SONSBECK. Den Namen entschuldigte Landtagsmitglied René Schneider (SPD) bereits am Anfang seines Besuchs in Sonsbeck anlässlich seiner diesjährigen Sommertour. „Nah am Wasser gebaut“ ist der Titel, der wie in den Jahren zuvor mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist und zudem noch vor den katastrophalen Unwettern der letzten Tage vergeben wurde. Doch angesichts letztgenannter könnte das Thema des Sonsbecker Termins aktueller nicht sein, ging es doch um Starkregen, welcher der Gemeinde schon vor fünf Jahren übel mitspielte. Das Gespräch über Vorsorge suchte Schneider mit Fatma Özkan, Rechtsanwältin und Leiterin des Projekts „Klimafolgen und Grundstücksentwässerung“ der Verbraucherzentrale NRW.

Ziel des kostenlosen Beratungsangebotes ist es, Eigentümer über Möglichkeiten zu informieren, wie man das Haus auf Stark­regen, Überflutungen und Kanal-Rückstau vorbereiten kann.

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Özkan klärte zunächst darüber auf, dass Abflüsse, die unterhalb des Straßenniveaus liegen, ein Erkennungsmerkmal für das eigene Risiko durch Starkregen sind. „Ist der Kanaldeckel in der Nähe des Hauses, ziehen Sie von dort eine imaginäre Linie durch ihr Haus.“ Lägen unterhalb dieses Niveaus Entwässerungsgegenstände wie Abflüsse, Waschbecken, Toiletten oder der Waschkeller, sei das Haus gefährdet.

Es stellt sich auch die Frage, wie oft Starkregen überhaupt vorkommt. Von Behauptungen, er komme alle 100 oder 20 Jahre, hält Özkan nichts. „Wir haben eine Klimaveränderung“, sagt sie. Beispiel: Der Düsseldorfer Stadtteil Flingern. Von 2008 bis 2021 habe es bereits sechs Starkregen-Fälle gegeben.

Und Starkregen, das sind 25 Liter pro Quadratmeter in der Stunde, erklärt sie. Auf sechs Stunden gesehen seien es 35 Liter pro Quadratmeter. „Wir hatten in den letzten Wochen bis zu 200 Liter.“ In Sonsbeck vor fünf Jahren waren es nach dem Rückblick der ortsansässigen SPD 120 Liter.

Abwasserleitungen checken

Schon die Bedeutung der Prüfung und Sanierung von Abwasserkanälen sollten Eigentümer laut Özkan nicht unterschätzen, da es mit dem Schutz vor Starkregen zu tun habe. „Wenn die Kanäle kaputt sind, nützt die beste technische Vorrichtung nichts.“ Das Wasser steige dadurch und unter Umständen gelange es gerade bei alten Häusern durch eine undichte Bodenplatte oder durch Ritzen an den Wänden in den Keller.

Nach der DIN-Norm sollte eine Prüfung alle 20 Jahre erfolgen, Özkan empfiehlt jedoch zumindest, alle 30 Jahre hineinzuschauen. „Das ist schon deswegen nicht schlecht, weil man dadurch Überflutungsschutz installiert.“ Die Beratung in dieser Hinsicht werde rege nachgefragt.

Bei diesem undurchsichtigen Thema gab und gibt es immer noch viele unseriöse Firmen, sogenannte „Kanalhaie“. Diese drängen unangekündigt an der Haustür oder am Telefon zu einer Überprüfung der Abwasserleitung und gaukeln große Schäden vor. Deswegen behält Özkan mit anderen Juristinnen den Markt im Auge, um solche Machenschaften zu stoppen und vor Gericht zu bringen.

Vorsorge treffen

Für die richtige Vorsorge gibt es nach Özkan Beobachtungen, die jeder auf seinem Grundstück machen kann. So könne man zunächst überlegen, wie das Gelände aussehe, zum Beispiel, ob in der Nähe ein Bach verläuft, um das Risiko besser einschätzen zu können. „Jeder kleine Bach kann zu einem reißenden Fluss werden.“ Es gehe auch darum herauszufinden, wie sich das Wasser bei Regen auf dem eigenen Grundstück verhalte. „Fließt es zu meinem Haus oder wo sammelt es sich an?“, sagt sie.

Wer keinen überdachten Kellerabgang hat, könne diesen zum Beispiel überdachen und eine Regenrinne installieren, um das Wasser abzuleiten. Bei Kellerfenstern oder Lichtschächten gebe es die Möglichkeit, diese drucksicher zu machen.

Zu bedenken gibt Özkan auch, dass laut Entwässerungssatzung einer jeden Stadt jeder Eigentümer selbst dafür Sorge tragen müsse, dass er vor Rückstau aus dem Kanal geschützt ist. Dazu habe er Rückstauklappen oder andere Schutzvorrichtungen einzubauen. Die Stadt haftet demnach nicht für Schäden.

Außerdem erzählt sie von der Rechtssprechung des BGH: Selbst wenn die Abwasserleitungen durch die Stadt zu klein gebaut wurden, hat der Bürger demnach keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn er keine Schutzvorrichtungen eingebaut hat.

Es gibt natürlich auch Versicherungen, aber die beiden typischen Must-Haves würden sich dafür nicht eignen: „Die Wohngebäude- und die Hausratversicherung haben es per se nicht.“ Was durch Starkregen und Überflutungen zerstört werden könne, benötige eine zusätzliche Elementarschadensversicherung. Und selbst hier muss Özkan einschränken. „Ich habe mir alle in NRW angebotenen Elementarschadensversicherung angesehen. Eine hatte den Rückstau nicht dabei, diesen musste man explizit versichern.“

Beim Kleingedruckten solcher Versicherungen verweist sie darüber hinaus auf eine Passage mit Obliegenheiten: „Da steht, jeder Hauseigentümer muss geeignete Rückstauklappen anbringen, die funktionstüchtig sein müssen.“ Funktionstüchtig bedeutet, dass man sie einbauen und regelmäßig warten muss. „Wenn Sie keine Sicherung haben, nützt Ihnen Ihre Versicherung nichts. Das wissen viele Eigentümer nicht.“

An die Fremdstoffe denken

Bewusstseinskampagnen für Fremdstoffe im Abwasser sind ein anderer wichtiger Teil von Özkans Arbeit. „14 Prozent des vermeidbaren Abfalls wird über Toiletten und den Abfluss entsorgt.” Hygieneartikel oder Haare würden schnell einmal in der Toilette entsorgt werden, Bedenken gebe es oft keine. „Das führt zur Verzopfung von bis zu zehn Metern an den Pumpstationen.“ Die Bereinigung dieser Art der Verstopfung zahle man mit den Abwassergebühren. Aber auch Medikamente würden in den Kläranlagen für Probleme sorgen.

„Wir versuchen mit unterschiedlichen Aktionen und Eyecatchern das Bewusstsein zu schärfen”, erläutert sie. Ein Beispiel dafür ist die Kanaldeckel-Schnitzeljagd. Dabei wurden schon viele Kanaldeckel verschönert und mit interessantem Wissen versehen, um den Leuten die ihnen unbewusste Problematik näherzubringen. Auch ein Gewinnspiel, bei dem man innerhalb einer Stadt ein Losungswort sucht, hat es mehrmals gegeben.

Informationen online

Özkan betont, dass zum einen die Kommunen Hauseigentümern bei Fragen zur Seite stehen. Informationen gibt es aber auch in der Online-Broschüre auf abwasser-beratung.nrw unter Downloads mit dem Namen „Alles klar bei Starkregen?“. Unter „Termine“ findet man auch Informationen zu regelmäßigen Online-Seminaren. „Dann ist man diesbezüglich eigentlich ziemlich fit und kann sich entscheiden, ob oder was man tun möchte“, sagt Özkan.

Maßnahmen in Sonsbeck

Bei der Sonsbecker SPD-Fraktion erkundigte sich René Schneider zudem nach den Ereignissen in den letzten fünf Jahren. Vorsitzende Christa Weidinger erzählte daraufhin von dem im Rat beschlossenen Handlungsleitfaden zur Starkregenvorsorge. Passiert sei schon einiges. „Unsere Regenrückhaltebecken sind 2017 nach 20 Jahren entschlammt worden”, beginnt sie. Beim Becken auf der Ostseite habe man außerdem festgestellt, dass die Böschung sich abgesenkt hatte, die zum Ort hin zeigt. „Genau dort ist das Wasser drübergelaufen. Jetzt hat man sie wieder erhöht.”

Zudem sei der Kanal untersucht worden, nun stünden auch wieder Zweituntersuchungen an. „Dafür haben wir im Haushaltsplan 2020 50.000 Euro eingeplant, sodass die Abstände der Untersuchungen etwas verkürzt werden.” Auch die Pumpstation werde für 400.000 Euro neu gebaut. Eigentlich war ein geringerer Betrag eingeplant, aber nicht nur sei das Material teurer geworden, sondern man habe festgestellt, dass die Rohre, die dort zusammenkommen, marode waren. Diese werden daher gleich mit erneuert. Dazu erwähnt Weidinger die geplante Vermaschung: Bei zu viel Wasser und damit Druck auf einem Kanalrohr soll es in andere weitergeleitet werden.

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