Ossyra: „Die Kurzarbeit hat uns gerettet“

Die Arbeitslosenquote ist zwar 2020 gestiegen, der Zuwachs war aber gering

KREIS WESEL/KLEVE. In den vergangenen Jahren ist die Arbeitslosenquote in den Kreisen Wesel und Kleve stetig gesunken. Die Coronavirus-Pandemie, die seit März 2020 auch den Niederrhein fest im Griff hat, hat diesen Trend (vorerst) gestoppt – wenn auch nicht so drastisch wie zunächst befürchtet. „Das Angebot der Bundesregierung mit der Kurzarbeit hat uns gerettet“, sagte Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit im Regierungsbezirk Wesel, bei der Jahrespressekonferenz per Videoschalte.

Agentur für Arbeit
Die Arbeitslosenquote im Regierungsbezirk Wesel im Jahresdurchschnitt zeigt, dass 2020 erstmalig wieder ein Anstieg der Arbeitslosenquote erfolgt ist. Grafik: Agentur für Arbeit

Die Arbeitslosenquote ist im Kreis Wesel von 5,9 (2019) im vergangenen Jahr auf 6,6 gestiegen. 16.099 Menschen waren demnach 2020 im Jahresdurchschnitt arbeitslos gemeldet (2019: 14.511). Im Kreis Kleve stieg die Arbeitslosenquote von 5,2 (2019) auf 5,5 im Vergleich zum Nachbarkreis geringer. Insgesamt waren im Kreis Kleve 2020 durchschnittlich 9.145 Menschen arbeitslos gemeldet (2019: 8592). „2020 war für uns alle ein besonderes Jahr, mit dem zu Beginn des Jahres so nicht zu rechnen war. Der Arbeitsmarkt ist durch die Pandemie unter Druck geraten. Allerdings ist er dank der Kurzarbeitergelder nicht zusammengebrochen“, lautete Ossyras Fazit.

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Historische Nachfrage nach Kurzarbeit

Noch nie nahmen Arbeitgeber das Angebot der Kurzarbeit so stark in Anspruch wie 2020. „Selbst die Zahlen von 2009 (durch die globale Weltwirtschaftskrise ab 2007 sank 2009 das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent; Anm. d. Red.) sind damit nicht vergleichbar“, sagte Sabine Hanzen-Paprotta, Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit im Regierungsbezirk Wesel. Eine derart hohe Anmeldewelle wie im April 2020 habe es demnach in der Geschichte der Bundesrepublik vorher nicht gegeben: Im Kreis Wesel zeigten im April 2594 Unternehmen eine mögliche Kurzarbeit an; im Kreis Kleve waren es 1879. In Anspruch genommen haben sie für den April letztlich 2887 Unternehmen im Kreis Wesel und 1965 Unternehmen im Kreis Kleve. Damit wurden allein im April 2020 im Kreis Wesel 20.187 Arbeitnehmer und im Kreis Kleve 14.984 Beschäftigte zu Kurzarbeitern. „Damit ist jeder siebte Arbeitnehmer in unserem Agenturbezirk in Kurzarbeit gewesen. Das ist sehr, sehr viel“, sagte Ossyra. Besonders habe dies die Branchen Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistungen wie Friseure und die verarbeitende Metall- und Elektroindustrie betroffen.

In den Sommermonaten blieben diese Zahlen zwar immer noch vergleichsweise hoch, sie sanken aber dennoch stetig. „Im zweiten Halbzeit hatte sich der Arbeitsmarkt erholt“, sagte Ossyra. Im November – mit Beginn des zweiten Lockdowns –  gingen bei der Agentur für Arbeit jedoch wieder mehr Anträge von Unternehmen für Kurzarbeit ein. Die Auswirkungen der Pandemie zeigen sich auch bei einem Blick auf die gemeldeten freien Stellen: Im Kreis Wesel wurden mit insgesamt 7544 freien Stellen 5269 weniger Stellen (-41,1 Prozent) gemeldet als im Jahr zuvor. Im Kreis Kleve wurden insgesamt 4478 neue Stellen gemeldet. Das waren 1420 weniger als 2019 (-24,1 Prozent). „Wir haben einen kräftigen Einbruch erlebt”, sagte Kevin Hebink, Arbeitsvermittler im gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Bundesagentur für Arbeit im Regierungsbezirk Wesel.

Hoher Beratungsbedarf

Seit Beginn der Pandemie stieg bei der Agentur für Arbeit auch die Arbeitsbelastung. „Der Beratungsbedarf hat enorm zugenommen”, sagte Hebink. In der Spitze hätten 120 Mitarbeiter am Telefon wöchentlich bis zu 1900 Anrufe entgegengenommen. Dazu habe sich die Agentur für Arbeit neu ausrichten müssen. So hätten Mitarbeiter aus anderen Bereichen ihre Kollegen im Operation Service und im Servicecenter unterstützt. Zudem wurde nahezu der gesamte Betrieb online geregelt; Mitarbeiter arbeiteten zudem aus dem HomeOffice heraus. Um den elektronischen Service auszuweiten, entwickelten IT-Spezialisten überdies in kurzer Zeit zusätzliche Apps, mit denen unter anderem die Kurzarbeit beantragt werden konnte. Mit dem „Selfie-Ident-Verfahren“ können sich Bürger jetzt sogar digital arbeitslos melden und sich mit ihrem Ausweis per Smartphone verifizieren. Dieses Angebot ist erstmal bis zum 21. März dieses Jahres begrenzt. „Wir hoffen aber, dass es vom Gesetzgeber auch darüber hinaus unterstützt wird“, sagte Ossyra.

Qualifikationen lohnen sich

Die Pandemie habe außerdem gezeigt, dass die Nachfrage nach Fachkräften weiterhin hoch ist und berufliche Qualifikationen wichtig sind. „Arbeitnehmer mit geringeren Qualifikationen wurden schneller entlassen als Fachkräfte“, sagte Ossyra. Für 2021 sieht die Leiterin der Arbeitsagentur weiterhin einen Schwerpunkt in der fachlichen Qualifizierung von Arbeitssuchenden und Beschäftigten – auch während der Kurzarbeit. Hier sollten sich Arbeitgeber in Zukunft stärker bewegen und Weiterbildungen ermöglichen. Auch das Bespielen von sozialen Medien sei in Zukunft für Unternehmen noch wichtiger.

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