NIEDERRHEIN. Viele Menschen scheuen automatisch den Kontakt zu anderen, die kürzlich jemand Wichtiges verloren haben. Das ist nicht verwunderlich, denn man weiß nie, was einen selbst im Gespräch erwartet oder wie man überhaupt reagieren soll, denn etwas Falsches sagen möchte man nicht. Solche Sorgen kennt Georg Raeth von Bestattungen Raeth aus Geldern-Pont nach über zwei Jahrzehnten Berufserfahrungen nur zu gut. Trotzdem sei es wichtig, Freunden und Bekannten nicht aus dem Weg zu gehen. „Die Trauernden mögen es gar nicht, wenn bekannte Leute die Straßenseite wechseln, weil sie Angst vor der Konfrontation haben. Die meisten möchten angesprochen werden“, sagt er und ergänzt: „Man muss jeden Trauerfall und jede Person individuell betrachten und entsprechend entscheiden.“

Es kann zu unterschiedlichen Situationen kommen: Man könnte einem Bekannten oder Freund auf der Straße begegnen, ihn ansprechen und erfahren, dass eine ihm nahestehende Person verstorben ist. So etwas schocke einen oft selbst zunächst, wie Raeth sagt. „Die richtigen Worte zu finden ist schwer.“ Aber Anteil nehmen sollte man.

-Anzeige-

Nur, was sagt man dann? Schließlich gibt es kaum Zeit zum Nachdenken: Oft fallen Floskeln, vielleicht gefolgt von betretenem Schweigen. Zwar haben Floskeln keinen guten Ruf, aber auch Raeth würde zunächst sein Beileid bekunden. Dabei würde er es jedoch keinesfalls belassen, sondern sich nach den Umständen erkundigen. Denn diese, etwa das Alter, eine mögliche Erkrankung oder ob sich die Beteiligten darauf vorbereiten konnten, würden mehr über den bereits für sich genommen schlimmen Todesfalls verraten, bei der Einordnung der Schwere helfen und damit wiederum, die richtigen Worte und den korrekten Umgang zu finden. Auch eine Umarmung könne je nach Beziehung guttun, wenn Corona das nicht verhindere.

So ein Vorgehen zeigt die Anteilnahme umso mehr – das Gegenteil zum Aus-dem-Weg-Gehen, dem einige instinktiv folgen, sofern sie schon etwas vom Vorfall wissen.

Vorsicht vor Hörensagen

Eine andere Situation ist es, durch Dritte von einem Todesfall zu hören. Hier hält der erfahrene Bestatter eine gewisse Wartezeit für geboten, ehe man sich – auf welche Art auch immer – meldet. Er weiß, dass oft eine gewisse Neugier vorherrsche, aber es bestehe auch die Gefahr eines falschen Gerüchts. Überhaupt, findet er, sollte man abwarten, wie die Familie der verstorbenen Person vorgeht. Oft erfahre man zum Beispiel über Anzeigen, dass die Beisetzung nur im kleinen Kreis geplant ist. Ein Anruf sei nur im Falle einer engen Bindung ratsam.

Möchte man eine Beileidskarte verschicken, empfiehlt Raeth, zwei oder drei persönliche Sätze dazuzuschreiben, die die eigene Beziehung zum Verstorbenen widerspiegeln und so von echter Anteilnahme zeugen. Nur solle man den Inhalt nicht zu sehr auf den eigenen Glauben zuschneiden, wenn man nicht wisse, dass es auf der Gegenseite ebenso empfunden wird. Auch Hilfe könne man in der Karte anbieten, wie ein offenes Ohr, falls es gewünscht sei.
Wie Raeth erzählt, würden Menschen nicht selten schon aus Pflichtgefühl ihr Beileid bekunden. Darauf, in mit Sprüchen auf der Vorderseite versehenen Karten nur die Namen zu schreiben, sollte man laut ihm lieber verzichten. Auch Sprüche aus dem Internet sieht er eher kritisch, denn dass diese dort abgeschrieben wurden, sei dem oft anzumerken.

Die Zeit danach

Auch in der folgenden Zeit ist es wichtig, den Kontakt zu halten, damit die Trauernden die Verbindung zum Leben halten und in kein tiefes Loch fallen. Raeth betont, an den üblichen Ritualen festzuhalten. Das kann schon die übliche und regelmäßige gemeinsame Tasse Kaffee oder das Bier in der Bar sein. „Rituale darf man nicht verändern. Nichts brauchen die Menschen mehr.“ Außerdem empfiehlt er, es bei zufälligen Treffen nicht nur beim Hallo zu belassen, sondern sich zu erkundigen, wie es geht.

„Betroffene sagen in der Regel, was sie wollen“, erläutert Raeth. Auch wenn man daher niemanden zur Geselligkeit zwingen sollte, der alleine sein möchte, empfiehlt er dennoch, unter Umständen der trauernden Person gegenüber etwas auffordernder zu sein und sie auf eine Unternehmung mitzunehmen. „Ich höre oft, dass die Menschen dankbar dafür sind.“
Dasselbe gilt auch für Gespräche. Auch wenn viele Menschen vertiefte Gespräche scheuen würden, denkt Raeth: „Wer gut zuhören kann, sollte seine Fähigkeit auch nutzen.“

Hilfe anbieten oder erfragen

Auch direkte Hilfe kann, wo sie gebraucht wird, von großem Wert sein. Das kann in der Zeit um den Todesfall sein, etwa wenn es um die Gestaltung der Trauerkarten oder das Trauergespräch mit dem Pfarrer geht. Auch später im Alltag könnten sich laut Raeth Situationen ergeben, etwa wenn eine Witwe alleine mit der Pflege des großen Gartens sei oder der Witwer keine Ahnung von der Buchhaltung habe, die seine Frau immer erledigte.

Vorheriger Artikel„Wir bringen unsere Stärken ein“
Nächster Artikel37 weitere Coronafälle im Kreis Kleve gemeldet