Unverständnis für geplanten 
AfD-Bundesparteitag in Kalkar

Die AfD tagt Ende November im Wunderland / Die Stadt sieht keine Handhabe, dies zu verhindern

KALKAR. Der am 28. und 29. November geplante Bundesparteitag der AfD im Wunderland Kalkar sorgt für Gesprächsstoff. Schon seit Wochen fordert unter anderem das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ (AgR) im Kreis Kleve, dass der Bundesparteitag untersagt wird. Die Stadt Kalkar hat ihn in Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) jedoch genehmigt. Grund dafür ist, dass laut Corona-Schutzverordnung des Landes NRW Parteien in bestimmten Fällen vom derzeit gültigen allgemeinen Veranstaltungsverbot ausgenommen sind. Unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln seien demnach Veranstaltungen zulässig, die „der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfür- und vorsorge, insbesondere Aufsstellungsversammlungen von Parteien zu Wahlen“, dienen. Darunter falle der Bundesparteitag der AfD.

Die Initiative „Wir in Dorsten gegen Rechts“ unterstützt dagegen die Forderung des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ im Kreis Kleve. „Wir alle haben in den letzten Tagen skandalöse Bilder von Demonstrationen und Kundgebungen gesehen. Corona-Leugner vermischten sich in Leipzig, Hamburg, Frankfurt und anderen Orten mit Gegnern der Einschränkungen durch die eskalierende Pandemie. (…) Wir glauben, dass nun am 28. November in Kalkar ein Szenario droht, das erneut das Recht auf Versammlungsfreiheit über das Recht auf Unversehrtheit des Lebens und der Gesundheit stellt. Es ist uns bewusst, dass nach §13.2.2. der Corona- Schutzverordnung des Landes NRW Parteien zu Wahlen und Vorbereitungsversammlungen auch in diesen Zeiten zusammenkommen dürfen. Hier versagen aber sowohl der Gesetzgeber als auch der gesunde Menschenverstand. Die AfD ist bekanntermaßen der parteipolitische Arm der Corona-Leugner. Ihre Bundestagsabgeordneten lehnen das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes nicht nur im Plenarsaal ab. Sie könnten ihren Parteitag, wie einige unserer demokratischen Parteien, die wirklich Verantwortung für uns alle tragen, verschieben“, schreibt die Initiative in einem offenen Brief an Henni van der Most, Besitzer des Wunderland Kalkar, Kalkars Bürgermeisterin Britta Schulz, Silke Gorißen, Landrätin des Kreises Kleve, NRW-Innenminister Herbert Reul und Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW.

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AfD-Bundesparteitag
Han Groot Obbink ist Geschäftsführer des Wunderland Kalkar.
NN-Foto (Archiv): Rüdiger Dehnen

Auch Han Groot Obbink, Geschäftsführer des Wunderland Kalkar, hat diesen Brief gelesen. „Ich finde ihn sachlich und gut und begrüße es, dass sich Menschen in unserer Demokratie Gedanken dazu machen“, sagt Obbink. Im Internet habe er in den vergangenen Tagen und Wochen ganz anderes erlebt. „Ich verstehe jeden, der der Meinung ist, dass dieser Bundesparteitag nicht stattfinden darf. Es ist auch gut, dass man sich in einer Demokratie dazu äußert. Aber wenn in Foren ein Revolver gegen meinen Kopf gehalten wird, geht das zu weit“, sagt Obbink.

Wirtschaftliche
Notwendigkeit

Der Geschäftsführer des Wunderland Kalkar möchte dennoch den Nutzungsvertrag mit der AfD nicht auflösen. „Ich habe Verantwortung für viele Mitarbeiter. Seit Monaten ist unser Umsatz stark zurückgegangen – teilweise ist er sogar bei null. Meine Mitarbeiter erhalten 80, 70 oder teilweise sogar nur 60 Prozent Kurzarbeitergeld. Die AfD hat das ganze Gelände exklusiv angemietet. Damit haben wir wieder etwas mehr Planungssicherheit“, erklärt Obbink. Aus wirtschaftlichen Gründen könne er den Bundesparteitag daher nicht absagen. Er sehe dagegen Handlungsbedarf an anderer Stelle: „Die Gastronomie ist geschlossen. Ein Bundesparteitag mit viel mehr Menschen ist aber erlaubt. Das ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen.“

600 Delegierte –
150 Medienvertreter

Die AfD erwartet laut eigenen Angaben rund 600 Delegierte und etwa 150 Medienvertreter anlässlich ihres Bundesparteitages. Wie die AfD auf Anfrage mitteilt, sei die Bundespartei laut ihren Statuten dazu verpflichtet, einen Präsenzparteitag abzuhalten. Ein Online-Parteitag sei explizit ausgeschlossen. Entgegen mancher Medienberichte teilt die AfD zudem mit, dass es gegen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Bundesparteitag keine juristische Klage geben werde. „Sobald uns das Hygienekonzept der Stadt Kalkar und des Landes NRW vorliegt, werden wir es exakt so umsetzen“, sagt die Pressestelle der AfD.

An einem entsprechenden Konzept arbeitet die Stadt Kalkar in Absprache mit dem Land intensiv. „Dieses muss absolut hieb- und stichfest sein. Von einer Partei mit Regierungsverantwortung ist es das Mindeste, was man erwarten darf, dass sie sich dann auch daran hält“, sagt Kalkars Bürgermeisterin Britta Schulz. Dazu zähle unter anderem eben auch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. 

Die erste Bürgerin der Stadt Kalkar sieht den Bundesparteitag der AfD selbst jedoch ebenfalls kritisch: „Was ist das für ein Zeichen in diesen Zeiten eine Versammlung mit 600 Delegierten abzuhalten?“, fragt Schulz, die jedoch aufgrund des entsprechenden Paragraphen in der Corona-Schutzverordnung, der Aufstellungsversammlungen von Parteien erlaube, keine rechtliche Handhabe sieht, den Bundesparteitag zu verbieten. „Ich bin selbst sehr unglücklich damit. Wenn ich etwas tun könnte, würde ich es machen. Aber das sind nunmal die Grundfesten unserer Demokratie, die auch das jetzt aushalten muss“, meint Schulz. Sorgen bereite ihr jedoch, wie das Ordnungsamt der Stadt Kalkar die Einhaltung des Hygienekonzeptes überprüfen soll. „Gerade jetzt ist das Ordnungsamt ohnehin gut ausgelastet. Wir haben diese Kapazitäten nicht“, sagt Schulz. Bei der Bürgermeisterkonferenz am vergangenen Mittwoch hätten ihr andere Kommunen aber bereits Hilfe signalisiert.

Geplante Demonstrationen vor dem Wunderland

Entscheidend werde aber nicht nur sein, was sich in den Messehallen im Wunderland Kalkar abspiele, sondern auch davor. Verschiedene Initiativen haben Demonstrationen am 27., 28. und 29. November in Kalkar angekündigt. Bereits am Freitag, 27. November, soll es von 16.30 bis 19 Uhr eine kleine Demonstration des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ am Wunderland Kalkar geben. Eine Zweite soll am Samstag, 28. November, um 8 Uhr am Restaurant Campino in Kalkar starten und gegen 9.30 Uhr am Wunderland eintreffen. Auf einer Bühne soll es dort bis 16 Uhr ein Programm geben. 

Weitere Demonstrationen – auch von Seiten der Corona-Leugner – sind nicht ausgeschlossen. Han Groot Obbink verriet im Interview mit den NN, dass die Veranstaltung von den Polizeibehörden sowie vom Bundes- und Landeskriminalamt intensiv beobachtet und begleitet werde. Zudem habe er seinen Mitarbeitern freigestellt, ob sie an den beiden Tagen arbeiten möchten.

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