GELDERN. Die Absage des diesjährigen Straßenmaler-Wettbewerbs durch den Werbering erfolgt in aller Stille. Als sie schließlich Matthias Deckers erreicht, entschließt sich der 38-Jährige kurzerhand, selbst für Ersatz zu sorgen. So feiert nun das Streetart- und Graffiti-Festival „Paint on Walls“ am kommenden Wochenende, 14. und 15 August, jeweils von 10 bis 21 Uhr, seine Premiere.

Erstmals traten Graffiti-Künstler im Sommer 2019 in Geldern ins Rampenlicht. Die Stadt war damals – neben Krefeld, Mönchengladbach und Neuss – einer der Veranstaltungsorte von „Home Street Home“. Durch dieses Event wurden beispielsweise Steffen Mumm alias „Hoker One“ und Allessandro Althaus alias „Oldhaus“ in Gel­dern bekannt. Beide haben auch für das „Paint on Walls“ zugesagt.

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Streetart-Festival
auch ohne Straßenmaler

Ursprünglich war vorgesehen, das Streetart-Festival im Rahmen der Straßenmaler durchzuführen. Vor zwei Jahren war Matthias „Mattez“ Deckers selbst dabei, als Graffiti-Künstler während des Straßenmaler-Wettbewerbs in der Glockengasse ihr Können auf großen, gespannten Planen zeigten. Eine eher suboptimale Lösung. „Und weil es damals gelaufen ist, wie es gelaufen ist, habe ich gesagt: Diesmal organisiere ich es selbst“, sagt Deckers. Nach der Absage durch den Werbering war daher für ihn sofort klar: „Das Festival ziehen wir trotzdem durch.“ Zuvor hatte er bereits innerhalb der Künstler-Szene in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Italien die Werbetrommel für seine Festival-Idee gerührt.

Auf der Suche nach einem passenden Gelände wurde Deckers am Nordwall fündig, genauer auf dem Parkplatz an der Michaelschule. An den umliegenden Gebäudewänden stehen für 15 in der Szene bekannte Künstler jeweils 15 Quadratmeter große Flächen zur Verfügung, für sechs weitere Teilnehmer gibt es jeweils neun Quadratmeter. Zwei Kreidekünstler, die ihrer Kreativität an eigens aufgestellten Holzwänden freien Lauf lassen können, vervollständigen das laut Deckers „großartige Line-Up mit echten Größen der deutschen Kunstszene“. Besonders freut er sich darüber, dass mit Philipp Koemen alias „Norm“ auch eines seiner Vorbilder nach Geldern kommt und mit „Smoe“ (Andreas Plautz) aus Mönchengladbach Deutschlands größter Graffiti-Youtuber.

Am Wochenende schaffen „Mattez“ Deckers und 22 Kollegen weitere Kunstwerke beim Streetart-Festival.

Die internationalen Künstler stammen beispielsweise aus den USA, reisen von ihren Wohnsitzen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden an. Die jüngste Künstlerin im Gelderner Line-Up ist 21 Jahre alt, der älteste Teilnehmer Ü50. „Die 15 ‚großen‘ Künstler, die auch auf unserem Flyer stehen, sind alle Ü30“, betont Deckers, dem klar ist, dass „bei Graffiti viele an Jugendliche denken. Genau das stimmt aber nicht. Wir sind alle Kunstschaffende.“ Und im Gegensatz zu den Straßenmalern „schaffen wir Kunst, die bleibt – bis ein Gebäude abgerissen wird“. Das „Paint on Walls“ stößt aus Sicht von „Mattez“ Deckers auch deshalb bei den Künstlern auf so große Resonanz, weil sie sich in Geldern frei entfalten können. „Sie kommen zusammen, bekommen eine Wand kostenfrei gestellt und können auch noch malen, was sie wollen. Das ist für alle Künstler das Tollste“, weiß Deckers. Die Besucher wiederum, die sich bereits unter anderem aus Amsterdam und Norddeutschland angekündigt haben, können den Künstlern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

Street Food, Fleuther Bier
und „entspannte“ Musik

Da es sich um ein Festival handelt, dürfen einige weitere Dinge natürlich nicht fehlen: Street Food, Getränke wie Fleuther Bier aus Geldern und Musik. Die beiden DJs „Phatlib“ und „Henk M.F.“ werden das Wochenende über das Gelände beschallen – „aber nicht mit Tanzmusik, sondern mit ganz ‚entspannter‘ Musik“, verspricht Deckers. „Zwar schon Electro und Hip-Hop, aber eben nicht voll aufgedreht.“ Es stehen zudem Sitzgelegenheiten zur Verfügung, „Besucher können sich aber gerne auch eine Picknick-Decke mitbringen“. Seit rund zweieinhalb Jahren plant Matthias Deckers das Streetart-Festival. Dafür hat er sich zahlreiche Sponsoren gesucht, unter anderem für die Farbsprühdosen, die er allen Künstlern zur Verfügung stellt. Die Stadt Geldern hat ebenfalls eine finanzielle Unterstützung zugesagt in Form eines Zuschusses über bis zu 5.000 Euro.

Kunstwerke bleiben
für ein Jahr erhalten

Nach dem „Paint on Walls“ bleiben die Kunstwerke für ein Jahr erhalten. „Dann kommen wir wieder, öffnen die Open-Air-Galerie und übermalen die Wände“, kündigt Deckers damit weitere Festival-Termine an. Im kommenden Jahr soll es parallel zum Wettbewerb der Straßenmaler stattfinden. „Es wäre auch mein Wunsch, wenn beide zusammenwachsen und so eine große Veranstaltung entsteht.“ Denn die Straßenmaler haben auf den 38-Jährigen schon immer eine große Faszination ausgeübt. Als Kind habe er nach dem Straßenmaler-Wochenende einmal nicht den Schulbus verlassen wollen, „weil ich dann auf ein großes Bild hätte treten müssen – und das kam mir in diesem Moment unvorstellbar vor“. Auch an das Bild kann sich Deckers noch genau erinnern: „Ein Junge mit rotem Kapuzenpulli, der auf einer Erdkugel sitzt, die gleichzeitig ein Ballon ist – und dem Schriftzug ‚Love it oder lose it‘.“ Mit dem neuen Gelderner Streetart-Festival hat Deckers nun die Chance, selbst solche Erinnerungen zu schaffen.

Künstler:
Auf dem Flyer zum „Paint on Walls“ sind die 14 „großen“ der insgesamt 23 Teilnehmer aufgelistet – „und ich“, wie Matthias „Mattez“ Deckers, der als Organisator auch selbst zur Sprühdose greift, lachend hinzufügt.
Die 14 Künstler: Dater 127, Hoker One, Nash, Karski, Beyond, Norm, Novadead, Smoe, Yasja, Mr. Oreo, Aura, Oldhaus, Stoke, Dreft

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