NIEDERRHEIN. Am kommenden Dienstag, 20. April, startet die achte Staffel des TV-Formats „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ auf VOX. 2019 war Johannes Oerding als Künstler dabei, jetzt wechselt er in die Rolle des Gastgebers. Im NN-Interview berichtet der 39-jährige Wahl-Hamburger von dieser für ihn neuen Herausforderung, blickt auf die letzten, von der Corona-Pandemie beherrschten Monate zurück und verrät einige seiner Pläne für den bevorstehenden Sommer.

Seit einem Jahr bestimmt Corona unser Leben – wie erlebst Du die Situation in Hamburg?

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Johannes Oerding: Man merkt insbesondere jetzt, wo wir auch Ausgangssperren haben, dass hier ab 21 Uhr das Leben stillsteht. In einer Großstadt, wo normalerweise die Straßen voll sind und die Menschen in kleinen Grüppchen zusammenstehen, hat sich das Bild gewandelt. Um 21 Uhr ist hier Schicht im Schacht. Zumindest in meinem Umfeld gehen die Leute sehr behutsam damit um. Auch wir gucken, dass wir alle Treffen, Meetings oder andere berufliche Dinge vorher erledigen und nicht wie früher abends noch lange im Büro sind. Man merkt aber auch, dass wenn man tagsüber die Chance hat rauszugehen, die Orte wie Alster, Elbe und die ganzen Spazierwege rappelvoll sind, weil die Leute raus müssen und auch wollen.

Wie ist die Stimmung bei den Hamburgern?

Oerding: Der Missmut steigt mehr und mehr, weil man das Gefühl hat, es werden zu viele Fehler gemacht. Dass Fehler passieren können, ist klar. Es geht mehr darum, wie man damit umgeht: Lernt man daraus, lernt man nicht daraus? Ich habe das Gefühl, man lernt nicht daraus und ändert nicht die Strategie.

Wie stark beansprucht ist Dein Geduldsfaden mittlerweile?

Oerding: Mein Geduldsfaden reißt wahrscheinlich auch, wenn aufgrund dieser Fehler das ganze Jahr über nicht live gespielt werden kann. Wir passen uns ja schon sehr an. Wir haben zum Beispiel jetzt vor, viele kleine Lagerfeuerkonzerte zu spielen, wie sie im letzten Jahr gut funktioniert haben. Wenn mir jetzt jemand sagen würde, das geht nicht, dann hätte ich schon ein Problem damit, das zu akzeptieren.

Du rechnest also damit, noch 2021 auf einer Bühne stehen zu können?

Oerding: Ja, definitiv! Wir haben alles, was nicht realistisch ist, abgesagt. Zum Beispiel haben wir alle großen Open Airs ins nächste Jahr verschoben. Aber als Alternative möchte ich den Leuten natürlich etwas anbieten. Am Montag startet der Vorverkauf für viele schöne Lagerfeuer- und Strandkorbkonzerte – alle im Sommer und mit einer überschaubaren Anzahl von Leuten. Das macht die Lage wirtschaftlich nicht unbedingt besser, aber die Leute vergessen uns hoffentlich nicht.

Wie lange kann die Branche diese Situation noch aushalten?

Oerding: Die Branche bröckelt ja tagtäglich weg. Ich höre in meinem eigenen Umfeld die tragischsten Geschichten. Viele arbeiten gar nicht mehr in ihrem Beruf. Der eine ist Hausmeister auf Norderney, der andere hat einen Lieferdienst gegründet und wieder ein anderer baut jetzt Apfelkisten im Oldenburger Land. Kreativ war die Branche ja immer, da lässt sich jeder was einfallen und kommt sicherlich auch über die Runden. Aber darum geht’s nicht. Was macht das mit einem, wenn man seiner Leidenschaft nicht mehr nachgehen kann? Das ist es auch, was mich gerade stört. Ich habe zwar sehr viel zu tun und kann von morgens bis abends arbeiten, aber das sind eigentlich genau die fünf Prozent des Jobs, die mir keinen Spaß machen an meinem Beruf: im Studio sitzen, Podcasts und Videos aufnehmen, an Meetings teilnehmen. Dafür bin ich nicht angetreten. Angetreten bin ich zu 95 Prozent fürs Musikmachen und zwar aktiv. Schreiben, auf der Bühne stehen, Applaus.

Deine Tour zum Album „Konturen“ musste jetzt erneut verschoben werden – wie weit sind Eure Planungen für die Realisierung der Konzerte in 2022?

Oerding: Natürlich werden wir uns an die Regeln halten, die dann gelten. Das wird sicher noch eine große Diskussion werden, wie die Konzertveranstalter und wir als Musiker damit umgehen wollen. Regulieren wir das, indem wir Leute ausschließen oder nur bestimmte Leute reinlassen? Oder bleiben wir offen? Das steht noch in den Sternen, was aber auch damit zu tun hat, dass wir noch gar nicht wissen, ob ein Geimpfter vielleicht nach wie vor ansteckend sein kann. Ich bin ein großer Verfechter vom Impfen. Ich verstehe es einfach nicht, wenn Menschen sich nicht impfen lassen. Da bin ich rigoros und finde es auch asozial. Das ist nicht mein Verständnis von Solidarität.

Wie hast Du die unfreiwilllig gewonnene, viele freie Zeit im letzten Jahr genutzt?

Oerding: Ich habe zumindest im ersten Lockdown das Spazierengehen und Wandern für mich entdeckt. Die Situation zuhause kennen wir alle: Man fängt an aufzuräumen, dann baut man irgendwas, dann sortiert man Sachen, dann heftet man ab. Das ist aber alles ziemlich schnell erledigt. Dann hatte ich die Idee, mein Spanisch aufzufrischen, das habe ich nach zwei Wochen wieder abgeschafft. Irgendwann habe ich schließlich wieder angefangen zu arbeiten, habe Songs geschrieben, zum Beispiel ein ganzes Album für Peter Maffay. Ich habe an Inas (Ina Müller, Anm. d. Redaktion) Album mitgearbeitet und viele Feature-Songs gemacht, unter anderem mit Wincent Weiss.

Die Kochleidenschaft hat Dich aber nicht gepackt?

Oerding: Nein, auf keinen Fall. Die ist eher noch kleiner geworden. Ein ums andere Mal habe ich gemerkt: Diese Kunst ist nicht für mich bestimmt.

Trotzdem gehst Du zum zweiten Mal in die Sendung „Grill den Henssler“?

Oerding: Ja, da musste ich die Fahne hochhalten für die Sing- meinen-Song-Crew. Ich dachte, ich mache mal schön den Nachtisch, das werde ich nicht ganz so viel Stress bekommen. Ich kann nur soviel verraten: Weit gefehlt!

Ab dem 20. April können Dich Deine Fans bei der achten Staffel von „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ auf VOX erleben. Statt Teilnehmer bist Du jetzt Gastgeber. War das eine große Herausforderung für Dich?

Oerding: Ja, es war etwas komplett anderes als beim ersten Mal und ehrlich gesagt auch eine intensive Belastung. Man konnte sich jetzt nicht mehr so einfach auf die Couch fläzen, Bierchen trinken und einen Song singen. Auf einmal muss man da zwei, drei Stunden am Start sein, aufmerksam bleiben, die Gespräche lenken – das ist nicht ohne. Die Kunst, es dann noch so aussehen zu lassen als hätten wie einfach nur ein nettes Gespräch auf der Couch, war für mich die größte Herausforderung.

Bist Du mit Dir als Moderator zufrieden?

Oerding: Ich bin sehr zufrieden mit mir, auch wenn ich ansonsten oft sehr kritisch mit mir bin. Ich habe auch noch kein negatives Feedback bekommen. Aber die Leute sollen sich selbst überzeugen. Ich habe die erste Folge schon gesehen und muss sagen, das ist wirklich hochgradig unterhaltsam.

Tauschen mussten Johannes Oerding und seine Gäste in diesem Jahr die afrikanische Sonne gegen die deutsche Ostsee. Pandemiebedingt fanden die Dreharbeiten erstmals in Deutschland statt.
Fotos: TVNOW / Markus Hertrich

Coronabedingt konntet Ihr nicht wie in den Vorjahren in Südafrika drehen. Wo fanden die Dreharbeiten statt?

Oerding: Am Weissenhäuser Strand an der Ostsee. Da gibt es das Gut Weissenhaus, ein großes, altes Schloss mit viel Landschaft drumherum. Das ganze Gelände wurde für uns komplett abgeriegelt. Vorab mussten wir sechs Tage in Quarantäne, dann durften wir erst anreisen. Vor Ort wurden wir alle zwei Tage PCR-getestet und jeden Tag schnellgetestet. Und das mit 150 Leuten. Und wir hatten letztendlich auch keinen positiven Corona-Fall.

Die Musiker der neuen Staffel bilden wieder eine gute Mischung der unterschiedlichsten Genres. Wen kanntest Du schon vorher und wer hat Dich besonders überrascht?

Oerding: Persönlich kenne ich Stefanie Heinzmann schon sehr lange, bei ihr war ich mal Vorband und wir sind gut befreundet. Joris kenne ich von diversen Festivalbühnen und Gentleman auch sporadisch. Nura war mir gänzlich neu, die wollte ich aber auch unbedingt dabei haben. DJ BoBo war für mich die größte Überraschung, da hatte ich gar kein Bild, was da für ein Typ kommt. Man hat die Vorstellung eines schillernden Künstlers aus den Neunzigern, aber er ist wirklich ein ganz toller, bescheidener, bodenständiger, sensibler Mann, der uns alle zum Lachen gebracht hat. Die erste Folge ist über ihn und ich bin überzeugt, dass die Zuschauer begeistert sein werden.

In der Folge am 1. Juni werden Deine Songs von den teilnehmenden Künstlern interpretiert. Wusstest Du vor dem Dreh, welche Songs Dir präsentiert werden?

Oerding: Ich wusste es nicht und habe es mir auch nicht sagen lassen, weil das ist für mich eigentlich der schönste Effekt bei der Sendung ist. Man weiß nicht, wer welchen Song ausgesucht hat und ist von der Wahl oft sehr überrascht.

Zu jedem Teilnehmer der Sendung wird eine Story gedreht – für welche Drehorte hast Du Dich entschieden?

Oerding: Es wird alle Nieder­rheiner freuen – ich bin natürlich in die Heimat zurückgekehrt. In Düsseldorf gab es für mich eine kleine Überraschung mit alten Wegbegleitern. Das gleiche passierte dann in Geldern, da konnte ich mit einem alten Weggefährten in der Gaststätte Manten chillen. Und ich war mit meinem Bruder in meiner alten Schule, dem Friedrich-Spee-Gymnasium unterwegs.

Wie sehen Deine Pläne für die nächsten Monate aus?

Oerding: Wenn es die Zeit zulässt, würde ich gerne bald mal wieder für mich schreiben und meinen eigenen Film fahren. Auch wenn die Konturen-Tour bislang noch nicht gespielt ist, möchte ich irgendwann auch wieder neue Musik auf den Markt bringen. Die Pause ist schon ganz schön lang. Bis dahin sind für den Sommer einige schöne Geschichten geplant, eine mit Wincent Weiß, mehr verrate ich noch nicht. Aber es wird in den nächsten Wochen immer mal wieder neue Musik von mir geben, immer in Verbindung mit anderen Künstlern.

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