GELDERN. Der 25-jährige Lars Rother steckt aktuell mitten in seiner Ausbildung zum Priester. Am Sonntag, 18. April, erreicht der gebürtige Gelderner den nächsten Meilenstein: die Diakonweihe. Am Pfingstwochenende 2022 folgt dann die Priesterweihe. Im NN-Interview mit Volontär Thomas Langer spricht Rother über seinen Weg, seine Aufgaben und Zweifel im Laufe der Zeit.

Herr Rother, wie ich hörte, soll es gar nicht mehr so viele Priesterkandidaten geben. Sind es so wenige, dass man schon von einem Mangel sprechen kann?

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Rother: Es ist schon ein Mangel. Ich denke, das ist ein Phänomen, das ein Stück weit mit dem Rückgang der Gläubigen zu tun hat, aber auch mit den Skandalen: Bin ich bereit, angesichts von Missbrauchs- und Finanzskandalen mich dafür in den Dienst nehmen zu lassen? Es ist für junge Leute eine ernste Frage, ein Leben lang für eine Institution zu arbeiten, von der man nicht weiß, wie es dort in zehn Jahren aussieht.

Denken Sie, die Skandale sind der Hauptgrund, oder woran könnte der Rückgang an Kandidaten und Gläubigen noch liegen?

Rother: Ich glaube, es ist ein Zwischenspiel aus vielen Faktoren. Einerseits erreicht die christliche Botschaft viele Menschen nicht mehr, viele wollen sie auch nicht mehr, das ist einfach eine freie Entscheidung. Die Skandale verschärfen diese Dinge dann noch. Manche Leute treten vielleicht auch aufgrund der Kirchensteuer aus.

“Ich wuchs in die Sache hinein, und damit der Gedanke, dass es das Richtige ist.”

Wann haben Sie sich für den Weg eines Geistlichen entschieden und warum so?

Rother: Ich war immer schon katholisch sozialisiert. Erstkommunion und Firmung, das war irgendwie eine Selbstverständlichkeit; Messe dienen, aber auch alles was daran hängt, sprich Sommerlager, Aktionen, Gruppenstunden: Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zur Kirche.

Dann habe ich in meiner Jugend viel Musik gemacht. Irgendwann sagte mein Klavierlehrer: Hast du nicht Lust, Orgel zu lernen? Das habe ich getan und mit 13, 14 Jahren regelmäßig Orgelvertretungen übernommen. Irgendwann kam es dann, dass ich einen Kirchenmusik-Schein gemacht habe. Dabei erfuhr ich immer mehr über die Hintergründe und verstand, worum es überhaupt geht.

Mit 18 Jahren kam dann der Gedanke: Warum nicht Priester werden? Ich habe ihn schnell wieder fallenlassen, wollte zunächst auch gerne Kinder, eine Frau, vielleicht ein Auto und ein schickes Haus mit großem Garten. (lacht) Da war die Vorstellung noch eine etwas andere. Aber irgendwann kam der Gedanke wieder. Damals habe ich mit Pfarrer Dördelmann in Geldern ein Gespräch geführt und am Ende gesagt: Ich probiere es mal. Es begann dann mit dem Propädeutikum im Priesterseminar und ich wuchs in die Sache hinein, und damit der Gedanke, dass es das Richtige ist. Es war einfach eine schöne Zeit.

Seitdem Sie diesen Weg eingeschlagen haben: Gab es irgendwann auch einmal Zweifel an Ihrer Entscheidung, große oder kleine?

Rother: Natürlich! (lacht) Es gab sowohl große als auch kleine Zweifel. Ich glaube, es gehört im Leben eines jeden Christen dazu, dass irgendwann der Moment kommt, in dem man fragt: Ist das alles überhaupt wahr, was wir hier glauben und machen? Das geht bis hin zur Frage: Wo bist du, Gott? Die Zweifel sind da und gehören dazu. Und gerade im Ringen mit diesen Zweifeln, da entsteht immer wieder eine neue, größere Gewissheit, die aber vielleicht zwei Jahre später wieder nicht gewiss genug ist, sodass man den nächsten Zweifel bekommt. Ich glaube, das ist eine Eigenschaft des Glaubens an sich und das lässt unser Glaube auch zu. Schon die Bibel berichtet uns, dass Zweifeln an Gott eine zutiefst menschliche Sache ist.

Wie haben Sie die Zweifel am Ende überwinden können?

Rother: Ich glaube, indem ich den Kontakt zu Gott nie abgebrochen habe. Ich habe ihn immer wieder gesucht. Ich denke, dass Gott auch helfen kann, die Zweifel zu überwinden, auch wenn er selbst wahrscheinlich noch viel mehr machen könnte. Aber ich denke auch, er lässt uns manchmal diese Wege gehen, damit wir uns selbst weiter bewusst sind, dass das, was wir tun und glauben, eine freie Entscheidung bleibt.

Im Rahmen der Ausbildung steht ja bald die Diakonweihe an, ehe Pfingsten 2022 die Priesterweihe folgt. Wie wird denn ihr Alltag nach der ersten Weihe bis 2022 aussehen?

Rother: Ich habe jetzt ein Praxisjahr in Sendenhorst hinter mir. Da war ich vor allem für Jugendgruppen zuständig, habe aber auch Predigtdienste übernommen und an einer Realschule unterrichtet. Nach der Diakonweihe kommen zusätzliche Aufgaben in Sendenhorst hinzu. Klassische Aufgaben eines Diakons sind die Taufe, kirchliche Trauungen, Begräbnisse und Wortgottesdienste. Ansonsten bleibt das Aufgabenprofil das Gleiche. Der Unterschied sind die Sakramente, die ich jetzt spenden darf, als Helfer der Priester vor Ort.

Sind Sie denn angesichts der Weihe und der kommenden Aufgaben schon etwas nervös?

Rother: Es beginnt so langsam. Es ist ja auch der entscheidende Punkt von den beiden Weihen, selbst wenn das Ziel die Priesterweihe ist. Die lebensrelevanten Entscheidungen, sprich: das Leben in Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit, das verspreche ich jetzt bei der Diakonweihe. Man könnte flapsig sagen, da ist der Drops gelutscht.

Was wird sich denn nach der Priesterweihe ab 2022 für Sie ändern?

Rother: Danach ändert sich insofern, dass ich, was die Sakramente angeht, noch die Beichte abnehmen, die Messe feiern und die Krankensalbung spenden darf. Und ich bekomme für vier Jahre eine neue Stelle. Ich bin dann kein Diakon mehr, sondern ein Kaplan, ein Priester. Da werde ich lernen, wie ein Pfarrer arbeitet. Auch die verwaltungstechnischen Sachen spielen eine große Rolle. Da verdichtet sich unser Glaube noch einmal ganz radikal. Insofern erweitert sich das Spektrum.

Nach der Priesterweihe gilt die Ausbildung offiziell als beendet?

Rother: Jein. Oder sagen wir lieber Nein. (lacht) Der Leiter des Priesterseminars ist für mich auch der Ansprechpartner in der Personalabteilung und die Ausbildung ist insofern noch nicht beendet, als dass das Pfarrexamen am Ende der ersten Kaplanstelle abgeschlossen wird. Erst dann ist man richtiger Pfarrer oder Pastor. Priester sind sie alle, auch der Bischof. Aber in ihren Aufgaben und Diensten sind sie noch zu unterscheiden.

Nun ist ja die Ausbildung irgendwann beendet: Haben Sie denn jetzt schon Ziele, die Sie darüber hinaus erreichen möchten? Bischof werden, vielleicht?

Rother: (lacht) Ich glaube, wer das als Ziel hat, ist in unserem Beruf falsch. Der innere Antrieb muss ja sein, Gott und den Menschen dienen zu wollen. Das klingt zwar total pathetisch und vielleicht auch geistig überhöht, aber das ist es im Kern. Wo und wie das nachher passiert, wo mein Bischof meint, mich hinzuschicken, das weiß ich nicht und muss es gar nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass eine gute Stelle für mich gefunden wird. Ob das nachher Gefängnispfarrer, Gemeindepastor oder Bischofskaplan ist, das ist mir ganz egal. Denn es kommt immer darauf an, die Haltung im Blick zu haben, den Menschen und Gott dienen zu wollen. Und das kann ich im Zweifelsfall auch in einer Fabrik als Arbeiterpriester.

Aber gibt es denn noch irgendetwas, das sie sich trotzdem für die Zukunft wünschen?

Rother: Eventuell würde ich noch gerne etwas in Richtung Musik machen, das ist eine alte Leidenschaft von mir, von der ich glaube, sie gut verbinden zu können mit meiner Berufung. Das kann ich mir wünschen und in einem Gespräch einbringen, aber der Bischof entscheidet es letztlich. Aber ganz ehrlich: Ich bin auch nicht traurig, wenn es nicht geht. Ich weiß, der Bischof wird mich dahin schicken, wo ich hinmuss.

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