NIEUKERK. 20 Jahre lang nutzte der Historische Verein für Geldern und Umgegend das Haus Lawaczeck in Nieukerk als kulturelles Zentrum im Südkreis Kleve. Zum Jahresende 2020 lief der Pachtvertrag aus.

Im Jahre 1859 ließ der Nieukerker Bürgermeister Pohl das spätklassizistische Bürgerhaus errichten. 1863 erwarb die Fabrikantenfamilie Lawaczeck, die seit 1809 eine Färberei in Nieukerk betrieb, das Haus. Bis 1998, als die letzte Firmeninhaberin Huberta Becker-Lawaczeck starb, wurde es als repräsentatives Wohnhaus genutzt. Die Erben machten das historische, denkmalgeschützte Haus der Öffentlichkeit zur Nutzung zugänglich.
2001 übernahm der Historische Verein für Geldern und Umgegend mit einem Pachtvertrag über 20 Jahre dieses Gebäude als Museum und Begegnungsstätte. Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege unterstützte großzügig die Umbaumaßnahmen.

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Das Haus Lawaczeck im Jahre 2020. Foto: G. Olie

Nachdem im Inneren in der ersten Etage drei kleine Räume zu einem großen Ausstellungsraum zusammengelegt wurden, konnte die neu gegründete Kommission Haus Lawaczeck ihre Arbeit aufnehmen. Die Kommission bereitete in unregelmäßigen Sitzungen (jeweils für das nächste Jahr) wechselnde Ausstellungen zur Geschichte, Kunst und Kultur am Niederrhein vor sowie auch andere grenzüberschreitende Aktivitäten mit den Niederlanden. Einige Gründungsmitglieder sind heute noch in der Kommission vertreten, andere sind inzwischen verstorben, neue sind hinzugekommen.

Die gute Seele im Haus

Die gute Seele im Haus Lawaczeck ist das Ehepaar Ingrid und Hans-Josef Büschkes. Sie betreuen seit nunmehr 20 Jahren das Haus, die auftretenden Künstler, die Ausstellungen und Veranstaltungen. Unterstützt werden sie von vielen Ehrenamtlichen bei den Vor- und Nachbereitungen der Veranstaltungen, die in den Pausen auch mit kühlen Getränken die Gäste des Hauses verwöhnen. Dieser große Einsatz des Ehepaares Büschkes fand Anerkennung durch den Bürgerpreis des Kreises Kleve, den Ehrenamtspreis der Gemeinde Kerken und in diesem Jahr den Ehrenteller des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend.

Nachkommen der weit verstreuten Familie Lawaczeck beim Familientreffen im Jahre 2002. Foto: Gemeindearchiv Kerken

Eine der ersten großen Ausstellungen trug den Titel „Von blau bis bunt – die Geschichte der Färberei und Familie Lawaczeck in Nieukerk“. Die Gründung der Färberei zu Anfang des 19. Jahrhunderts und die Erforschung der Wurzeln und Verzweigungen der Familien bis in die heutige Zeit. Ein großes Familientreffen mit rund 80 Personen der weitverzweigten Familie aus Deutschland und Tschechien war nur ein Höhepunkt dieser Ausstellung.
Auch fanden viele Musik- und Theaterdarbietungen statt, wie zum Beispiel: Kabarett, Klavier-Kabarett, Theaterstücke, Poetry Slam, Musik mit vielen Facetten wie Gesang, Musical, Popmusik aus England, Gesprochenes und Gesungenes von Heinrich Heine, ein Folk-Konzert, Jazz in Concert, Jazz und Lyrik, Oliver Steller singt und spricht mit Texten von Kurt Tucholsky.

Das künstlerische Schaffen am Niederrhein wurde ebenfalls vielfältig berücksichtigt. Bildende Kunst, sei es in Ölmalerei, abstrakte bis realistische Malerei, Grafik, Siebdruck, Kupferstiche, Skulpturen aus Stein und Bronze, Keramikkunst, Illustrationen, Kunst zum Anfassen mit Professor Ernst Althoff, Computergrafik und Psychogramme, Porzellanmalerei und Emailarbeiten, Acrylbilder, Werke von Freizeitmalern und Hobbymalern.Die Fotoausstellung „Vier Jahrzehnte Pressefotografie“ von Ulrich Engelmann und die Ausstellung „Jungsein in den 40er Jahren“ aus dem niederländischen Vrijheids-Museum Groesbeek fanden großen Anklang.

Weiterhin wurden verschiedene Buchlesungen, Gedichtvorträge, ein Leseseminar mit Margarete Mücke „Lesen der alten deutschen Schrift des 19. und 20. Jahrhunderts“, das Seminar „Von der Entstehung eines Kinderbuches und dem kreativen Umgang damit in der Schule“, abgehalten.

Vor dem Haus fand zeitgleich mit dem Webermarktfest ein großer Bücherflohmarkt statt, der von den zahlreichen Besuchern zum Stöbern und Kaufen genutzt wurde. Foto: H.J. Büschkes

Die jährliche Helferfete als Dankeschön für die aktiven des Historischen Vereins bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen fanden in gemütlicher Atmosphäre statt. Ein spontanes Gedicht oder kleiner Vortrag wurde gerne mit Applaus honoriert. Auch der Sommerfrühschoppen mit Jazzmusik der Gruppe W. Czeranka wurde gerne angenommen. Die Einladung der Volksbank zu den alljährlichen Konzerten war sehr schnell ausgebucht und begeisterte ein interessiertes Publikum. Lichtbildervorträge zu Amerikanischen Nationalparks, Vulkane und Warane in Indonesien, Wanderungen an der Niers, Nette oder auf dem Pieterpad in Holland sowie auf Jakobswegen von Südfrankreich über Santiago de Compostela bis nach Finisterre ans „Ende der Welt“ lockten Interessierte in das Haus Lawaczeck. Angeboten wurden ebenfalls Workshops: Gefäße und Objekte aus Holz und Anleitung zum Drechseln sowie ein Schreibworkshop.

Der Geschichtsarbeitskreis im Heimatverein Nieukerk und das Gemeindearchiv Kerken veranstalteten mehrere Ausstellungen im Haus Lawaczeck. Dies waren neben der Ausstellung zu Familie und Färberei Lawaczeck im Jahre 2002, eine Zusammenstellung der Nieukerker Geschäfte zwischen 1945 und 1980 unter dem Titel „Als man noch zu Tante Emma ging“ im Jahre 2005. Mit der Ausstellung „Weberei am Niederrhein, am Beispiel des Ortes Nieukerk“ im Jahre 2008 wurde ein breites Rahmenprogramm geboten, unter anderem mit Webvorführungen durch den bekannten Hinsbecker Walter Tillmanns.
Große Aufmerksamkeit erfuhr im Jahre 2012 die Ausstellung „Der weite Weg nach Westen. Die Ankunft von Flüchtlingen und Vertriebenen im Amt Nieukerk 1945 – 1955.“ Hierzu wurden Zeitzeugeninterviews und eine große Auswahl von Bildmaterial präsentiert.
Jobst Scheidemann führte während des jährlichen Webermarktfestes durch die historischen Räumlichkeiten (Salon, Frühstückszimmer, Kontor, Küche, etc.) und erzählte dabei Anekdoten aus der Geschichte des Hauses und der Bewohner. Die Besucher waren begeistert von der Ausstrahlung und dem Charme der noch original möblierten Räume, die einem Blick zurück in eine vergangene großbürgerliche Wohnkultur zeigt. Zeitgleich fand vor dem Haus ein großer Bücherflohmarkt statt, der von den zahlreichen Besuchern des Webermarktfestes zum Stöbern und Kaufen gut angenommen wurde.

Es ist nicht möglich in diesem Bericht alle Aktivitäten aufzuführen, die es ebenfalls verdient hätten, erwähnt zu werden. Im Rückblick auf die letzten 20 Jahre ist zu sagen, dass der Historische Verein für Geldern und Umgegend mit dem Haus Lawaczeck ein wichtiges Forum für die Vermittlung regionaler Geschichte, Kunst und Kultur geschaffen hat, das vielen Menschen die Möglichkeit zum anregenden Austausch miteinander gegeben hat. Das Haus Lawaczeck war für die Gemeinde Kerken, insbesondere die Ortschaft Nieukerk ein kulturelles Zentrum – getragen von dem Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher!

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