NIEDERRHEIN. Der Gel­derner Künstler Peter Busch hat ihm einmal eine Zeichnung geschenkt und ihn in der Widmung einen „Menschensammler“ genannt. Das trifft es genau, denn Sascha Junghenns Geschichten über die Niers sind auch immer die Geschichten der Menschen, die an ihren Ufern lebten und leben.

„Die Niers ist mein Fluss geworden“, erzählt Junghenn, der in Goch zuhause ist, „ich habe eine emotionale Bindung aufgebaut.“ Man spürt es in seiner Beschreibung: „Der Fluss klingt immer anders, je nach Wetter, Strömung oder Freizeitaufkommen; die Niers kann sehr leise, aber auch aufbrausend sein.“

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Gemeinsamer Weg

2015 hat dieser gemeinsame Weg begonnen, damals wurde Sascha Junghenn krankheitsbedingt voll erwerbsgemindert: „Ich brauchte einfach einen seelischen Ausgleich.“ Angeregt durch seine ehrenamtliche Arbeit im Heimatverein Goch und hier im Arbeitskreis „An Niers und Kendel“, hatte er die Idee, nach Filmen über die Niers zu suchen. „Ich fand aber bloß Privatvideos und habe dann mit großer Nai­vität gedacht, dann mache ich eben selber einen Film“, erinnert er sich.

Liebevoll gestaltete Spielszenen greifen interessante, historische Begebenheiten auf.

Nie hätte Sascha Junghenn geahnt, welche Ausmaße sein komplett eigenfinanziertes Projekt im Laufe der Jahre annehmen sollte. „Ich bin mit meiner Privatausrüstung losgezogen und habe versucht, Berührungspunkte zur Niers zu finden; Verborgenes, Berührendes und Spannendes sichtbar zu machen.“ Denn „nur“ Naturaufnahmen sollten es nicht werden. Dabei ist er akribisch vorgegangen, hat in Stadtarchiven nach interessanten Begebenheiten gesucht, Recherchen betrieben, viele Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen, Bürgermeister interviewt und sich um Drehgenehmigungen, zum Beispiel für Drohnenaufnahmen, gekümmert. So gesehen war das Projekt eine logistische Meisterleistung, denn Sascha Junghenn hat das alles mit Bus und Bahn bewältigt: „Für fünf Minuten Interview war ich teilweise stundenlang unterwegs.“ Auch den Schnitt des Filmmaterials am PC hat er selbst vorgenommen, es mit Musik unterlegt, dazu noch Animationen und Infografiken erstellt.

Erforscht hat Sascha Junghenn die Niers chronologisch; seine Geschichtensuche beginnt am Unterlauf, dort wo die Niers bei Wachtendonk in den Kreis Kleve eintritt. Die filmische Reise geht weiter nach Straelen, Gel­dern, Weeze, Kevealer, Goch und Gennep, wo die Niers schließlich in die Maas mündet. So viel Material hat er zusammengetragen, dass daraus im Laufe der Jahre nicht nur ein einziger Film geworden ist. Teil eins (81 Minuten) und zwei (89 Minuten) waren bereits im Gocher Goli Theater zu sehen; die Premiere von Teil drei wurde wie so vieles in 2020 von Corona ausgebremst. Sobald die Pandemie-Lage es wieder zulässt, soll der dritte Teil gezeigt werden. Auf dem Youtube-Kanal von Sascha Junghenn gibt es die Trailer, die neugierig auf die Filme machen.

Viele historische Begebenheiten hat Junghenn mit Freunden und Bekannten so authentisch wie möglich nachgestellt, etwa den Niersjunker-Mord in Keve­laer von 1611, den Untergang des Hauses Pellandt in Wachtendonk in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts oder den Erlass der revidierten Niers-Gesetzgebung von 1769 durch Friedrich II., welche die Nutzung der Wasserkraft am Fluss regeln sollte. Selbstredend, dass hierfür stets die passenden Kostüme zum Einsatz kamen. Für die Spieleinlage zur Gocher Legende „Der Teufel an der Niers“ wurde die Maske eigens in England bestellt.

Der dritte Teil von „Leben an der Niers“ konzentriert sich auf Gocher Themen, unter anderem führt ein Rundgang um die alte Gocher Stadtmauer, die Niers-Badeanstalt von früher wird wieder „lebendig“, und geklärt wird die Frage, warum es „die“ Niers heißt. Aktuelle Aspekte hat Sascha Junghenn ebenfalls aufgegriffen. So verfasste Margarete Dyko­wicz ihre Doktorarbeit über den Biber, der sich mittlerweile an der Niers angesiedelt hat und sie erklärt ihre Arbeit. Dr. Barbara Hendricks, die ehemalige Bundes-Umweltminis­terin, berichtet von Natur- und Umweltschutzmaßnahmen rund um die Niers, deren natürliche Quellen durch den Braunkohletagebau Garzweiler versiegt sind. Gespeist wird der Fluss inzwischen von Wassereinleitungen aus dem Tagebau.

Die Mündung der Niers bei Gennep.

Entstanden ist so ein abwechslungsreicher Bilderbogen, dessen viele Details den Reiz der Filme ausmachen.„Das Projekt ist nicht professionell, aber mit Leidenschaft umgesetzt worden, es soll auch kein touristischer Film sein und auch keine touris­tische Funktion übernehmen, sondern einen emotionalen und sensibilisierten Zugang verschaffen zur Niers, dem Fluss an und mit dem man im Kreis Kleve lebt. Den Menschen, die an der Niers leben, möchte ich ihren Fluss nach Hause bringen und sie dazu motivieren, ihn bewusster wahrzunehmen“, beschreibt Sascha Junghenn das, was ihn seit 2015 antreibt. Und ein kleines bisschen stolz ist er dann schon darauf, wenn er bei seinen Erkundungstouren als „Niers-Ranger“ angesprochen wird.

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