EMMERICH. „Hanse heißt übersetzt Weggemeinschaft“, erläutert Wolfgang Tyssen von der Gesamtschule Emmerich. Weggemeinschaften haben zwar viele Gesichter, ein ganz besonderes zeigt sich aber im internationalen Hanseroman-Projekt, das seit rund einem Jahr läuft (die NN berichteten). Am Buch beteiligt sind Schulen aus Deutschland, Polen, den Niederlanden, Island, Litauen und Russland. Anlässlich eines zweitägigen Symposions besuchte nun eine Delegation einiger Teilnehmerstädte die Emmericher Gesamtschule. Auch ein Besuch bei Bürgermeister Peter Hinze stand an.

Dieser freut sich sehr über das internationale Projekt, wie er betont. „Es zeigt, dass die Hansekultur und das Miteinander-Verbundensein immer noch lebt.“ Emmerich war nicht nur vor einigen Hundert Jahren Hansemitglied, sondern ist auch heute Teil der rheinischen Hanse und Mitglied im internationalen Hanseverbund.

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Auf einer Weggemeinschaft gebe es laut Tyssen so manches zu erleben, das von unterschiedlichen Perspektiven geprägt sei. „Das Individuelle zuzulassen“, das mache die Gemeinschaft aus. „Das ist zudem ein Schwerpunkt unseres Buchprojektes.“ Vereint wird dieser Ansatz durch das gemeinsame Ziel, einen Roman herauszugeben.

Das Symposion diente unter anderem dazu, das weitere Vorgehen zu besprechen. Viele Eckpunkte wurden dabei gesetzt: So soll unter anderem ein physisches Buch in den Originalsprachen herausgebracht werden, „damit das Internationale und Individuelle zum Tragen kommt.“ Gleichzeitig soll das Ergebnis ins Internet gelangen, sodass man über einen Link auf die Übersetzungen zugreifen kann.

Gleichwohl spielt der Weg hin zum Buch eine bedeutende Rolle. „Hier ist es uns wichtig, dass Lehrer und Schüler sich kennenlernen.“ Auch hier setzte das Symposion an. Zum weiteren Programm für die Gäste gehörte daher eine Stadtführung, ein Besuch im PAN mit einer Führung durch den jüdischen Kulturraum und ein Unterrichtsbesuch.

Die Schüler selbst stehen schon seit längerem über einen geschlossenen Chat in Kontakt. Hier können sie nicht nur über das Projekt sprechen, sondern auch über profane Dinge und ganz persönliche Sorgen, etwa in Bezug auf die Pandemie. „So sehen wir, dass wir alle im selben Boot sitzen“, sagt Tyssen. Jeder übernehme dabei eine andere Aufgabe. „Wenn dieses Erleben bei den Schülern ankommt; dass diese Gemeinsamkeit keine Gleichmacherei ist, sondern das Individuelle stärkt, dann ist das zentrale Ziel erreicht.“

Viele Geschichten

Im Symposion besprachen die Teilnehmer verschiedene Ideen, an den Roman heranzugehen. „Eine war, dass wir die verschiedenen Handlungen miteinander verbinden, dass die Helden sich irgendwann kennenlernen“, erläutert Lehrerin Beata Popek aus Danzig. Da das aber möglicherweise zu kompliziert ausgefallen wäre, soll nach aktuellem Stand jede Stadt eine alleinstehende Geschichte schreiben. „Es wäre schön, wenn die Handlungen irgendwie zueinander finden, aber das muss nicht unbedingt sein.“

In Emmerich ist das erste Kapitel bereits geschrieben. Beim internen Prozess arbeiten die Schülerinnen Hand in Hand: Die eine schreibt, die anderen bringen ihre Ideen ein. Jede Geschichte im Buch wird in ein historisches Ereignis gebettet. Für Emmerich ist das der Hansetag im Jahr 1567. Der Handlungsort ist „dort, wo der Kreuzherrenorden seine Schule hatte, an der Paaltjessteege1. Wo heute die Gesamtschule steht“, erläutert Tyssen.

Der Hansetag des Jahres 1351 hingegen bildet den Hintergrund für die Autoren aus Hardewijk. Diese teilen ihre Geschichte in zwei Teile und ebenso viele Protagonisten auf, wie Lehrerin Marieke Westerhout erzählt. Ein Junge und ein Mädchen erleben ihr Abenteuer einmal im Rahmen der früheren Lage am Meer und dann einmal in der Stadt selbst.

Annette Stöcklin erläutert den bisherigen Stand in Lübeck: „Wir haben uns gedacht, wir siedeln das Haus der Familie der Protagonistin in der Engelsgrube an. Das ist die Straße der England-Fahrer.“ Da England die EU verlassen hat, habe man sich aber nun entschieden, dass die Familie stattdessen das Haus der Danzig-Fahrer bewohnt. „So knüpfen wir die Verbindung.“ In Danzig sammeln die Schüler derzeit ihre Ideen und bereiteten sich unter anderem mit einem Besuch im archäologischen Museum vor.

Ganz im Sinne der Gemeinschaft haben die Lehrer der Gesamtschule im Vorfeld einen Baustein in englischer Sprache für ihre Kollegen verfasst, anhand dessen die Schüler sich dem Projekt nähern können. So sollen sie nicht nur historische Einblicke bekommen, sondern lernen, wie man einen historischen Roman schreibt: Dazu gehören unter anderem die Charakterentwicklung, Handlung, Dialoge und Erzählperspektiven.

Einander helfen

Am Ende des Projekts werden wahrscheinlich bis zu 40 Schüler zwischen zwölf und 17 Jahren beteiligt sein. Der Vorteil laut Tyssen: „Wenn alle 17 Jahre alt wären, wäre die Konkurrenz untereinander viel größer. So ist die Situation eine ganz andere.“ Demnach helfen die Älteren den Jüngeren, während diese gerne von ihnen lernen. „So gibt es viele Chancen, um Gemeinschaft zu leben.“ Hinze betont zudem die Chance, durch ein solches Projekt Vorurteile abzubauen. Für ihn ist es ein „Stück Friedensbeitrag. Je mehr man voneinander weiß, desto besser kann man miteinander umgehen.“

Im Mai soll sich eine weitere Gelegenheit zum persönlichen Umgang ergeben. Gewünscht ist, dass aus allen Städten Lehrer und Schüler nach Emmerich kommen. In der letzten Maiwoche des geplanten Besuchs findet zudem der Hansetag in Neuss statt. Dadurch besteht die Möglichkeit, als Gemeinschaft über die Jugendhansa aktiv teilzunehmen. „Aber das muss alles noch geplant werden.“

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