NIEDERRHEIN. Am Montag startete die zweite Offenlegung des Regionalplans Ruhr, der die Flächen ausweist, die in Zukunft für die Rohstoffgewinnung genutzt werden könnten. Zu diesem Anlass und in Anbetracht der öffentlichen Diskussionen stellte die Initiative „Zukunft Niederrhein“, ein Zusammenschluss von 13 und damit nicht allen Kiesunternehmen vom Niederrhein, kurz zuvor in Wesel ihre Standpunkte zur weiteren Auskiesung vor. Dabei betonte die Initiative die Bedeutung von Kies und Sand als systemrelevante Rohstoffe.

Mit ihren insgesamt acht Positionen möchte die Initiative auch „Mythen und Falschinformationen entgegenwirken“, wie der Geschäftsführer Sascha Kruchen sagt. Die beiden Rohstoffe seien unverzichtbar, wenn es darum gehe, die Infrastruktur zu verbessern. Damit meint man nicht nur Themen wie Brückenbau, sondern auch den anstehenden Wohnungsneubau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr in Deutschland. Davon würden allein in NRW 100.000 gebaut werden, sagt Kruchen. „Ohne Material wird gar nichts davon gebaut, mit weniger Material wird es teurer werden.“ Der neue Regionalplan würde die Verfügbarkeit von Sand und Kies im Wesentlichen gewährleisten. „Unsere Unternehmen und die Infrastruktur brauchen Planungssicherheit.“

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Eine regionale Förderung sei unverzichtbar, wenn man bezahlbaren Wohnraum schaffen und den Traum vom Eigenheim am Leben erhalten wolle. Baukosten und Immobilienpreise stiegen derzeit enorm, käme dann noch zur großen Nachfrage eine schwierigere Rohstoffgewinnung durch Flächenprobleme hinzu, würden die Preise für die Rohstoffe weiter zunehmen, auch wegen hoher Transportkosten. Dies würde laut Initiative nicht nur private Bauherren treffen, sondern auch die öffentliche Hand als „größten Sand- und Kieskunden“ und damit den Steuerzahler selbst.

Überarbeitete Bedarfsermittlung gewünscht

Kruchen widerspricht der Meinung, dass die Kiesindustrie den Bedarf an Sand und Kies bestimme und mit ihren Vorgaben die Flächengrößen beeinflusse. Er betont, dass auch die Initiative eine Überarbeitung der Bedarfsermittlung als notwendig erachte. „Das fordern wir schon seit Jahren.“ In eine solche müssten die tatsächliche Genehmigungslage und die Nachfragesituation einfließen. Nur planerisch ausgewiesene Flächen würden keinen Bedarf abdecken und auch die angegebenen Versorgungszeiträume seien daher nur theoretisch und somit unerheblich.

Die Umweltwissenschaftlerin Beate Böckels von der Firma Holemans ergänzt, dass die Pläne das Ergebnis einer Raumwiderstandsanalyse des RVR seien. Bis zur Gewinnung selbst würden noch viele Schritte folgen und es sei offen, auf welchen Flächen am Ende tatsächlich abgebaut werde. Niemand könne bereits jetzt voraussagen, dass die aktuell ausgewiesenen Flächen alle genehmigungsfähig seien und auch mit einer Genehmigung bestehe noch die Frage nach der Grundstücksverfügbarkeit.

Schnellere Genehmigungsverfahren

Um drohenden Engpässen entgegenzuwirken, spricht sich die Initiative für eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Gewinnungsvorhaben aus. Dabei zitiert Kruchen den Plan des Wirtschaft- und Klimaschutzministers, Voraussetzungen für schnellere Verfahren für den Windenergieausbau schaffen zu wollen. Dies müsse ebenfalls für die Sicherstellung der dafür benötigten Baurohstoffe gelten. Um ein 140 Meter hohes Windrad zu bauen, würden schließlich rund 2.000 Tonnen Sand und Kies benötigt. „Möchte man den Windenergieausbau bis 2030 verdreifachen, braucht man auch die dreifache Menge Material.“

Auch das Thema Recycling gehört zum Programm, das Potenzial müsse man aber gründlich prüfen. Nach Aussage der Initiative könnten selbst bei verbesserter Aufbereitungstechnik nur etwa 20 Prozent der Nachfrage durch Recyclingmaterial gedeckt werden. Ein Ausstieg wie bei der Kohle sei bei Kies und Sand nicht möglich. Dennoch wolle man weiterhin die Nutzung von Recyclingmaterial vorantreiben.

Was die Nachnutzung der Flächen anbelangt, gebe es die Möglichkeit, Naturschutz- und Freizeitgebiete zu entwickeln oder sie im Rahmen des Tourismus zu nutzen. Auch im Sinne des Hochwasserschutzes könnten sie zum Einsatz kommen. Als Beispiel nennt Kruchen den Lippe-Mündungsraum bei Wesel mit seinen 130 Hektar Aueflächen, die durch Sand- und Kiesgewinnung entstanden seien. Die Initiative spricht sich für einen konstruktiven Dialog aus, Wünsche der angrenzenden Kommunen und der Bürger sollen berücksichtigt werden.

Sand und Kies als Grundlage für Klimaschutz

Auch den Klimaschutz spricht die Initiative an: Eine Versorgung mit Sand und Kies sei bedeutend, um die Klimaschutzziele besonders im Energiebereich zu erreichen. Man würde nicht nur mit schwimmenden Solaranlagen auf den Baggerseen Ökostrom produzieren, sondern auch zukünftig grünen Wasserstoff liefern. Hinzu kämen kürzere Transportwege bei regionaler Verfügbarkeit der Rohstoffe, was einen wichtigen Beitrag leiste. Mit Bezug auf den vergangenen Landtags-Talk der SPD erwähnt Kruchen, dass nachwachsende Rohstoffe nicht die Lösung seien, zumindest nicht in den Räumen ohne ausreichende Verfügbarkeit. „In solchen Fällen müssen sie von weit her herangeschafft werden.“ Nur 30 Prozent des Holzes in NRW käme aus eigenem Anbau. Auch die Bedeutung der Unternehmen als verlässliche Partner bei Natur- und Artenschutz unterstreichen sie. So würden die Gewinnungsstätten nachweislich als Hotspots der Biodiversität gelten.

Mit ihrem letzten Punkt sprechen sie den Export an. „Dieser hat sich aus NRW heraus in den letzten 13 Jahren mehr als halbiert“, sagt Kruchen. So liege die Ausfuhrquote derzeit bei rund 18 Prozent. Der niederrheinische Sand und Kies würden vor allem in die Niederlande und nach Belgien gebracht. Aus geologischen Gründen seien diese Länder keine Selbstversorger bei bestimmten Baurohstoffen. Der grobe Kies sei dort eher Mangelware. Kruchen vergleicht dies mit metallischen Rohstoffen für Deutschland, die häufig importiert werden würden. Dennoch sei auch in den Niederlanden – entgegen der Annahme, dies sei verboten – der Abbau großer Sand- und Kiesvorkommen genehmigt worden.

Nachlesen kann man die acht Positionen unter www.zukunft-niederrhein.de.

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