GELDERN. Immer wieder blieben in den letzten Tagen Fußgänger in der Hülser-Kloster-Gasse stehen, um dem Gelderner Künstler Mattez Deckers und Jan Tegelaers aus den Niederlanden dabei zuzuschauen, was sie da mit ihren Sprühdosen auf das Mauerwerk zaubern. Die kurze Antwort: ein etwa 20 Meter langes und zwei Meter hohes Graffiti-Kunstwerk in knallig-leuchtenden Farben. Mittlerweile ist es nach gut und gerne 40 Stunden Arbeit fertig: „Go with the flow“ heißt es in der unverkennbaren Graffiti-Schrift, im Hintergrund eine Welle, die Schildkröte, Oktopus und rochen mit sich bringt.

Die Tiere verbreiten mit ihrem freundlich-liebenswerten Aussehen schon beim ersten Anblick gute Laune. Kein Wunder, sind es doch Figuren aus den bekannten Animationsfilmen „Findet Nemo“ und „Findet Dorie“.

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Das Kunstwerk bildet nicht nur für sich genommen eine schlüssige Einheit, sondern passt auch zur aktuellen Situation, wie Deckers erläutert. „Ich sehe mich ein bisschen machtlos gegenüber dem, was ich jeden Tag im Radio höre. Wir können im Moment nicht allzu viel tun.“ Zu anderen Zeiten habe man sich überlegen können, wo man den Abend verbringen wollte. „Im Moment muss man sich ein bisschen treiben lassen mit dem, was man kann und was man darf.“

Das Graffiti ist zwar eine Auftragsarbeit für die Mauerbesitzer, das Motiv aber haben sich die beiden Künstler selbst ausgesucht. „Wir haben uns bewusst für ein neutrales Motiv entschieden“, sagt Deckers. Schließlich ist das Graffiti nicht nur öffentlich sichtbar, sondern auch nah an der St. Michael Grundschule.

Ursprünglich wurde die Mauer immer wieder beschmiert, sodass sich die Eigentümer schließlich dafür entschieden, den Schund lieber durch Kunst zu ersetzen und Profis das Feld zu überlassen. So entstand zunächst eine Piratenlandschaft auf der Mauer, die aber vor kurzem renoviert werden musste. Auch wenn das alte Kunstwerk weichen musste, bekamen so immerhin die beiden Künstler Gelegenheit, für neuen Glanz zu sorgen.

Aus Zufall erwächst Gelegenheit

Das Graffiti in der Gasse ist nicht Deckers erstes gemeinsames Projekt mit dem 23-jährigen Tegelaers. Im Frühjahr 2020 haben die beiden zum ersten Mal zusammengearbeitet, mit einem befreundeten Künstler in Venlo. Vor allem in Holland folgten weitere gemeinsame Projekte. „Jan ist der Buchstabenspezialist“, betont Deckers.

Die Reaktionen der Gelderner auf das neue Bild sind überaus positiv, egal ob sie von den Kindern oder den Erwachsenen kommen. Immer wieder sprachen Kinder die beiden Sprayer an. „Die konnten sich auch noch an die alten Piraten-Graffitis erinnern“, sagt Deckers. Früher sei die Kunstform Graffiti nicht immer gut gelitten gewesen. Heute gilt das aber kaum noch: „Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass es keine negativen Reaktionen mehr auf schöne Graffitis gibt. So etwas habe ich in den letzten Jahren nie mehr erlebt.“

Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigt sich der 37-jährige Deckers mit Graffitis, seit einem Jahr ist er hauptberuflich Künstler. Sein Atelier in Geldern teilt er sich mit sieben weiteren Künstlern. Sein Spektrum ist breit: Er ist Sprayer, Musiker, Maler, Grafiker und arbeitet mit Videos. Wenn er mal keinen Auftrag hat, widmet er sich auch in seiner Freizeit der Kunst. „Ich male ständig“, bringt er es auf den Punkt. Ein waches Auge gehört für ihn zum Alltag: Sieht er eine geeignete Wand, klopft er bei den Eigentümern an, um vielleicht ein neues Projekt ins Rollen zu bringen. „Die meisten sagen ja“, sagt er mit einem Lachen.

Eines seiner vielen Bilder in Geldern, „Masked Heroes“ (Maskenhelden), lässt sich übrigens an der Stettiner Straße Kreuzung Marktweg bestaunen, gegenüber der Bushaltestelle. Und auch das in einer dem Anlass gebührenden Größe.

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