zusätzlich hat man sich dazu entschlossen, niedergelassene Mitglieder für Spenden an Organisationen zu verweisen, die Erfahrung im Umgang mit Kriegsregionen und der Unterstützung der medizinischen Versorgung vor Ort haben. Dazu gehört zum Beispiel die action medeor mit Sitz in Tönisvorst, die auch als „Notapotheke der Welt“ bekannt ist. Sprecher Markus Bremers erklärt dazu, dass die Situation vor Ort immer schwieriger werde und man nicht wisse, wie lange man noch Hilfstransporte schicken könne. „Wir versuchen, die Zeit bestmöglich zu nutzen und schicken deshalb so schnell wie möglich das benötigte Material.“ Das sei grundsätzlich „alles für die Wundversorgung“, Schmerzmittel und Antibiotika, aber auch Medikamente für chronisch Kranke.

Geplant sei, nach Möglichkeit, der Aufbau eines Logistikzentrums in der Ukraine selbst. Generell sei die Hilfsbereitschaft groß. „Wir nehmen momentan nur noch sortenreine Paletten an“, betont Bremers, dass man unter Zeitdruck steht. In diesem Zusammenhang verweist er auch darauf, dass es gerade bei der Lieferung von Medikamenten viele Dinge zu beachten gebe. So müssten die Beipackzettel etwa „mindestens auf Englisch“, besser noch kyrillisch verfasst sein und natürlich müsse auch ein Hilfstransport verzollt und die bürokratischen Bestimmungen eingehalten werden.

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