NIEDERRHEIN. „Das war eine politische Entscheidung, die sicher der Sorge wegen einer raschen Verbreitung der Omikron-Variante geschuldet war“, ist Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) froh, dass die Landesregierung schnell reagiert hat und „zurückgerudert“ ist.

In einem am Montag unter anderem an Kreise versandten Erlass hieß es noch: „Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind nicht zurückzuweisen und ebenfalls zu impfen – sofern ein Mindestabstand von vier Wochen erreicht ist.“ Am Dienstag wurde der Erlass zurückgenommen. Grundsätzlich, so Bergmann, bleibe ein Abstand von fünf bis sechs Monaten – „aus medizinischer Sicht“ – sinnvoll. Auch eine Boosterimpfung nach vier Monaten hält Bergmann für verfrüht. „Ausnahmen mag es natürlich geben, etwa für Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist“, sagt der KVNO-Vorsitzende.

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Aktuell liegt das Land NRW sowohl bei den Erstimpfungen (76,3 Prozent) als auch bei den Zweitimpfungen (72,6 Prozent) auf Rang 5 im bundesweiten Vergleich. Bei den Boosterimpfungen (26,8 Prozent) belegt Nord­rhein-Westfalen Rang 2. Rund die Hälfte der über 60-Jährigen sind mittlerweile zum dritten Mal geimpft. Der Anteil der Arztpraxen an allen Impfungen liegt in Nordrhein derzeit bei rund 75 Prozent. Die Zahl der durchgeführten Impfungen in Praxen ist auf 625.000 Impfungen gestiegen (bisheriger Höchststand), die Zahl der impfenden Praxen auf über 5.300 (ebenfalls bisheriger Höchststand). Auch die Anzahl der Impfungen pro Praxis liegt auf einem Allzeithoch von fast 120 pro Praxis und Woche.

Vertrauensverhältnis

Die pädiatrischen Praxen in Nordrhein führen aktuell knapp 20.000 Impfungen pro Woche durch (bisheriger Höchststand). 370.000 der insgesamt über 640.000 Impfungen der 12- bis 17-Jährigen in Nordrhein sind von Kinderärzten durchgeführt worden (entspricht 58 Prozent). Die übrigen Impfungen sind in Haus- und Facharztpraxen erfolgt. „Gerade bei den Kindern und Jugendlichen spielt das Vertrauensverhältnis eine große Rolle“, weiß Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KVNO. „Die Eltern haben viele Fragen und besprechen das mit dem Arzt, den sie kennen – und der auch die Kinder kennt“, sagt König. Er geht davon aus, dass dies für die Kinder unter zwölf Jahren eine noch größere Rolle spielen wird. Die offenen Impfangebote der Kommunen seien „richtig und auch wichtig“, aber viele Eltern würden vermutlich den Weg über die Kinderarztpraxis wählen, so König.

In Nordrhein leben fast 620.000 Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Die Kassenärzt­liche Vereinigung geht derzeit von einer Impfbereitschaft von 45 bis 60 Prozent aus. Man stehe in engem Kontakt zum Verband der Kinder- und Jugendärzte. Bergmann: „Die Erfahrungen, die man im Ausland gemacht hat, stimmen uns positiv – auch wenn noch nicht so viele aussagekräftige Studien dazu vorliegen.“ Er gehe aber davon aus, dass die Impfbereitschaft von Seiten der Eltern zunimmt, wenn die Ständige Impfkommission (Stiko) eine entsprechende Empfehlung ausspricht. „Sicher ist es zunächst sinnvoll, wenn man vorrangig Kinder mit entsprechenden Vorerkrankungen wie etwa Trisomie, Asthma oder Diabetes impft“, sagt Bergmann. Für die Impfung der gesunden 5- bis 11-Jährigen werde es Wartelisten in vielen Praxen geben.

Nach Ansicht des KVNO-Vorstandsvorsitzenden hätten die niedergelassenen Ärzte im Rheinland in den vergangenen Wochen deutlich gezeigt, was sie zu leisten imstande seien. Gerade mit Blick auf die Boosterimpfungen müsse festgehalten werden, dass dies bei den politischen und organisatorischen Begleiterscheinungen alles andere als selbstverständlich sei. In der Impf-Kampagne jage ein Desaster das nächste. „Die möglicherweise drohende Impfstoff-Knappheit zum Beginn nächsten Jahres und der aktuelle Biontech-Engpass haben viele Patienten verunsichert – man war nicht wirklich auf Moderna eingestellt, dabei ist der Impfstoff genauso gut wie Biontech“, stellt Bergmann klar.

Viele Niedergelassene in Nordrhein hätten sich für die Impf-Kampagne ins Zeug gelegt und auch an den Adventswochenenden durchgeimpft. Die vom ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ausgerufene Zahl von 30 Millionen Corona-Schutzimpfungen bis Jahresende können die Praxen in Nordrhein laut dem KVNO-Chef einhalten. Rechnerisch sei Nordrhein für rund zehn Prozent davon „verantwortlich“ – es sei schon jetzt absehbar, dass die Praxen im Rheinland drei Millionen Impfungen bis Ende 2021 schaffen würden, so Bergmann.

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