NIEDERRHEIN. Die Omikron-Welle sorgt aktuell auch am Niederrhein für Rekord-Inzidenzen. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Impfungen. „Die größte Dynamik zeigt sich bei den Booster-Impfungen der 12- bis 17-Jährigen“, weiß Miguel Tamayo, der bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) die Zahlen im Blick behält.

Wieder Fahrt aufnehmen, zumindest bei den Erstimpfungen (hier hält sich das Land NRW im bundesweiten Vergleich seit Wochen auf Rang 4), könnte die Kampagne Mitte Februar. Dann steht mit Novavax ein neues Vakzin zur Verfügung, das die Bereitschaft ankurbeln könnte, weil es sich um einen Protein-basierten Impfstoff handelt. Anders als bei den mRNA- und Vektorimpfstoffen wird das Spike-Protein außerhalb des menschlichen Körpers gentechnisch hergestellt. „Das könnte die Skeptiker durchaus dazu bewegen, über eine Impfung nachzudenken“, hofft Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender der KVNO. Studien bescheinigen Novavax eine Wirksamkeit von 90 Prozent – allerdings ist die Dauer des Impfschutzes noch nicht bekannt. Zur Verfügung stehen wird er für alle ab 18 Jahren, Erst- und Zweitimpfung erfolgen im Abstand von drei Wochen.

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Impfangebot ist ausreichend

An Impfangeboten mangelt es aus Bergmanns Sicht nicht. In den nordrheinischen Praxen könne sich mittlerweile jeder einen Termin besorgen und auch die Kreise und Kommunen würden Termine anbieten. Gleichzeitig konstatiert der KVNO-Chef, dass es bei den Jugendlichen und Erwachsenen in NRW immer noch eine Impflücke von über 20 Prozent gebe. Bergmann: „Wir brauchen nicht mehr Impfangebote, sondern mehr Geimpfte.“ Den Einstieg der Apotheken ins Impfgeschehen bewertet er vor diesem Hintergrund auch als „nicht erforderlich“.

Nicht unterschätzen

Bergmann warnt zudem davor, die Omikron-Variante zu unterschätzen. „Mild heißt nicht harmlos – schon gar nicht für Ungeimpfte“, stellt er klar. Auch wenn man zunächst nicht schwer erkranke, sei noch offen, ob trotzdem Langzeitfolgen wie „Long Covid“ auftreten. Omikron werde zwar von vielen als „Anfang vom Ende der Pandemie“ eingestuft. „Das ist aber ein zugedeckter Scheck“, sagt Bergmann. „Das kann so sein, muss es aber nicht.“ Fest stehe nur, dass irgendwann der Scheitelpunkt der Welle erreicht sei und auch die wärmere Jahreszeit für eine Entspannung der Situation sorgen werde, „aber spätestens im Herbst wird Corona wieder da sein, wenn die Bevölkerung bis dahin nicht immunisiert ist.“

Aus medizinischer Sicht spreche daher einiges für eine Impf-Pflicht. „Aber das ist eine politische Frage“, weiß Bergmann. Ein „politischer Kompromiss“ sei es auch, wenn nur Menschen in die Pflicht genommen würden, die wegen ihres Alters zu den besonders gefährdeten Gruppen zählen. „Wenn wir eine breite Immunisierung wollen, dann müsste es für alle Erwachsenen gelten“, stellt er klar.

Neue Medikamente

Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie machen neue Arzneimittel, die bereits eingesetzt werden oder kurz vor der Zulassung stehen. „Bisher konnte man hauptsächlich Patienten behandeln, die beatmet werden – das ändert sich jetzt“, erklärt Holger Neye von der KVNO. Das Antikörper-Präparat Sotrovimab, das in einer frühen Phase der Krankheit zum Einsatz kommt, soll bald für die ambulante Therapie zur Verfügung stehen. Ebenso Casirivimab und Regdanvimab. Noch größere Hoffnungen ruhen auf den antiviralen Arzneimitteln wie Paxlovid und Molnupiravir, die auf Rezept in den Apotheken erhältlich sein sollen. Allerdings, stellt Neye heraus, seien die Medikamente zunächst vorrangig für Risikopatienten vorgesehen, „zum Beispiel für stark Übergewichtige oder Menschen mit einer Lungenerkrankung“.

PCR-Tests

Auch bei der KVNO wartet man gespannt auf neue Richtlinien zu den PCR-Testungen. „Die Auslastung der Labore liegt bei 95 Prozent“, weiß Holger Neye. Der „Lolli-Knick“ in den Kalenderwochen, in denen Schulferien waren, macht deutlich, dass die Pool-Tests da eine Rolle spielen – auch wenn die Statistik zeigt, dass seit zwei Wochen die Vielzahl der Neuinfektionen die Testzahlen in die Höhe treibt. „Man muss überlegen, wo ein PCR-Test wirklich Sinn macht“, sagt Bergmann und nennt als Beispiel den Genesenen-Status nach Ablauf der Quarantänezeit. Er denkt, dass Schnelltests ebenso aufschlussreich sein dürften.

„Aber auch hier ist die Politik gefragt“, sagt er. Die Kommunikation zwischen Politik und Wissenschaft könne ohnehin besser sein, bemängelt der KVNO-Chef, dass die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen für Unsicherheit in den Praxen – und bei den Bürgern – sorge. Im Sinne aller Beteiligten müsse hier ein kommunikativer Konsens gefunden werden.

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