Landwirte wollen Zukunft für sich und für alle Lebewesen

Große Strohpuppen am Wegesrand sollen zum Nachdenken auffordern

XANTEN. Große Strohpuppen stehen am Wegesrand – kleine Kunstwerke – beliebte Fotomotive. Aber die Erschaffer – Landwirte aus der Region – möchten mit diesen Strohpuppen Zeichen setzen. Sie sehen darin eher Denkmale, vielleicht sogar Mahnmale. Wer die Plakate liest, weiß worum es geht.

Landwirte aus Xanten, Sonsbeck und Veen haben Strohpuppen aufgebaut und Plakate angebracht, die zum Nachdenken über den Beruf und den Stand des Landwirts auffordern.
NN-Foto: L. Christian

Sie fordern Planungssicherheit für ihre Betriebe, möchten in Generationen denken, damit ihr Lebenswerk auch noch von ihren Kindern fortgesetzt werden kann, sie wünschen sich Nachhaltigkeit bei Entscheidungen. Ihr Vorwurf: Politiker denken in Wahlperioden, Unternehmer aber müssen viel langfristiger denken. Meist laufen Finanzierungen über 20 Jahre, gibt es in dieser Zeit neue Regularien, sind ihre Neuanschaffungen im Nu wertlos, müssen „nachgebessert“ werden. Was hilft da schon der Bestandsschutz auf ein paar Jahre. Das investierte Geld muss ja auch wieder erwirtschaftet werden.

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Das Hü und Hott in der Politik

Franz-Josef Fell, Ortsbauernvorsitzender von Xanten, liefert ein Beispiel: „Vor rund zehn Jahren mussten die Schweineställe beim Bodenbelag Spaltenbreiten von 20 Millimetern aufweisen. Kaum war alles erneuert, wurden die Gesetze sechs Jahre später erneuert und eine Spaltenbreite von 17 Millimetern verlangt. Und so könnten wir zig Beispiele benennen.“
Hü und Hott in der Politik – bei den Entscheidungsträgern. Die Landwirte wagen den Vergleich: „Landwirtschaft ist wie Fußball, alle stehen am Rand und schreien rein.“ Dieses „Reinschreien“ zermürbt die Menschen, die mit Leib und Seele Landwirt geworden sind. „Wir haben eine gute Ausbildung und bilden uns ständig fort. Keiner würde wagen, bei der Arbeit eines Elektrikers reinzureden, aber bei uns wollen alle alles besser wissen“, ist das Empfinden der Bauern aus Xanten, Sonsbeck und Veen.

Bürger werden (bewusst) verunsichert

Auch hier liefert Christian Keisers aus Veen ein Beispiel: „Ständig liest man von Pestiziden – ein wahnsinnig negativ besetztes Wort, das allen Leuten Angst macht. In Wirklichkeit bringen wir Pflanzenschutzmittel auf diese Felder. Sie verhindern zum Beispiel Pilzbefall an Getreide. Kein Mensch will Verdorbenes kaufen, wir tun also was Gutes und stehen immer dar, als ob wir die Menschheit vergiften wollten.“ Und schon fällt wieder das Wort „Glyphosat“. Wieder räumt Keisers mit Vorurteilen auf. „Die Bahn nutzt auf ihren Flächen Glphosat. Auch Privatleute spritzen ihre Asphaltauffahrten damit. Aber wir Landwirte setzen es kaum ein. Auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern spritzen wir 4 Liter, und zwar nach der Ernte. Das dient zur Stoppelbehandlung und schützt den Boden. Es ist doch in unserem ureigensten Interesse, mit unseren Flächen pfleglich umzugehen.“
Gülle ist genau so ein Wort, das viele Menschen sofort mit schlechtem Einfluss aufs Grundwasser in Zusammenhang bringen. Landwirt Frank Terhorst aus Sonsbeck schimpft: „Einerseits verlangt man von uns, dass wir über immer größere Flächen verfügen müssen, um Gülle auszubringen, andererseits stehen den Landwirten immer weniger Flächen zur Verfügung. Gülle ist ein Naturdünger, der in Verruf geraten ist. Wenn die Bauern stattdessen chemischen Kunstdünger aufs Feld aufbringen, sagt kein Mensch etwas.“

Alle wollen mitreden – wie beim Fußball

Und da schließt sich der Kreis: Alle wollen mitreden, viele schüren Ängste, indem sie es mit der Wahrheit nicht gar so genau nehmen. Die Bauern fühlen sich als „Buhmänner der Nation“. Kurzes Aufflackern in der Coronazeit, als Regionalprodukte wieder mehr in den Vordergrund gerückt wurden. Und schon lässt die Wertschätzung wieder nach. Und die Erkenntnis bleibt: „Wenn die Verbraucher nicht bereit sind, für Fleisch, Obst und Gemüse auch einen anständigen Preis zu zahlen, von dem auch die regionalen Bauern leben können, wird durch Massenproduktion der Markt überschwemmt. Hauptsache billig und wegschauen, woher die Produkte kommen und wie sie hergestellt wurden.“

Beitrag zum Erntedankfest

Die Landwirte fordern zu Recht Aufmerksamkeit, Innehalten und Nachdenken. Sie möchten mit den Menschen ins Gespräch kommen, um gemeinsame Lösungen für die Zukunft zu finden. Und sie wollen auch mit der Gemeinschaft feiern, zum Beispiel das traditionelle Erntedankfest. Zu Corona-Zeiten nicht mit einer Party, sondern mit Schmuckstücken am Wegesrand in Form von liebenswerten Strohpuppen.

 

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