KLEVE/TORONTO. Weihnachten ohne die Familie steht Emilie Hintzen bevor. Dabei ist es für sie nicht das erste Mal. Vor drei Jahren hat sie an einem Schüleraustasch teilgenommen und ein halbes Jahr in England gelebt – Weihnachten und Silvester inklusive. Ende August ist die heute 19-jährige Kleverin zu ihrem Au-Pair-Jahr in Toronto aufgebrochen – und fühlt sich in der Hauptstadt der kanadischen Provinz Ontario ausgesprochen wohl. Mit knapp drei Millionen Einwohnern zählt Toronto zu den bedeutendsten Metropolen des Landes. Hier gäbe es viel zu sehen und erleben – wenn Corona nicht wäre. Kanada ist von Covid-19 nicht verschont geblieben, auch wenn das Land deutlich besser mit der Pandemie zurecht kommt als die benachbarten USA.

Auch im Bücherregal versteckt sich der kleine Elf gern – und behält die Kinder im Blick. (Foto: privat)

Mitte März gab es den ersten Lockdown. Nachdem sich die Situation im Sommer entspannt hatte, ist das öffentliche Leben seit Ende November wieder stark eingeschränkt. Die Schulen und Kindertagesstätten blieben aber, so wie in Deutschland, diesmal geöffnet. Gestern war der letzte Schultag, denn jetzt geht es in den Weihnachts-Endspurt. Auch für den elf of the shelf. „Am 1. Dezember ist er bei uns eingezogen und beobachtet die Kinder, um zu berichten, ob sie auch lieb waren“, erklärt Emilie, was es mit dem freundlichen Gehilfen des Weihnachtsmanns auf sich hat. Jede Nacht wechselt er seinen Standort und die Kinder sind jeden Morgen gespannt, wo er sich diesmal versteckt hat.

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Am 1. Weihnachtstag gibt es die Geschenke

„Wir haben schon fleißig Plätzchen gebacken, ein Lebkuchenhaus dekoriert und der Weihnachtsbaum steht auch schon“, erzählt Emilie. In den Vorgärten stehen riesige aufblasbare Weihnachtsmänner und einige Häuser strahlen in Sachen Festbeleuchtung um die Wette. „Hier ist nicht Heiligabend der wichtigste Tag, sondern der 25. Dezember“, weiß die 19-Jährige. Zumindest für ihre beiden Schützlinge, Graydon (7) und Ainsley (10) – an dem Tag gibt es nämlich die Geschenke. „In der Nacht werden auch die Stoffstiefel, die am Kamin hängen, mit Süßigkeiten gefüllt“, freut sich Emilie auf die leuchtenden Kinderaugen. Sie hat sich vorgenommen, die Feiertage im Kreise ihrer Gastfamilie zu genießen. „In den letzten Jahren war ich bis kurz vor und gleich nach Weihnachten eigentlich immer im Schulstress“, erinnert sich die Abiturientin und lässt sich gern von der Vorfreude der beiden Kinder anstecken.

„Wir kommen gut miteinander klar“, ist Emilie erleichtert, dass ihre anfänglichen Sorgen verflogen sind. „Ich hatte immer im Hinterkopf, was passiert, wenn ich die beiden rund um die Uhr beschäftigen muss“, blickt sie zurück. Mittlerweile habe sie sich aber gut eingelebt und alles im Griff. „Wenn die Grundschule im Januar geschlossen bleibt, wird das mit uns trotzdem gut klappen“, ist sie zuversichtlich.

Als sich Emilie entschieden hat, nach der Schule ein Auslandsjahr einzulegen, konnte sie nicht ahnen, dass eine Pandemie alles sehr viel komplizierter machen würde. Für die Au-Pair-Variante hatte sie sich da bereits beworben. „Ich wollte den Alltag in einem anderen Land kennenlernen und gern etwas mit Kindern machen“, sagt sie. Alleine reisen wollte sie nicht. Australien und Kanada kamen in Frage. Letztlich wurde es Kanada. „Ich habe vorab viel Gutes über Land und Leute gehört“, sagt sie – und kann das nur bestätigen. „Meine Gastfamilie ist sehr offen, nett und warmherzig“, findet sie.

Zwei Wochen Quarantäne

Kennengelernt hat sie die Gasteltern bereits im Sommer per Facetime, doch erst kurz vor ihrer Abreise kam mit dem Visum das finale Okay. Die übliche Eingewöhnungswoche, die sie gemeinsam mit anderen Au-Pairs verbracht hätte, fiel wegen der Pandemie aus. Stattdessen ging es für Emilie erstmal zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Kontakte knüpfen konnte sie zunächst nur online. Mittlerweile hat sie einige Mitstreiterinnen gefunden, mit denen sie sich regelmäßig trifft. „Gleich nach der Quarantäne ist meine Gastfamilie mit mir zu den Niagarafällen gefahren“, erzählt Emilie. Eigentlich waren viele weitere Wochenend-Trips und Ausflüge geplant – „ich hoffe, dass das vielleicht im Frühjahr wieder möglich ist“.

Schlitten fahren und Schlittschuh laufen

Ganz oben auf Emilies Wunschliste steht noch Skifahren. Den ersten Schnee gab es nämlich bereits. „Schlitten fahren und Schneemänner bauen konnte wir schon. Und wir fahren auch häufig Schlittschuh“, erzählt die Kleverin. In der Nähe gibt es einen Park mit Eislaufbahn. „Das ist kostenlos und mit den Kindern bin ich sowieso viel draußen unterwegs“, sagt sie. Denn gerade Graydon hat viel Energie und leidet manchmal darunter, dass er seine Freunde nicht so häufig sehen kann. „Nach der Schule sind wir gern auf dem Spielplatz oder spielen mit den Nachbarkindern, die Kontakt haben dürfen, auf der Straße.“ Das Haus der Familie befindet sich zum Glück am Ende einer Sackgasse und ist nur wenig befahren. „Wenn es zu kalt ist, spielen wir im Haus oder basteln“, wird es für Emilie nie langweilig.

Hoffen auf Lockerungen im nächsten Frühjahr

Trotzdem hofft Emilie, dass sie bald auch mit ihren neu gewonnenen Freundinnen mehr unternehmen kann. Schließlich hätte Toronto einiges zu bieten – wäre nicht gerade alles wegen Corona geschlossen. „Ich genieße es trotzdem und es ist auch einfach schon toll, in einem anderen Land zu sein und Erfahrungen zu sammeln“, lässt sie den Kopf nicht hängen. In jedem Fall geht es im Sommer nächsten Jahres vor ihrer Heimreise noch für eine Woche nach New York. „Und vielleicht kann ich vorher auch noch mehr von Kanada sehen“, sagt sie. Die östlichen Provinzen würde sie gern bereisen, Nationalparks und Montreal erkunden, bevor sie wieder nach Deutschland zurückkehrt und studiert. Ein Trost für sie: „Ich habe absolut nicht das Gefühl, etwas zu verpassen – schließlich geht es meinen Freunden zu Hause leider auch nicht besser.“

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