Dagmar Gaßdorf
Dr. Dagmar Gaßdorf hat mit „Die Taube auf dem Dach“ ihren Debutroman veröffentlicht. NN-Foto: Thomas Langer

ISSUM. Das eigene Ding zu machen, das tut Dr. Dagmar Gaßdorf schon seit jeher. Ein eigener Roman ist bei ihrem Lebenslauf kein großes Wunder. „Die Taube auf dem Dach“ heißt er und ist ein typischer Aufsteiger-, aber auch Mehrgenerationenroman. Das Streben nach mehr: Das hat Gaßdorf mit der Protagonistin sogar gemein, auch wenn sie den Hang von Lesern, in Romanen Autobiografien zu erkennen, kritisch sieht.

Barbara heißt die Protagonistin des Debutromans. Aufgewachsen ist sie in kleinbürgerlichen Verhältnissen im Ruhrgebiet, in einem strengen, aber liebevollen Elternhaus. Dem Satz „Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach“ kann sie nichts abgewinnen. Denn ihr ist klar: Wer sich mit dem Spatz zufrieden gibt, bekommt die Taube auf dem Dach nie. Mit dem Buch behandelt Gaßdorf ein wichtiges gesellschaftliches Thema: „Es handelt davon, welche Bedeutung Sprache und Bildung für den Aufstieg haben.“

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Nach oben zu schauen, ohne die Bodenhaftung zu verlieren, das ist die Botschaft des Romans. Dass das funktioniert, da ist sich Dagmar Gaßdorf sicher. „Ich finde es immer schön, wenn die Leute etwas lernen, während sie unterhalten werden“, erklärt sie ihren Ansatz. „Man muss Träume und durchaus auch Utopien haben, denn sonst wird das alles gar nichts. Wenn man selbst nicht daran glaubt, wer sonst?“

Als eine Person, die im Ruhrgebiet aufgewachsen ist und dort lange gelebt hat, kennt die langjährige Essenerin die Neigung der Leute, Menschen mit Ehrgeiz merkwürdig anzusehen und sich selbst kleinzumachen. Letzteres trotz der Bedeutung des Ruhrgebiets für die Wirtschaft eines ganzen Landes. Sie weiß aber auch: „Man kann stolz auf die Geschichte sein, aber man sollte nicht in ihr verharren, sondern andere Ziele anpeilen.“

Gaßdorf rät: einfach mutig sein

Eine Herausforderung beim Schreiben eines Romans ist für Gaßdorf die Neigung der Leser, nicht zwischen Figur und Autor zu unterscheiden. „Man muss sich frei davon machen“, erklärt sie. Einfach mutig sein. Früher plagte auch sie die Sorge, zu viel von sich preiszugeben und dass das sowie die Interpretationen der Leser Nachteile auf ihre Karriere haben könnten.
Kann man solche Sorgen beiseite räumen, steht dem Spaß an der Sache nichts mehr im Wege. Besondere Freude beim Schreiben macht Gaßdorf, wenn ihr Formulierungen gelingen, die ins Ohr gehen. Vieles, vor allem im Internet, sei flüchtig. „Aber ein Buch ist etwas Bleibendes“, erklärt Gaßdorf.

Liebe auf den ersten Blick

Nach Issum in die Kleinmannsmühle verschlagen hat es Dagmar Gaßdorf durch eine Ausschreibung in einem Katalog, die sie zufällig beim Spazieren mit einem Eis auf der Hand gesehen hat. „Ich habe mich sofort in das Denkmal verliebt“, sagt sie. Obwohl Essen und Issum einen starken Kontrast bilden, fühlt sich Gaßdorf hier sehr wohl.

Die Mühle in Issum bietet einen ruhigen Ort, an dem die sprachbegeisterte Gaßdorf ihre Arbeit verrichten kann, wozu auch von ihr veranstaltete Matinéen gehören. „Ich hatte es immer mit der Sprache“, erzählt sie. Nicht nur der Roman zeugt davon, der übrigens auch sprachgeschichtliche Elemente, wie die Herkunft von Sprüchen wie „Weg vom Fenster“, und Gedichte enthält. Auch einige Beispiele ihres umfangreichen Lebenslaufs zeigen das: Germanistik-, Anglistik-, Romanistik- und Linguistikstudium, Lehrkraft an der Universität, Lektorin, Texterin, Verlegerin, Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der WAZ-Gruppe und stellvertretende Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats.

Wie Barbara in ihrem Roman strebte sie nach mehr, wollte die Nummer eins werden, in den Vorstand kommen. In einem Unternehmen wie Henkel konnte sie es damals nicht, erst recht nicht als Frau. Obwohl ihr die Arbeit dort sehr gefiel, machte sie sich mit einer Werbe- und PR-Agentur selbstständig.

Ihre eigene Herrin war sie außerdem beim Schreiben diverser Sachbücher, die oft Bezug zu ihrer Arbeit hatten. Zuletzt erschien „Goethe für Klugscheißer“, das sie mit Bertold Heizmann schrieb. Ein Buch über Schiller ist in Arbeit. Aber auch Kurzgeschichten, Liedtexte und Gedichte gehörten nebenher immer schon zu ihrem Repertoire, die sie auch für Freunde oder ihre Enkel schrieb – wie „Tim der Torwart“. Romanfragmente gab es auch immer wieder, die Zeit dafür fehlte ihr allerdings. Bis heute. Weitere Romane will Dagmar Gaßdorf definitiv schreiben, verschiedene Projekte liegen bereits in ihrer Schublade. „Ich probiere immer gerne neue Formen aus“, sagt sie. Ein Thema könnte der Unterschied zwischen Land- und Stadtleben werden. Und den hat sie tatsächlich selbst erlebt.

„Die Taube auf dem Dach“ gibt es im Handel als Taschenbuch für 16,95 Euro.

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