NIEDERRHEIN. Wie wurden die Städte eigentlich, wie sie heute sind? Das ist eine Frage, der das Sachbuch „Aufbruch und Wiederaufbau. Städtebau im niederrheinländischen Grenzgebiet nach dem zweiten Weltkrieg“ nachgeht. Zehn Städte aus Deutschland und den Niederlanden werden darin beleuchtet – mit reicher und großer Bebilderung. Das Tolle: Vorkenntnisse sind überhaupt nicht nötig, aber trotzdem können auch Experten einiges lernen. Eine dazugehörige Wanderausstellung soll in den nächsten Monaten folgen.

Das Buch gehört zu einem Projekt der Stiftung „Geschichte des Raumes Peel-Maas-Niers“ (PMN) in Zusammenarbeit mit dem Gelderner Stadtarchiv und dessen Förderverein „Mespilvs“.

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Spannende Erkenntnisse

Nijmegen ist die älteste Stadt der Niederlande. Das wissen schon einige, aber warum ist sie dann so modern? Das ist ein weiteres Beispiel dafür, worum es in dem Sammelband geht. Dr. Yvonne Bergerfurth ist Leiterin des Gelderner Stadtarchivs, Mitglied des Projekt-Redaktionsteams sowie Sekretärin von PMN und kann noch mehr Beispiele geben: „Wie ging man in Geldern mit den heftigen Kriegsschäden um? Wie packten die Stadtverwaltungen die gewaltigen Herausforderungen an? Wo sind die Unterschiede bei den deutschen und niederländischen Städten?“

Daraus ergeben sich viele interessante Erkenntnisse, die den Leser die Städte mit neuem Blick (wieder)entdecken lässt. Dafür sorgen nicht nur die Texte, sondern ebenso die vielen Bilder, wie Karten, Pläne, Postkarten oder Fotos vom Straßenraum. Die Stärke des Buchs liegt für Bergerfurth in den sehr unterschiedlichen Städten und Autoren der Beiträge. Für den Klever Beitrag war etwa ein Stadtplaner zuständig, der seine ganz eigene Perspektive einbrachte.
Kriegszerstörungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Thematik. Die waren nicht überall gleich, und mit diesen verschiedenen Voraussetzungen waren auch die Herangehensweisen unterschiedlich. Eines lag Bergerfurth dabei besonders am Herzen: „Auch deutschen Lesern der Grenzregion zu vermitteln, dass ebenso niederländische Städte an Rhein und Maas ganz massiv angegriffen und zerstört wurden. Britische und US-amerikanische Flugzeuge haben den Bodentruppen den Weg freigebombt.“

Eine Erkenntnis wird besonders dadurch beachtlich, dass es nach dem Krieg in Deutschland keine Regierung gab: „Ich war überrascht, wie schnell auf beiden Seiten der Aufbau angegangen wurde. Deutschland wurde von unten aus den Gemeinden heraus wiederaufgebaut“, erzählt Bergerfurth. Geldern hatte bereits 1946 einen Leitplan für die Innenstadt.

Neue Impulse durch Zuwanderung

In eine andere Richtung geht der Beitrag zu Wachtendonk, da dort im Krieg weitaus weniger zerstört wurde. Stattdessen war Wohnungsnot ein wichtiges Thema, da viele evangelische Flüchtlinge aus Ostdeutschland hierher kamen. Plötzlich brauchte es eine zweite Infrastruktur, zum Beispiel eine zweite Kirche und eine zweite Schule. „Es war undenkbar, evangelische und katholische Kinder auf eine Schule zu schicken. Es war eine große Herausforderung für einen so kleinen Ort. Ebenso ist eine große Integrationsleistung nötig gewesen, es war aber auch ein enormer wirtschaftlicher Impuls für die Entwicklung von Wachtendonk“, erklärt Yvonne Bergerfurth. Die neuen, jungen und teils gut ausgebildeten Arbeitskräfte konnten direkt eingesetzt werden.

Bergerfurth fasst die damalige Entwicklung mit zwei Richtungen zusammen: Zum einen die Orientierung an historischen Strukturen, wie engen Gassen und kleinen Grundstücken. „Manchmal hatte das eher banale Gründe. In Kleve war die Kanalisation noch da und man konnte nicht alles auf einmal bauen.“ So nutze man das, was noch funktionstüchtig war.
Zum anderen den modernen, innovativen Ansatz, wie in Nijmegen, wo etwa kleinere Parzellen zu großen zusammengelegt wurden. Ein Panoramafoto der Stadt im Band zeigt zwei Gesichter auf einmal: Rechts die modernen Gebäude und links die Reste der alten Stadt.

Wanderausstellung und Video zum Buch

Die auf dem Buch basierende Wanderausstellung wird bewusst anders aufbereitet und legt den Fokus auf die Abbildungen. Für ein ansprechendes Design engagierte das Team eine professionelle Grafikerin. Darüber hinaus wurden die Erkenntnisse aus dem Buch zu 14 Themen und allgemein verständlich zusammengefasst. Die Ausstellung bietet jedoch auch Neues: Für Geldern zum Beispiel sollen drei spezielle Themen dazu kommen. „Wir bemühen uns, neue Wege zu gehen und neue Zielgruppen anzusprechen. Auch mit den Ausstellungen, um möglichst niedrigschwellig die Menschen anzusprechen“, sagt Yvonne Bergerfurth. Zum Beispiel, wenn sie sich im Rathaus einen neuen Pass abholen.

Nicht nur die Ausstellung, ebenso der Umfang des Buches kann sich sehen lassen: Auf 272 Seiten geht es um Geldern, Kempen, Krefeld, Venlo, Straelen, Mönchengladbach, Wachtendonk, Kleve, Nijmegen und Venray. Wer noch mehr über das Buch erfahren möchte, findet unter www.youtube.com/watch?v=ASkCn2NUG3k eine Vorstellung in Videoformat. Das Buch gibt es für 19,95 Euro im lokalen Buchandel oder im Internet unter www.peel-maas-niers.eu/de/aufbruch-und-wiederaufbau-buch/.

Ermöglicht wurde das Projekt durch eine Förderung von 25.000 Euro von der Euregio im Rahmen des Interreg-Programms sowie durch die Hilfen weiterer Städte und Vereine.

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