Es gibt noch freie Lehrstellen

    Die Arbeitsagentur hat mit der Nachvermittlung begonnen / Einstieg noch bis Ende Januar möglich

    NIEDERRHEIN. Wer heutzutage einen Ausbildungsplatz sucht, hat gute Chancen. Gleichzeitig wird es für Arbeitgeber schwerer, geeigneten Nachwuchs für ihr Unternehmen zu finden. „Das hat aber wenig mit der Coronakrise zu tun, sondern liegt an der seit Jahren rückläufigen Zahl an Schulabgängern und dem ungebrochenen Trend zum Studium“, erklärt Barbara Ossyra, Chefin der Agentur für Arbeit in Wesel, die auch für den Kreis Kleve zuständig ist.

    Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Wesel.
    NN-Foto: vs

    Trotzdem hat die Pandemie auch den Ausbildungsmarkt 2019/ 2020 beeinflusst. Viele Arbeitgeber haben die Nachwuchsrekrutierung aufgeschoben, weil zunächst andere Themen wie Kurzarbeit, die Zukunftsplanung für das Unternehmen und die Umstellung auf Homeoffice drängender waren.
    Gleichzeitig waren die Schulen geschlossen und potentielle Bewerber nicht über Ausbildungsbörsen und andere Veranstaltungen greifbar. Auch für die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit hat sich die Arbeitswelt in den zurückliegenden Monaten verändert. Weil eine persönliche Beratung auch nach dem Lockdown schwierig ist, nutzt man nach wie vor weitere Kanäle, etwa Video-Chat und soziale Medien, um die Jugendlichen zu erreichen.

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    „Berufsberatung mal anders“

    Auch die „Berufsberatung mal anders“ auf Wochenmärkten in Emmerich und Rees oder die Open-Air-Ausbildungsbörse in Moers kamen gut an. Seit August ist wieder eine Beratung vor Ort in den Schulen möglich. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, erklärt Ossyra. So könne man frühzeitig Kontakte zwischen den Unternehmen und den zukünftigen Auszubildenden knüpfen. Wer bereits vor dem Schulabschluss einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat, taucht letztlich nicht mehr in der Statistik der Arbeitsagentur auf. Eine frühzeitige Orientierung liegt auch deshalb im Interesse der Agentur, weil es so seltener zu Abbrüchen kommt. Ossyra ist überzeugt: „Die Netzwerkarbeit und das Landesprogramm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ zaheln sich aus.“

    Vom 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 meldeten sich insgesamt 4.559 Bewerber für einen Ausbildungsplatz. Das sind 1.084 Jugendliche oder knapp 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Ausbildungsstellen nahm um etwa vier Prozent ab. Im Kreis Kleve liegt die Relation von Ausbildungsstellen zu Bewerbern bei 1,05 – hier gibt es also bereits mehr offene Stellen als Bewerber. Im Kreis Wesel liegt sie bei 0,96 – die Zahl der Bewerber liegt damit noch knapp über der Zahl der offenen Stellen. „Diese Schere wird sich weiter öffnen“, ist Ossyra überzeugt.

    Unterschiedliche Entwicklungen werden in beiden Kreisen mit Blick auf die Zahl der Lehrstellen deutlich. Während im Kreis Wesel seit April diesen Jahres ein deutlicher Rückgang zu vermelden ist, hat sich die Situation im Kreis Kleve nach leichtem Rückgang mit Beginn des Lockdowns bereits ab Juni wieder erholt und liegt im September im Plus (Zuwachs um 32 Lehrstellen). Einige Arbeitgeber haben Fördergelder in Anspruch genommen, die im Rahmen des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ bereitgestellt wurden.

    Einige Branchen sind bei
    jungen Leuten nicht so gefragt

    Hier gab es Prämien für den Erhalt des Ausbildungsniveaus, für die Vermeidung von Kurzarbeit und Übernahme von Auszubildenden durch andere Betriebe, wenn Corona-bedingt keine Weiterbeschäftigung mehr möglich war. Ende September standen im Kreis Wesel 185 „unversorgte Bewerber“ 342 offenen Ausbildungsstellen gegenüber. Im Kreis Kleve waren es 213 Bewerber und 268 Stellen. „Nach wie vor gibt es einige Branchen, die nicht so gefragt sind bei den jungen Leuten“, erklärt Ossyra. Ein weiteres Problem ist die mitunter große Distanz zwischen Wohnort und Lehrbetrieb.

    Im sogenannten „5. Quartal“, das in diesem Ausnahmejahr bis Ende Januar 2021 läuft, hat man nun mit der Nachvermittlung begonnen. „Wir werden jetzt noch einige Jugendliche unterbringen können“, ist Ossyra zuversichtlich. Sie betont: „Alle erhalten Angebote.“ Zumal auch die Möglichkeit besteht, ein Langzeitpraktikum zu beginnen oder an berufsvorbereitenden Maßnahmen teilzunehmen. Allerdings, das seien Erfahrungswerte, sei davon auszugehen, dass nicht alle diese Angebote annehmen werden.

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