Tiefdruck im Museum

GOCH. Steffen Fischer hat auf der Leiter zu tun. Es geht um das Licht. Unten – am Boden – die Dirigentin: Wendy White. New York trifft Goch. Das Ergebnis: ‚Low Pressure‘ – zu sehen von morgen an, bis zum 26. September.
„Eigentlich“, sagt Kurator Steffen Fischer, „sollte die Ausstellung schon im letzten Jahr stattfinden.“ Der Rest ist bekannt. Corona. Lockdown. Und. So. Weiter.
Eine schwarze Wolke – hängend. Unter der Wolke: drei stilisierte Tropfen. Es sieht aus wie im Wetterbericht – oder im Kinderbuch: low pressure. Tiefdruck. Sieht man die Wolke, entsteht im Kopf ein Kunsttiefdruckgebiet. Aber es geht doch eigentlich gar nicht ums Wetter. Das wäre zu einfach. Oder etwa nicht?
White hat zwei äußerst unterschiedliche Räume eingerichtet. Einmal geht es streng, fast schon formal zu.
Das Wetter: außen vor. Die Bilder wachsen an die Wand – auf den Boden. Verwaschen kommen sie daher. Verschwommen irgendwie. Zwischendrin nehmen Bekanntheiten Platz: „Unerschöpfliche Quelle für Wendy Whites Arbeiten ist die amerikanische Populärkultur mit ihren vertrauten Produkten, Zeichen, Idolen, Bildern und Vorstellungswelten. Dabei kämmt sie mit einer Haltung aus faszinierter Teilhabe und kritischem Kommentar unbekümmert rigoros alles gegen den Strich“ – heißt es in einem Text zur Ausstellung. Und richtig: Je mehr man hinschaut, um so mehr entdeckt man eine Produktwelt. Zwei Herzen – die Form ausgezackt wie ein Nadeldruckerausdruck aus der Aufbruchszeit ins Digitale – vollgepackt mit Stickern.
Die Welt im Kopf verlässt ihren Platz. Sie gerät ins Trudeln bei diesem Mix aus Verweisen und Verwiesenem. Da entsteht, bevor man es eigentlich gemerkt hat, ein Konstrukt der Wirklichkeit.
Das wird im zweiten Raum deutlicher. Herrscht eingangs der Ausstellung noch formale Strenge, beginnt jetzt eine Auflösung ins Buntverrückte. Die Formen weichen auf.
Und da steht Wendy White im quietschgelben T-Shirt. Fast ist sie selbst zu einer Litfaßsäule geworden: „Adidas – built for purpose“, liest man und denkt: Man sollte die Künstlerin in die Ausstellung drapieren. Schnell wird klar, dass Heerscharen von Menschen zu Werberteibenden geworden sind, die fürs Schaulaufen nicht etwa bezahlt werden, sondern zuvor investieren müssen: ins eigene, bedruckte Vorhandensein: low pressure. Auch das eine Art von Tiefdruck,
Der Weltenaustausch auf musealer Ebene – das scheint ein Motiv aus Wendy Whites künstlerischer Melodie zu sein. Dekoration wird Kunst – und umgekehrt. Es entstehen: Grenzlinienverschränkungen. Die Welt wird umdefiniert und in neue Denkzusammenhänge gestellt. Low Pressure – weit mehr als eine schwarze Wolke mit Tropfen.
Eröffnet wird ‚Low Pressure‘ morgen, Sonntag, 11 Juli, um 11.30 Uhr. Es sprechen: Steffen Fischer (Museum Goch), Dorothee Mosters (Kunststiftung NRW) und Dr. Gudrun Bott. Parallel findet eine ‚Kids Opening‘ für die jungen Gäste statt.
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