Auch an den Feiertagen ist die Polizei rund um die Uhr im Einsatz. Joana Weyers und Mike Raadts erzählen, wie es ist, an den Festtagen zu arbeiten. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

KREIS KLEVE. Weihnachtsgeschichten sind Happy-End-Geschichten. Sie mögen melancholisch eingefärbt beginnen, aber sie leben von der positiven Botschaft: Alles wird gut. Wahrscheinlich ist Weihnachten das deutsche Fest, das Ansprüche und Wirklichkeiten am schonungslosesten aufeinandertreffen lässt. Und während die einen im Familienkreis daheim sitzen, Bescherung feiern, gut essen und die Christmette besuchen, gibt es auch Menschen, die an Weihnachten arbeiten, denn: Das Leben geht weiter.
Joana Weyers und Mike Raadts arbeiten bei der Polizei. Weyers ist 26 und verheiratet. 2015 hat sie nach dreijährigem dualen Studium ihre Ausbildung abgeschlossen. Mike Raadts ist das, was man wohl einen alten Hasen nennen darf. Er ist seit 1990 dabei. Raadts‘ Familie: Ehefrau, zwei Kinder. Das Weihnachtsfest 2021 wird für die Familie bemerkenswert, denn der Papa ist Heiligabend zuhause. Raadts: „Das ist ein wirklich seltener Fall. Ich habe das erste Mal, seit ich mich erinnern kann, frei. Meine Kinder kennen es kaum anders.“ Fakt ist aber trotzdem: „Es ist für die Kinder – sie sind mittlerweile 12 und 16 – nicht immer schön, wenn Papa Weihnachten nicht da ist. Aber wir haben es trotzdem immer geschafft, Weihnachten Zeit mit der Familie zu verbringen. Man muss halt gut planen.“
Weyers‘ Mann ist auch „vom Fach“. Er arbeitet bei der Kreispolizeibehörde Wesel. Die Weyers‘ sind Weihnachten beide im Einsatz. „Immerhin sind unsere Einsatzzeiten parallel.“

Integraler Bestandteil

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Arbeiten an Weihnachten oder zu Silvester ist – vor allem im Wach- und Wechseldienst – integraler Bestandteil des Berufslebens. Dass jemand sowohl Weihnachten als auch Silvester keinen Dienst hat, ist eher unwahrscheinlich, aber möglich. Sind Weihnachtseinsätze anders als andere? Mike Raadts: „Natürlich kann man das nicht pauschalisieren, aber vor allem die Einsätze am 1. und 2. Weihnachtstag sind häufig anders.“ Weihnachten – das sei vor allem die Zeit, in der sich Familien miteinander beschäftigen müssen. „Mein Eindruck ist, dass viele mit der Nähe nicht klar kommen. Ich glaube, dass es dabei nicht so sehr um Erwartungen und Enttäuschungen geht – es geht darum, sich mit den anderen zu beschäftigen. Plötzlich hocken alle aufeinander. Man kann nicht ausweichen. Da spitzt sich dann manches zu.“ Wichtig ist für Weyers und Raadts: „Das hat nichts mit sozialem Status zu tun. Das passiert queerbeet. Wir sind dann nicht nur als Polizisten gefragt, sondern als Zuhörer und vielleicht sogar ein bisschen als Seelsorger.“

In Erinnerung

Gibt es Weihnachtsgeschichten, die sich eingeprägt haben? Mike Raadts muss nicht lange nachdenken: „Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir – ich glaube, es war ein 2. Weihnachtstag – einen Unfall hatten, bei dem ein junger Mann tödliche Verletzungen erlitt. Er war auf dem Weg zu seiner Familie. Im Wagen lagen hinten Geschenke für seine Eltern und Geschwister.“ Unfalltode sind immer furchtbar, „aber wenn man zu Weihnachten eine Familie besuchen muss, um eine Todesnachricht zu überbringen, dann hat das noch mal eine ganz andere Tragik. Das sind Erinnerungen, die man nicht los wird.“

Dank ja. Geschenke nein.

Farbwechsel. Natürlich, auch da sind sich Weyers und Raadts einig, gibt es auch „nette Einsätze“. „Da kann es dann passieren, das ältere Menschen, die noch ein anderes Verhältnis zur Polizei haben, sich bedanken möchten.“ Dabei gilt: Freundliche Worte? Ja. Geschenke? Nein. „Wir dürfen nichts annehmen“, erklärt Joana Weyers: „Da ist es dann auch wichtig, den Menschen zu erklären, warum wir das nicht dürfen.“
Und dann ist da die Sache mit der Einsamkeit. Mike Raadts: „Manchmal ist es wirklich so, dass Menschen in ihrer Einsamkeit dann den Weg wählen, sich an die Polizei zu wenden.“ Wieder geht es ums Zuhören. Weihnachten ist ein Vergrößerungsglas für Befindlichkeiten. Das mag daran liegen, dass wenigstens an diesen Tagen die ganz normale Einsamkeit zur Seelenqual eskaliert. Da sind doch all die anderen, die ein schönes Fest feiern – die daheim sind bei ihren Familien. Diese Vorstellung steigert das Alleinsein.
Heiligabend – ein Brauch der ganz anderen Art – besucht die Landrätin eine Wache, um sich bei denen, die dort ihren Dienst tun, zu bedanken. Manuela Schmickler von der Pressestelle der Kreispolizeibehörde: „Das ist eine besondere Form der Anerkennung. In diesem Jahr wird die Landrätin die Wache in Geldern besuchen.“
Fragt man Joana Weyers nach ihren Weihnachtseinsätzen, spricht sie von „eher ganz normalen Einsätzen“. Brände, Verkehrsunfälle. „Natürlich auch Streitigkeiten. Wenn man bei der Polizei ist, kann halt jederzeit alles passieren. Das macht unseren Beruf so interessant.“
Gibt es eigentlich – so kurz vor Weihnachten – einen guten Rat vom Freund und Helfer? Mike Raadts: „Manchmal ist es erschreckend zu sehen, an welch kleinen Dingen sich Menschen aufreiben. Da kann es helfen, mit ein bisschen Abstand das Großeganze zu sehen. Natürlich haben wir alle unsere ganz persönlichen Katastrophen und ich will nicht damit klein reden, was Menschen Sorgen macht – was sie bewegt.“
Irgendwo – auch das ist klar – ist Weihnachten im Einsatz ein Stück Normalität. Weyers: „Natürlich sind wir auch an solchen Tagen unterwegs. Es geht darum, nach dem Rechten zu sehen.“ Mike Raadts: „Gerade zur Weihnachtszeit steigen die Einbruchszahlen. Wo der Gute ist, da ist auch der Böse nicht weit. Da ist es wichtig, dass Polizei Präsenz zeigt.“
Was würde eigentlich Mike Raadts den eigenen Kindern sagen, wenn die zur Polizei wollten? „Ich würde niemandem raten, nicht zur Polizei zu gehen. Es gibt keinen spannenderen Beruf und wenn es unseren Beruf nicht gäbe, würde ich ihn für mich erfinden.“ Und Joana Weyers ergänzt: „In unserem Beruf bekommt man Einblicke in fast alle Facetten des Lebens.“

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