EMMERICH. Nach rund 30 Jahren Band-Erfahrung ist Tommy Hartung aus Emmerich endlich angekommen: Mit Wizard macht er jetzt nicht nur genau die Musik, für die er brennt, sondern auch mit Leuten, die über die Maßen hinaus füreinander da sind. „Es ist ein Gefühl wie in einer Familie“, sagt Hartung. Die 1989 gegründete Band aus Bocholt, dessen Name einem Computerspiel entliehen ist, überzeugt auf ihrem im Februar erschienenen 12. Studioalbum „Metal in my Head“ wieder mit druckvollem True Metal. Nachdem die letzten Aufnahmen in den heimischen Studios entstanden waren, ging es dieses Mal wieder in ein Profi-Tonstudio. Der Aufwand hat sich gelohnt: Wizard stiegen zum ersten Mal in die Album-Charts ein: Platz 91.

Mit 19 Jahren fing alles an: Von Metallica, Iron Maiden, AC/DC und Kiss zu eigenen musikalischen Gehversuchen inspiriert, fand Hartung seinen Weg zur Gitarre, deren Klänge es ihm besonders antaten. Das Schlagzeug hingegen erschien ihm zu unpraktisch „und singen konnte ich auch noch nie“, sagt Hartung mit einem Lachen. Ans Komponieren dachte er anfangs aber nicht, spielte stattdessen für sich zu Hause.

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Als ein Freund seine Fortschritte bemerkte, lud dieser ihn schließlich zur Bandprobe ein. „Da war ich ein wenig unsicher, ich hatte ja noch nie in einer Band gespielt.“ Um die Chance dennoch zu ergreifen, übte er besonders hart, „sechs Stunden am Tag waren keine Seltenheit.“ Das zahlte sich aus und der heute 52-Jährige trat mit „Oblivion“ seiner ersten Band bei. Und das, wie er erzählt, als jemand, der früher nichts für den Musikunterricht übrighatte.

Über die Jahre spielte er nach der Auflösung seiner ersten Band in verschiedenen weiteren: Er war Gründungsmitglied von No Inner Limits und heuerte nach deren Auflösung 20 Jahre später bei der Rock-Coverband Freezeland an, nachdem eine Oblivion-Reunion nicht zustande gekommen war.

Niemals aufgeben

„Die Musik bedeutet mir alles im Leben“, fasst Hartung zusammen. Und diese Leidenschaft war entscheidend dafür, dass er das Gitarrespielen nach einem harten Schicksalsschlag nicht aufgab. Bei einem Arbeitsunfall verlor der Assistent in einer Entwicklungsabteilung für Kompressionsstrümpfe einen großen Teil seines linken Daumens.

Wo sein Umfeld das Ende seiner Gitarristenlaufbahn zu erkennen glaubte, blieb Hartung optimistisch. „Das war das beste, was passieren konnte“, sagt er mit einem herzhaften Lachen angesichts der anderen Verlustmöglichkeiten an seiner Hand. „Aber es tat mörderisch weh.“ Trotzdem: Er spielte unaufhörlich weiter, auch sein Arzt riet ihm, nicht zu sensibel mit dem Daumen umzugehen. Heute ist Hartung froh über diese Entscheidung.

Eine zweite Familie

Und froh ist er auch, den Schritt von seiner alten zu seiner neuen Band Wizard gemacht zu haben. Obwohl er ebenfalls mit der alten Truppe viel Spaß hatte, spielt Hartung nicht nur wieder seine Lieblingsmusik, sondern mit Leuten, die wie eine Familie sind. „Man wird behandelt wie ein Bruder. Man hat den Eindruck, man kennt sie schon ewig. Das habe ich mir schon immer gewünscht.“

Dass er zu Wizard stieß, war jedoch eher eine glückliche Fügung. Nachdem ihr alter Gitarrist ausstieg, plante die Band, es bei den verbleibenden vier Musikern zu belassen. Hartung, der Teile der Band von früher kannte und vor allem mit Bassist Arndt Ratering gut befreundet war, bekundete sein Beileid zum Ausstritt des seiner Meinung nach grandiosen Gitarristen. Die beiläufige Bemerkung, er würde sich selbst bewerben, wenn er dieselben Qualitäten hätte, bescherte ihm unerwartet Glück: Zwei Stunden später erhielt der verdutzte Hartung plötzlich eine Einladung zur Probe, sollte dafür – ohne Zeitdruck – vier Stücke lernen. Die Chance vor Augen, paukte er diese in zwei Wochen – und überzeugte bei allen folgenden Proben.

Die Reise zu einem geplanten Konzert in Frankreich sollte zeigen, ob Hartung auch menschlich zur Band passte. Auch wenn er dann zwar noch nicht hätte mitspielen müssen, war genau das sein Ziel. Er übte jeden Tag rund vier Stunden. Dann, eine Woche vor Abreise der große Knall: Corona. Um die Zwangspause zu nutzen, entschied sich die Gruppe stattdessen, ein neues Album aufzunehmen.

Hymnen zum Mitsingen

Das Ergebnis kann sich hören lassen: Die Besinnung auf alte Stärken in Kombination mit der professionellen Tonstudio-Produktion lässt das brachiale Schlagzeug noch stärker zur Geltung kommen. Markant sind auch die Refrains, Hymnen zum Mitsingen stehen im Vordergrund. Bezeichnend für das Album ist textlich gesehen vor allem der Metal-Lifestyle, wie schon das namensgebende Titellied nahelegt: Gemeinsam das Leben zu leben und zu feiern. Passend dazu, aber wesentlich trauriger, ist die Ballade „Whirlewolf“. Sie ist eine Widmung für einen verstorbenen Freund und Musiker.

Insgesamt zeigt sich Hartung sehr zufrieden in Anbetracht des „runden Gesamtsounds“. Diese Rückbesinnung auf die Wurzeln kommt auch bei den Hörern an, wie der Charterfolg zeigt. „Das ging runter wie Öl. Das heißt, dass wir alles richtig gemacht haben“, erzählt Hartung mit hörbarer Freude.

Undurchsichtige Zukunft

Die nahe Zukunft bleibt aber nach wie vor undeutlich: Eine Festival-Show im Mai ist bereits abgesagt, geplant ist aber noch eine Tour ab Oktober. Vom Gefühl her rechnet Hartung zwar nicht damit, „aber ich hoffe es trotzdem.“

Dennoch darf er sich wohl auf viele kommende, besondere Erlebnisse freuen. Denn neben intimeren Konzerten waren Wizard waren schon zu Gast auf großen Festivals, wie dem Wacken Open Air, und in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien. Ein anderer Meilenstein war eine Headliner-Show in Las Vegas. So haben die Musiker – zu Hartungs anfänglicher Verwunderung – Fans in der ganzen Welt gewonnen: Von Deutschlands Nachbarländern über den Iran und Japan bis Bangladesch. Aber wenn es um Auftritte geht, zeigt sich Hartung bescheiden. „Hauptsache überhaupt wieder live spielen, das wäre schön.“ Denn die Menschen zu begeistern, das Gefühl kann er kaum beschreiben. „Das muss man selbst erleben.“

Das neue Album gibt es im Handel und über die Facebookseite der Band für rund 16 Euro auf CD. Die Vinyl-Version gibt es ab 22 Euro. Mehr Infos unter www.legion-of-doom.de.

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