Hans-Peter Brosch würde sich freuen, wenn es am Niederrhein mehr Angebote für „Junge Pflege“ geben würde. NN-Foto: vs)

KLEVE. Was passiert eigentlich, wenn jüngere Menschen dauerhaft pflegebedürftig werden? Aus Mangel an Alternativen landen viele von ihnen in Pflegeheimen. „Fehlplatziert“ lautet dann der Fachbegriff. „Ich fühle mich zu jung und darüber hinaus auch unterfordert“, sagt Hans-Peter Brosch. Der gebürtige Reeser, Jahrgang 1963, lebt seit einigen Jahren in einer Klever Einrichtung, die eigentlich für Senioren gedacht ist. Doch er hat andere Ansprüche an das Leben – auch wenn er schwer erkrankt ist.

Es hätte durchaus anders laufen können. Als junger Mann absolvierte Brosch eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Am Düsseldorfer Uni-Klinikum hängte er zwei weitere Lehrjahre dran. Fachpflege für Innere und Intensivmedizin. Anschließend arbeitete er einige Zeit in der Neurochirurgie, leitete dort Schüler und Studenten an. Dann wechselte er in eine Einrichtung nach München. „Ich wollte noch etwas sehen“, sagt Brosch. Doch nach dem Umzug in die bayerische Landeshauptstadt begannen irgendwann die Probleme. „Ich ließ meine alten Freunde zurück, verfiel in Agonie, war antriebsarm“, blickt Brosch auf diese schwere Zeit zurück. Man diagnostizierte eine Depression. Die gipfelte schließlich darin, dass Brosch nicht mehr in der Lage war, zur Arbeit zu gehen.

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Mit Hilfe seiner Mutter und seiner Schwester fand er eine Wohnung in Kleve. „Ich wollte zurück in meine Heimat, zu meiner Familie“, sagt Brosch. Von da an ging es auf und ab, mal war er stationär untergebracht, mal besuchte er die Tagesklinik, mal schaffte er es allein.
Bis zum Jahr 2014. „Da hatte ich meinen ersten Herzinfarkt“, sagt der 57-Jährige, der mittlerweile mehrere Bypässe hat. Dann kam die Niereninsuffizienz, wegen der er drei Mal in der Woche für fünfeinhalb Stunden an die Dialyse muss. Eine Transplantation möchte er nicht. „Das ist mir zu gefährlich“, sagt er. Und die Osteoporose, wohl auch durch die Einnahme zahlreicher Medikamente begünstigt. „Bei einem Sturz habe ich mir die Wirbelsäule gebrochen“, sagt Hans-Peter Brosch. Seit dem Unfall ist sein Rückgrat versteift, er sitzt im Rollstuhl.

Seine Krankengeschichte trägt Hans-Peter Brosch mit Fassung. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Nicht hinnehmen möchte er allerdings, die nächsten Jahrzehnte im Altenheim zu leben. Deshalb hat er sich umgesehen und nach Alternativen gesucht. „Es ist nicht so, dass ich die Einrichtung oder die Bewohner nicht mag“, betont er. „Ich bin mit Abstand der Jüngste. Die anderen sind 80, 90 und sogar 100 Jahre alt und haben ganz andere Interessen.“ Wohneinheiten mit Selbstverpflegung, Mehrgenerationenhäuser, Stationen für „Junge Pflege“ von 18 bis 60 Jahren. Das alles gibt es. Nur eben nicht in ausreichender Zahl am Niederrhein. „Ich finde, sowohl die Politik als auch die Träger von Heimen müssten sich mehr Gedanken um Leute wie mich machen“, sagt Hans-Peter Brosch. Das Thema „Junge Pflege“ komme in der Region viel zu kurz und werde kaum berücksichtigt. „Das Konzept Altenheim ist, zumindest was die Unterbringung von jüngeren Pflegebedürftigen betrifft, nicht mehr zeitgemäß“, sagt er. Es gebe modernere Ansätze, die auch Generationenübergreifend für ein Mit- und Füreinander Sorge tragen. Eigentlich, findet Brosch, hätte er mit Mitte 50 nie in einem Altenheim landen sollen. Und er weiß, dass es noch weit jüngere Menschen gibt, die auf Hilfe angewiesen sind und sein Schicksal teilen. „Die Nachfrage ist doch vorhanden – auch hier am Niederrhein“, sagt er und fragt sich: „Warum werden nicht viel mehr alternative Angebote auf den Weg gebracht?“

Fündig geworden ist Hans-Peter Brosch mittlerweile in Müns­ter – und in Leipzig. „Da wohnt eine Tante von mir“, erklärt er, dass er durchaus dazu bereit wäre, diesen Schritt zu gehen. Um einen Platz beworben hat er sich bereits. Jetzt muss er abwarten, ob es klappt. „Trotzdem möchte ich eine öffentliche Diskussion dieses Themas anregen“, sagt er. Damit andere Betroffene in Zukunft eine Wahl haben.

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