NIEDERRHEIN. „Man könnte den Eindruck gewinnen, die Pandemie sei vorbei – das ist aber bei weitem nicht so“, stellt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenerärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) klar. Zwar halte er die aktuell viel diskutierte Abschaffung der Maskenpflicht im Freien für möglich, betont aber: „Gerade in geschlossenen Räumen sollte man vorsichtig bleiben und sich unbedingt an die Hygieneregeln halten.“

Das sei gerade auch mit Blick auf die Delta-Variante des Covid-Virus wichtig. „Wir wissen nicht, ob und wann sie sich durchsetzt“, gibt er zu bedenken und verweist auf die Situation in Großbritannien. Zwei Faktoren macht er dafür verantwortlich. Zum einen hätten viele Briten auf die Zweitimpfung verzichtet und damit keinen vollständigen Schutz. „Außerdem scheint Bion­tech gegen diese Variante wirksamer zu sein“, sagt der Mediziner. In Großbritannien sei überwiegend Astrazeneca verimpft worden.

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Die Zahlen

Nordrhein-Westfalen liegt aktuell im bundesweiten Vergleich mit einer Erstimpfungs-Quote von 51,5 Prozent auf Platz 4, unter den bevölkerungsstarken Bundesländern ist dies die beste Quote. Bei der Zweitimpfungsquote liegt NRW mit 29 Prozent bundesweit ebenfalls auf Platz 4. Damit haben mittlerweile über 9.200.000 Menschen in NRW ihre erste Impfung und über 5.200.000 Menschen ihre zweite Impfung erhalten.

Das Impfen in den Arztpraxen hat weiter an Fahrt aufgenommen – vergangene Woche war eine Rekordwoche: Hier wurden fast 450.000 Patienten in Nordrhein geimpft – das ist ein Drittel mehr als noch in den Wochen davor. Seit Wegfall der Priorisierung und Freigabe für Kinder und Jugendliche sind im Gebiet der KV Nord­rhein 9.200 Unter-18-Jährige geimpft worden. Zudem impfen acht Prozent mehr Praxen. Bergmann hebt hervor, wie groß die Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte sei, Verantwortung in der Impfkampagne zu übernehmen.

„Deutlich Luft nach oben“ sieht er in der zuverlässigen Lieferung von Impfstoff. „Wenn wir auf die deutschlandweiten Zahlen schauen, dann sehen wir, dass in der vergangenen Woche knapp über drei Millionen Impfdosen lieferbar gewesen sind – von den Praxen bestellt worden sind 4,5 Millionen Impfdosen.“ Prinzipiell könne und wolle man mehr impfen – auch wenn viele Praxen aufgrund der hohen Nachfrage von Seiten der Patienten absolut am Limit wären. „Die Praxen brauchen Verlässlichkeit und ­dies haben wir auch immer betont. Es kann nicht sein, dass sich die Praxen neben der zusätzlichen Belastung durch die Impfungen auch noch durchgängig mit Terminabsagen und Terminverschiebungen auseinandersetzen müssen“, sagt Bergmann.

Digitaler Impfpass

Grundsätzlich sei es ein Versäumnis der EU, dass der digitale Impfpass mit Verzögerung kommt. Sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Carsten König. Auch Bergmann sieht „Optimierungsbedarf“ im Bereich der IT und auf politischer Entscheidungsebene. Mittlerweile sind in Nordrhein vier Impfzentren (Düsseldorf, Kreis Heinsberg, Oberbergischer Kreis und der Kreis Wesel) in den durchgängigen Probebetrieb gestartet – dort werden allen, die das möchten und die vollständig geimpft sind, die Zertifikate mit dem entsprechenden QR-Code ausgedruckt und mitgegeben. Bis einschließlich Montag sollen die Hälfte der 28 Impfzentren in Nordrhein in den Probebetrieb gegangen sein. Ende Juni wird der Probebetrieb in allen nordrheinischen Impfzentren in den Echtbetrieb übergehen, das heißt dann sollte dort alles reibungslos ablaufen.

Seit dem heutigen Donnerstag haben knapp 430.000 vollständig geimpfte Menschen, die online über die KV Nordrhein einen Termin gebucht haben, die Möglichkeit, sich ihre digitalen Impfzertifikate in ihrem Account herunterzuladen. In den nächsten Wochen bekommen außerdem über 560.000 Menschen ihre Zertifikate für (beide) Impfungen zugeschickt, die ihre Termine über die KVNO-Callcenter (116117) gebucht haben und ebenfalls vollständig geimpft sind. Dies wird voraussichtlich bis Ende Juni dauern. Mit dabei sind auch alle diejenigen, die ihren Termin über die Kreise und Kommunen gebucht haben, also bestimmte Berufsgruppen wie Polizei, Feuerwehr und Erzieher und deren Adressen der KV Nord­rhein bereits vorliegen.

Ab Ende Juni soll es auch in den nordrheinischen Arztpraxen möglich sein, nach Erhalt der zweiten Impfung den digitalen Impfpass zu erhalten. „Die Praxisverwaltungssysteme sollten bis dahin ihr benötigtes Software-Update bekommen, damit das auf Knopfdruck funktioniert und nicht zu aufwändig ist“, erklärt Bergmann. Grundsätzlich begrüße man, dass die Apotheken diesen Service bereits anbieten.

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