STRAELEN. Seit vergangenem Mai beschreitet der Maler Heiner Geisbe auf seinem Grundstück am Bormiger Weg 53 in Straelen neue Wege für die Kunst. In seinem Gewächshaus gibt er Künstlern einzigartigen Raum, ihre Werke coronakonform auszustellen. Von Mittwoch, 1. September, bis Donnerstag, 30. September, stellen das Ehepaar Rosemarie und Bernhard Sprute aus Bad Oeynhausen als fünfte in der Reihe aus.

Von circa 9 bis 20 Uhr können Besucher die malerischen Werke der beiden betrachten, die Rücken an Rücken im Gewächshaus hängen. Nach zwei Wochen werden die Seiten getauscht.

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Altes Thema, relevantes Thema: die Flucht

Sprute
Rosemarie Sprute widmete sich mit ihrem Werk einem alten Thema: der Flucht.

„Meine Frau interessiert sich sehr für soziale Aspekte“, erzählt ihr Mann. Ihr aushängendes Werk „Flucht“, Öl, Ölkreide und Beize auf Leinwand, zeigt Motivbearbeitungen der „Flucht nach Ägypten“ und „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“, nach Gemälden der frühneuzeitlichen Maler Jacopo Bassano und Caravaggio. „Ich finde es schade, wenn alte Werke vergessen werden“, sagt sie. Entstanden ist ihr Bild zwischen 2016 und 18, angestoßen durch die Flüchtlingsdebatten.

Nach Studien der Kunst, Kunstgeschichte und -pädagogik kennt sie sich auch gut mit den Hintergründen aus. So sei die Flucht ein altes Thema der christlichen Ikonographie und zudem ein häufig dargestelltes Motiv im Barock und in der Renaissance gewesen. Wie Sprute sagt, seien Häufungen und Variationen eines christlichen Themas meist ein Indiz dafür, dass die Maler soziale, politische und religiöse Spannungen umsetzten. Konkret bei der „Flucht nach Ägypten“ seien es die religiösen Spannungen und Verfolgungen gewesen, die zu den Flüchtlingsbewegungen von Hugenotten, Lutheranern und Calvinisten führten.

Sprute legt mit ihrem Bild den Fokus auf die Engelfiguren, wurde der Legende zufolge doch die heilige Familie auf der Flucht von einem solchen begleitet. „Das hat formalästhetische Gründe und es hat mit zerbrechlichen Hoffnungskonstruktionen zu tun.“ Das Gewächshaus als Ort der Ausstellung passe gut zu Bassano und Caravaggio, schließlich hätten beide eine Vorliebe und Verbindung zum Landleben und -volk gehabt.

Panische Tiere

Sprute
Bernhard Sprute widmete sich mit seinem Bild symbolisch gesellschaftlichen Unruhen. Dabei ist er sich einer besonderen Fähigkeit von Tieren bewusst.

Die Beziehung zwischen dem Ehepaar und Geisbe besteht bereits seit vielen Jahren, seit er Bernhard Sprute über den Westdeutschen Künstlerbund kennengelernt hat. Im Zuhause seines Freundes stellt Sprute jetzt „Unruhige Tiere und blauer Fleck“ aus: Öl, Dispersion und Beize auf Leinwand. Symbolisch widmet er sich damit gesellschaftlichen Unruhen. Die Tiere präsentieren sich mit aufgerissenen Mäulern, sie winden sich voller Panik in alle Richtungen und haben untereinander den Kontakt verloren. Die weiße Leere der Leinwand, aus der sie hervortreten, ist dabei die Ruhe und Unschuld, in deren Angesicht die Menschen die drohende Gefahr nicht wahrnehmen. Im Gegensatz zu ihnen erkennen die Tiere die Gefahr wie ein Seismograph. Aber trotz der herrschenden Panik symbolisiert der blaue Fleck die Hoffnung, die in Zukunft erhoffte Ruhe und Sicherheit.

„Tiere spüren Unruhe oft besser als Seismographen oder so manche Sensorsysteme“, sagt Sprute über die Hintergründe. Auch die Wissenschaft habe diese ausgeprägte Fähigkeit untermauert, selbst die alten Griechen und Römer hätten diese Eigenschaft erkannt. „Wenn Hunde, Pferde und Gänse auffällig lärmten, verlegte der Senat seine Sitzung sicherheitshalber unter freien Himmel, aus Angst vor Erdbeben.“

Mit der Akzeptanz seines neuen Formats ist Geisbe zufrieden. „Viele sind sehr neugierig.“ Auch wenn es eigentlich nur ein Jahr zur Überbrückung während der Coronazeit laufen sollte, behielt er seinen Kunstraum noch im Angesicht zahlreicher Wiedereröffungen klassischer Ausstellungen bei. So stehen die Chancen auch gut, dass er seine Idee auch 2022 noch einmal fortsetzt. Zum Jahresabschluss steht jedoch noch die Ausstellung von Jacky Bamfaste aus Düsseldorf an. Sie wird im Oktober das Häuschen mit ihrer Kunst schmücken.

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