Solidarisch durch die Krise

    Die Impfkampagne schwächelt – die mittlere Altersgruppe bis 60 Jahre rückt jetzt in den Fokus

    NIEDERRHEIN. Die Impfkampagne läuft schleppend und auf den Intensivstationen nimmt die Zahl an Corona-Patienten deutlich zu. Dabei werden die Patienten im Durchschnitt immer jünger. „Jetzt kommt es darauf an, die Impflücke in der mittleren Altersgruppe zu schließen – vor allem bei denjenigen, die mit Kindern Kontakt haben oder mit Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein (KVNO).

    NRW liegt auf Platz 4

    Mit steigenden Infektionszahlen nehme auch die Wahrscheinlichkeit von Impfdurchbrüchen, einer Infektionen trotz vollständiger Impfung, zu. „Das Risiko eines schweren Verlaufs ist aber in der Gruppe der Ungeimpften um 22 bis 29 mal höher als bei den Geimpften“, sagt Bergmann. „Gerade in der mittleren Altersgruppe zögern viele gesunde Menschen, die normalerweise nicht regelmäßig zum Arzt gehen, das Impfangebot wahrzunehmen.“
    Nordrhein-Westfalen liegt im bundesweiten Vergleich mit einer Covid-Erstimpfungs-Quote von 69,4 Prozent auf Platz 4, unter den bevölkerungsstarken Bundesländern ist dies die beste Quote. Bei der Zweitimpfungsquote und damit den vollständig Immunisierten liegt NRW mit knapp 63,2 Prozent ebenfalls auf Platz 4. Damit haben mittlerweile über 12.400.000 Menschen in NRW ihre Erst- und über 11.300.000 Menschen ihre Zweitimpfung erhalten.

    -Anzeige-

    Der Zusammenhang zwischen Neuinfektionen, Hospitalisierungen, intensivmedizinisch behandelten Covid-Patienten und letztlich auch Todesfällen ist schwächer als in vorangegangenen Infektionswellen – aufgehoben ist er aber nicht. Bergmann stellt klar: „Impfen hilft.“ Das gelte ebenso für Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren – selbst wenn diese auch ohne Impfung ein vergleichsweise geringes Risiko hätten, schwer zu erkranken. Eine entsprechende Stiko-Empfehlung für Kinder unter zwölf Jahren stehe noch aus. „Die wird es wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres geben“, so Bergmann.

    Impfen im Routinebetrieb

    Mit Blick auf die anstehende Schließung der Impfzentren betont der Vorsitzende der KVNO, dass die niedergelassenen Ärzte gut aufgestellt seien. „Das Impfen in den Impfzentren haben zum Großteil auch die Niedergelassenen übernommen.“ Allerdings seien einige Voraussetzungen von großer Bedeutung: „Es braucht so wenig Bürokratie und Vorschriften wie möglich und wir benötigen zeitnah eine Konfektionierung in Einzeldosen, da Vials mit sechs bis sieben Impfdosen wenig geeignet für den Routinebetrieb in den Praxen sind.“ Die Übergangsphase von den Impfzentren in die Praxen könne zudem noch reibungsloser gelingen, wenn Auffrischungs­impfungen im Rahmen eines „normalen“ Praxisbesuchs, etwa bei Check-Ups, erfolgen würden.

    Drittimpfungen

    Auch die bald anstehenden Drittimpfungen in Pflegeeinrichtungen könnten im Rahmen der ohnehin dort stattfindenden Arztbesuche angeboten werden. „Bislang wissen wir nur von wenigen Einrichtungen, die nicht auf vertraglich gebundene Ärzte zurückgreifen können“, erklärt Bergmann. Diese könnten sich an die Kreisstelle der KVNO wenden. Erst im dritten Schritt kämen mobile Impf-Teams mit Honorarärzten in Betracht. Grundsätzlich seien auch die Krankenhäuser in NRW impfberechtigt. Ebenso spreche nichts dagegen, auch in Zukunft bei Bedarf besondere Aktionen, etwa den Einsatz von Impfbussen, anzubieten.

    Mit Blick auf die Grippeimpfungen hofft Bergmann, dass möglichst bald beide Impfungen (Corona und Grippe) gleichzeitig verabreicht werden können. Aktuell empfehle das Robert Koch Institut (RKI) allerdings noch eine Impfpause von mindestens 14 Tagen. In ihrem Pressebriefing wies die KV Nordrhein außerdem darauf hin, dass für diejenigen, die ab dem 8. September (für mRNA-Impfstoffe gilt ein Mindestabstand von drei Wochen zur Zweitimpfung) ihre Erstimpfung noch im Impfzentrum erhalten, die Zweitimpfung dann in der Praxis erfolge. „Da sollte man sich zeitig um einen Termin kümmern“, empfiehlt Bergmann. Für diejenigen, die keinen Hausarzt haben, hat die KVNO im Sommer ein Onlineregister von impfenden Praxen erstellt, das stetig aktualisiert wird. Dort haben sich mittlerweile über 1.200 Niedergelassene angemeldet, die Impfungen auch für „externe“ Patienten anbieten (coronaimpfung.nrw/impfzentren/impfregister).

    Solidarisch sein

    Um die Impfkampagne wieder in Schwung zu bringen, spricht aus Sicht von Bergmann übrigens nichts gegen die 2G-Regelung – geimpft oder genesen, getestet entfällt. „Unser gesamtes Gesundheitssystem basiert auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft“, ruft er in Erinnerung.

    Vorheriger ArtikelMit dem Flying Fox durch den Schlosspark sausen
    Nächster Artikel7-Tage-Inzidenz im Kreis Kleve steigt weiter: 82,3