Schön, dass du dabei bist!

GOCH. Mittwoch, 3. Februar, 11 Uhr, T minus 26 Stunden. Frank Günzel, Leiter des „Haus am Heiligenweg“, hat soeben die Nachricht bekommen: Morgen zwischen 10 und 15 Uhr wird geliefert …
Es geht um 144 Dosen Corona-Impfstoff (BioNTech). „Sowohl bei unseren Bewohnern als auch beim Personal haben wir damit eine Impfdichte von 92 Prozent erreicht“, erklärt Günzel. Ende Januar fehlten in Sachen Impfung im Kreis Kleve noch circa 13 Einrichtungen für die Erstimpfung. Günzel: „Wir hatten ursprünglich einen früheren Termin“, aber Mitte Januar gab es die Nachricht: „Impftermin geplatzt.“ Günzel könnte stundenlang von Irrungen und Wirrungen berichten, „aber damit ist ja auch niemandem geholfen. Wir impfen morgen. Das ist alles, was jetzt zählt.“ Die Vorbereitungen laufen und so viel ist sicher: Es gibt einiges zu tun. Im Keller des „Haus am Heiligenweg“ ist in den letzten Tagen eine „Impfstraße“ entstanden. Erstes Ziel: Kein Begegnungsverkehr zwischen Geimpften und noch nicht Geimpften. „Morgen gegen 13 Uhr wird einer unserer Kooperationsärzte hier sein – dazu kommen vier Ärzte vom Impfzentrum Kalkar plus zwei weitere Kräfte, die nur dafür zuständig sein werden, den Impfstoff vorzubereiten.“ Das klingt einfacher als es ist. Wenn der Transporter mit dem Impfstoff eintrifft, ist Günzel der einzige, der die Lieferung entgegen nehmen darf und ab eben diesem Punkt die Verantwortung übernimmt. „Man hat uns gesagt, dass die Lieferung in der Regel bis 12 Uhr eingetroffen ist.“ Was nicht schaden würde, denn die Impf-Aktion, die alles in allem drei bis vier Stunden dauern wird, soll möglichst um 13 Uhr beginnen.
Nachdem Günzel die Lieferung angenommen hat, werden die 144 Dosen des Impfstoffs in einen Raum im Keller gebracht. Günzel: „Da steht ein temperaturüberwachter Kühlschrank.“ Eigens für die Aktion wurde – Sicherheit muss – ein zweiter Kühlschrank angeschafft.

Der Impfstoff muss vor der Verabreichung vorbereitet werden. NN-Foto: HF

Günzel zeigt die Abläufe in der Impfstraße. „Das hier ist der Raum, in dem zwei Mitarbeiter morgen nichts anderes tun werden als den Impfstoff vorzubereiten. Man spricht dabei von Rekonstitution.“ Schaut man im Internet unter dem Stichwort „Impfstoff, Rekonstitution“ nach, findet sich auf „www.ptaheute.de“ folgender Hinweis:
Wohl alle Impfstoffe gegen COVID-19 werden zumindest in der Anfangsphase als Mehrdosen-Ampullen mit jeweils fünf bis zehn Impfdosen ausgeliefert. Vor der eigentlichen Impfung müssen die Vakzine daher applikationsbereit gemacht werden. Welche Handgriffe dabei durchgeführt werden müssen, hängt vom jeweiligen Präparat ab. Und: Unter der Rekonstitution eines Arzneimittels versteht man die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor der Applikation. Die Corona-Impfstoffe müssen direkt vor ihrer Verabreichung entsprechend rekonstituiert werden. Täglich müssen also neue Impfstoffdosen bereitgestellt werden.
Der in Goch zum Einsatz kommende Biontech-Impfstoff muss beispielsweise mit einer sterilen Kochsalzlösung verdünnt werden. Nach erfolgter Rekonstitution gilt für den Impfstoff: Besser nicht schütteln. Günzel: „Wir haben bei uns im Haus auch Bewohner, die nicht mobil sind. Die werden dann von einem Arzt in ihren Zimmern aufgesucht und dort geimpft.“ Der Rollwagen, mit dem das mobile Impfteam im Haus unterwegs ist, sollte möglichst ruckelfrei von A nach B kommen. Günzel: „Ich denke mal, dass die Erschütterungsempfindlichkeit tatsächlich erst nach dem Anmischen eintritt, denn sonst dürfte der Transport zu den Einrichtungen ein fast unlösbares Problem darstellen.“
Muss man eigentlich vor der Impfung nüchtern bleiben? Günzel: „Das ist nicht erforderlich. Wir werden morgen wie immer unser Mittagsmenu anbieten.“ In der Impfstraße wird für alle, die es hinter sich haben, noch ein Snack angeboten. Schnittchen, Kaffee, Schokolade. Günzel: „Es kann ja sein, dass jemand vor der Impfung einen nervösen Magen bekommt und nichts isst. Da sorgen wir dann natürlich für eine Stärkung.“ Entlang der Impfstraße: Hinweisschilder. Wer den Pieks hinter sich hat, kommt zunächst in einen Warteraum. „Hier werden alle Geimpften circa eine halbe Stunde lang beobachtet“, erklärt Günzel.
Lässt der Chef sich impfen? „Hätten Sie mich das vor vier Wochen gefragt, hätte ich ‚nein‘ gesagt. Mittlerweile, nachdem ich mich umfänglich informiert habe, bin ich dabei.“ Beunruhigend seien für ihn Berichte gewesen, denen zufolge Impfstoffe die Gene manipulierten. „Diese Bedenken sind für mich absolut ausgeräumt. Anfangs war ich zudem wegen des Entwicklungstempos und des ziemlich kurzen Zulassungsverfahrens eher irritiert. So etwas dauert ja sonst wesentlich länger. Mittlerweile habe ich meine Bedenken überwunden, nachdem ich mich eingehend informiert habe. Offen ist ja lediglich noch die Frage, wie lange die Wirkung der Impfung anhält.“
Mittlerweile steht fest: Sowohl Günzel als auch seine Frau Britta werden sich impfen lassen.
Wie sieht es eigentlich mit dem berühmten „Papierkram“ im Vorfeld der Impfung aus? Günzel: „Das wollen sie nicht wirklich wissen. Aber so viel ist es sicher: Da ist für uns sehr, sehr viel zu tun. Anfangs hat es da auch an vielen Stellen gehakt, aber seit Mitte Januar der Kreis Kleve die Organisation übernommen hat, läuft alles reibungslos. Wir haben einen festen Ansprechpartner für alles, was mit der Impfung zu tun hat. Wenn ich da anrufe und nicht durchkomme, werde ich in der Regel innerhalb einer Stunde zurückgerufen. Das klappt wirklich hervorragend.“
Was die Einverständniserklärungen derer angeht, die sich impfen lassen, gilt Gründlichkeit. „Das wird alles überprüft – auch am Tag der Impfung noch einmal.“ In Günzels Büro: eine Leitz-Ordner-Sammlung. Alles rund ums Impfen steht da zu Buche. Zweifache Ausfertigung.
„Wenn morgen die Lieferung beizeiten eintrifft, gehe ich davon aus, dass wir spätestens gegen 17 Uhr alles überstanden haben“, sagt Günzel – hält einen Moment inne und fügt hinzu: „Aber es gibt ja noch die zweite Impfung in vier Wochen.“ Für die ist übrigens garantiert, dass es der gleiche Impfstoff ist wie bei der Erst-Impfung. Derzeit wird im Kreis ausschließlich BioNTech verimpft – aber der kommenden Woche, so die Auskunft für Günzel, steht dann auch AstraZeneca zur Verfügung.

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Fritz Reintjes, Heimbeiratsvorsitzender, bekommt die Impfung. Er ist der Erste im Haus am Heiligenweg. NN-Foto: HF

Donnerstag, 4. Februar, 13.20 Uhr – T plus 20. Vor Einlass bitte den Schnelltest absolvieren. das gilt natürlich auch für Berichterstatter. Ergebnis: netgativ. Zulassung zum Betreten der Impfstraße. Frank Günzel wuselt durch die Räume: Begrüßung des Impfteams. Letzte Fragen klären. Um 13.35: die erste Impfung des Tages. Es erscheint: Fritz Reintjes. seines Zeichens Heimbeiratsvorsitzender. Nein, mit der Impfung hat Fritz kein Problem. Und ein Foto? „Klar doch.“ Fritz betritt den Impfraum. Ein letzter Abgleich findet statt. Ein Arzt des Teams stellt noch Fragen, erklärt, was passieren wird. Drei Minuten später sitzt Fritz auf dem Stuhl. Er trägt T-Shirt. Ärmel hochkrämpeln nicht notwendig. Die Impfung: eine Sekundensache. Fritz bekommt noch ein Pflaster. Danach geht es für ihn in einen anderen Raum. 30 Minuten soll er warten: Beobachtungszeit. Auf einem Tisch im Flur: belegte Brötchenhälften, Saft, Kaffee. So lässt es sich aushalten. Frank Günzel schätzt, dass spätestens gegen 17.30 Uhr alles gelaufen sein wird. Im Impfraum ein Poster. Die Aufschrift: Schön, dass du dabei bist.Heiner Frost

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